3. Sonntag nach Epiphanias (26. Januar 2020)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Claudia Kook, Nürtingen [claudia.kook@elkw.de]

Apostelgeschichte 10, 21-35

IntentionGott ist Mensch geworden – Gott begegnet uns im Menschen: Manchmal vertraut, manchmal fremd und unerwartet. Immer wieder überraschend. Deswegen: Die Begegnung suchen. Hinhören lohnt sich.

I met god, she’s blackEin weißer Mann mittleren Alters in den USA hat einen tödlichen Autounfall. Glücklicherweise ist der Notarztwagen schnell da und kann den Mann reanimieren und vom Tod wieder zurück ins Leben holen. Die Leute fragen ihn: „Sag doch mal, wie war das, als du tot warst – bist du Gott begegnet? Wie sieht er aus?“ Er druckst herum, schließlich sagt er: „Yes, I met God. She’s black“ (in etwa: „Ja, ich bin Gott begegnet. Sie ist eine Schwarze“).

Liebe Gemeinde, heute geht es genau darum: dass Gott sich oft anders zeigt als erwartet, und dass die Begegnung mit Menschen überraschende Gotteserfahrungen mit sich bringt.

Petrus und Kornelius: Kulturelle UnterschiedeUnser heutiger Predigttext führt uns ganz zu den Anfängen des Christentums. Die ersten Christen waren Juden und lebten als Teil des Judentums. Einer davon war der Jünger Petrus. Im 10. Kapitel der Apostelgeschichte wird Folgendes von ihm berichtet: Petrus hat sich gerade aufs Dach des Hauses zurückgezogen, um zu beten. Die Essenszeit ist nahe, ihm knurrt der Magen, vielleicht der Grund für die seltsame Erscheinung, die ihm zuteil wird: In einer Vision wird er von einem Engel dazu aufgefordert, Fleisch von unreinen Tieren zu essen.

In diesem Moment sieht Petrus sein ganzes kulturelles Erbe, seine Identität in Frage gestellt. Die Speiseregeln im Judentum damals und auch heute noch sind einzuhalten. Als frommer Jude hält er selbstverständlich Gottes Gebote. Darum isst er auf gar keinen Fall Fleisch von unreinen Tieren, sowenig wie er auf unreine Weise geschlachtetes Fleisch zu sich nimmt. Petrus war vor dieser Geschichte, um die es heute geht, so eng religiös, dass er sich weigerte, mit Nichtjuden Kontakt zu haben.

Noch ganz benommen von seiner Vision und dem Schrecken wird Petrus auch schon in die Wirklichkeit zurückgeholt. Er steigt hinab auf den Boden der Tatsachen. Und die Tatsachen stehen in Form von drei Männern vor der Türe und wollen ihn sprechen. Nicht irgendwelche Männer, sondern römische. Männer, die der Besatzungsmacht zuzurechnen sind. Für Petrus sind das Heiden, die gemieden werden müssen.

V 21 Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin's, den ihr sucht; aus welchem Grund seid ihr hier? 22 Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat einen Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast.

Was ist heute nur los, denkt Petrus, eine richtige Engels-Invasion. Erst seine eigene Vision, jetzt ein Heide, ein Römer dazu, dem auch ein Engel erschienen sein soll? Petrus braucht Zeit zum Verdauen. Deswegen lädt er die Fremden erstmal zum Abendessen ein.

V 23 Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm.

Petrus macht sich auf. Er „steht auf“ heißt es im Originaltext. Auferstehung. Menschen, die aus der Auferstehung Jesu Christi heraus leben, die bleiben nicht sitzen. Menschen, die aus der Auferstehung Christi leben, die stehen auf, wenn es darum geht, Grenzen zu überwinden und Menschen zu begegnen.

V 24 Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. 25 Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an.

Auch so ein kultureller Unterschied, denkt sich Petrus. Bei den Römern kann es schon mal vorkommen, dass sie im Menschen irgendeinen ihrer Götter verehren, so wie sie ja auch ihren Kaiser anbeten. Typisch Heide eben.

V 26 Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, auch ich bin ein Mensch. 27 Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren. 28 Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll. 29a Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde.

So langsam dämmert dem Petrus, was die Bedeutung seiner Vision sein könnte. Nämlich der Zuspruch: Es ist alles okay. Kulturelle Unterschiede sind Nebensache, Mensch ist Mensch, darauf kommt es an!

Begegnung auf AugenhöheAber so ganz rund ist die Sache immer noch nicht. Petrus wartet gespannt darauf, worauf das ganze hinauslaufen soll und was Kornelius zu sagen hat. Die Erkenntnis, die ihn dann überkommt, die haut ihn beinahe um!

V 29b: So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen. 30 Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause. Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand 31 und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. 32 So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. 33 Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist.

Petrus reagiert sehr bewegt:

V 34 Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; 35 sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.

Petrus ist hin und weg vor Begeisterung. Er hatte damit gerechnet, von Gott auf neue missionarische Wege geschickt zu werden und anderen die Botschaft nahe zu bringen. Er meint, er müsse andere lehren. Stattdessen lernt er hier eine ganze Menge! Er lernt hier von einem Heiden, der seine ganz eigenen Erfahrungen mit Gott gemacht hat.

Also nicht so: Ich weiß Bescheid, ich bin nämlich Christ. Ich sag dir jetzt mal, wie das so ist mit dem Herrn Jesus und dem Glauben. Petrus erkennt vielmehr, dass Gott sich diesem Heiden, diesem römischen Besatzer (schlimmer geht’s kaum), selbst schon gezeigt hat. Kornelius hat selbst schon einen Zugang zum Gott Israels, hat eigene Erfahrungen mit der göttlichen Wahrheit gemacht. Wenn sich die beiden nun begegnen, dann auf Augenhöhe. Jeder kann vom anderen etwas lernen. Klar, Petrus bleibt der Augenzeuge, der er ist, und als der er hier auch angefragt wird. Zugleich aber weiß er sich selbst als ein Beschenkter.

Ein echter Austausch. Und das ist die Erkenntnis, das Erlebnis, was Petrus so erfüllt und erstaunt. „Überall, in jedem Volk, gibt es Menschen, die Gott fürchten und Gerechtigkeit wirken“, so sagt er abschließend. Menschen, die mit Gott verbunden sind, die gibt es eben in allen Geschlechtern, in allen Farbschattierungen, in allen Religionen, gibt es unter weißen Männern genauso wie unter schwarzen Frauen, unter Juden und Römern, unter Christen und unter den Muslimen. Oder was für Unterscheidungen uns sonst noch einfallen könnten.

So wie in dem Witz zum Eingang: Ja, ich habe Gott getroffen. Sie ist eine Schwarze.

Gedankenspiel: Wie begegnet mir Gott im Menschen?Wenn wir das auf die heutige Zeit übertragen, auf unsere Situation hier, dann steckt da einiges an Herausforderung drin. Dann denke ich da zum Beispiel an die vielen Flüchtlinge, die da mit ihrer fremden Religion zu uns kommen und denen so viel Misstrauen entgegengebracht wird. Statt zu fragen: Was ist dein Zugang zur Wahrheit? Wie hat sich Gott dir in deinem Leben schon gezeigt? Was kann ich von dir lernen? Wie wirkt Gott durch dich auf mich ein? Oder glauben wir zu wissen, dass deren Religion nicht gut sein kann?

Vielleicht haben Sie Lust, sich auf das folgende Gedankenspiel einzulassen:
Stellen Sie sich eine Person vor, die Ihnen in irgendeiner Weise fremd ist. Das kann auch jemand in der eigenen Familie oder im Kollegenkreis sein, auch da gibt es Menschen, die sich so verhalten, dass man sie einfach nicht versteht.
Haben Sie jemanden vor Augen? Was genau kommt Ihnen an dieser Person fremd vor? Was verstehen Sie nicht? Die Lebensweise, das Handeln, die Art zu denken?
Stellen Sie sich nun vor, Sie sehen genau diese Person im Lichte Gottes. Als Geschöpf Gottes. Als eine Person, die genauso von Gott geliebt wird, wie ich selbst von Gott geliebt werde – Was will mir Gott möglicherweise ausgerechnet durch diesen Menschen zeigen?
Was kann ich von ihm lernen?
Wie begegnet mir Gott in diesem Menschen?

Der Glaube als GrundlageGott ist Mensch geworden. Das haben wir an Weihnachten aufs Neue gefeiert, und von da kommen wir jetzt in der Epiphaniaszeit her. Gott begegnet mir in Menschen. Nicht nur in den Menschen, die mir gefallen und die ich gut finde, sondern manchmal auch in den Menschen die mich durcheinanderbringen und mich irritieren. Gott hat durch den anderen etwas mit mir vor.

Es braucht Mut, mich auf ein anderes Denken und auf andere Gotteserfahrungen einzulassen. Hilfreich sind dabei innere Gelassenheit und Stärke. Ich nenne es „Glaube“. Der Glaube, dass Gott mich hält, auch dem anderen gegenüber. Dass Gott mich trägt in der Begegnung, auch wenn die Begegnung schwierig für mich ist. Das Vertrauen darauf, dass ich genug von Gott empfange, dass es genug für alle gibt. Der Glaube daran, dass Gott überall seine Liebe zeigt.

Diese Geschichte von Petrus und Kornelius lehrt mich den Mut, mich auf Fremde einzulassen. Sie lehrt mich: In Begegnungen mit dem, was mir fremd ist, lerne ich Neues über Gott. Ich lerne: Hinhören lohnt sich.

Amen.

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