Palmarum / Palmsonntag (28. März 2021)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Petra Frey, Ulm [pfrey@kirche-diakonie-ulm.de]

Hebräer 11,1-2; 12,1-3

IntentionDen motivierenden und befreienden Charakter des biblischen Textes im Aufgreifen der Bildwelt des Sports deutlich zu machen.

11,1 Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. 2 In diesem Glauben haben die Alten Gottes Zeugnis empfangen.

12, 1 Darum auch wir: Weil wir eine solche Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns ablegen alles, was uns beschwert, und die Sünde, die uns ständig umstrickt, und lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist,
2 und aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens, der, obwohl er hätte Freude haben können, das Kreuz erduldete und die Schande geringachtete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes.
3 Gedenkt an den, der soviel Widerspruch gegen sich von den Sündern erduldet hat, damit ihr nicht matt werdet und den Mut nicht sinken lasst.

Durchhalten könnenDiese Worte über den Glauben klingen weniger nach feierlichen Orgeltönen als nach Trainerpfeife und sie riechen leicht nach Aschenbahn und Schweiß. Es geht um Kampf und Mühe, um die Gefahr auszupowern und an Spannkraft zu verlieren. Aber genau das soll nicht passieren, deshalb diese kleine Motivationsschule aus dem 1. Jahrhundert. Von einem, der klingt, als wisse er wovon er spricht. Von einem, dem es auf die innere Haltung ankommt.

Denn im Leben und im Glauben geht es genauso wie im Sport nicht ohne Durchhalten. Weil Glaube nicht nur ein frommes Gefühl ist. Etwas, das uns überfällt und wieder verlässt.
Nein, Glaube hat und ist bleibendes Fundament, lässt sich nicht wegtreiben noch abbringen. In Luthers Übersetzung: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“

Was Mühe macht – damals und heuteAber wie bleiben wir dran an der Hoffnung? Wie können wir auf Dauer nicht sehen und doch glauben? Der namenlose Prediger aus dem Hebräerbrief bietet sich als Coach an. Er hat eine Gemeinde vor Augen, in der vielen die Luft ausgegangen ist. Wie nachvollziehbar für uns, nicht nur im Blick auf den pandemiebedingten Verzicht. Eine Konfirmandin fragt: „Welchen Sinn macht es, sich auf einen Gott zu verlassen, der nicht sichtbar ist?“
Bei den Adressaten des Hebräerbriefs ist die Begeisterung der Pionierzeit und das stetige Wachstum der Gemeinde vorbei. Man fragt sich: „Wann wird Gott endlich erscheinen, um der Willkürherrschaft und Gewalt ein Ende zu machen?“
Ein neues Leben wollten sie leben, ein Leben im Geist Gottes, aber was ist daraus geworden? Sie scheitern immer wieder an ihren eigenen Ansprüchen. So wie wir. Die heidnischen Mitbürger fragen - mal interessiert, mal eher hämisch: „Und, seid ihr was Besonderes? Ihr seid doch scheinheilig und kein bisschen besser als andere.“ Und letztlich fragen sie sich auch: „Warum nützen unsere guten Vorsätze nichts? Warum fallen wir immer wieder zurück in Neid, Rechthaberei, Ungeduld und tun einander weh? Warum sieht man es unserer Gemeinde nicht von weitem an, dass hier die beste Nachricht der Welt laut wird? Das müsste uns doch strahlen lassen und noch viel mehr Menschen in die Gottesdienste locken.“

Loslassen!Und was sagt unser Prediger dazu? Wie jeder gute Motivator rät er zuerst zum Loslassen. Wer nur auf die eigene Unfähigkeit starrt, auf Fehler und Versäumtes, der wird nicht frei sein, um zu laufen.
Denn ohne Ballast geht es leichter. Manchmal scheint es, als hinge auch ich an meinen Altlasten: bittere Gedanken voller Missgunst und Neid. Verhasst und doch liebgeworden über die Jahre. Das Loslassen können wir von den Sportlerinnen und Athleten in der Tat lernen. Den Blick aufs Ziel. Nicht zurückschauen auf das Versagen der vergangenen Woche. Loslassen. Nicht klebenbleiben an dem Ärger und den Schwierigkeiten mit mir selbst und meinen Mitmenschen. Loslassen. Auch die schweren Gedanken und die belastenden Erlebnisse. Loslassen.

Wir sind keine Einzelkämpfer/innenSo gewinnt der Lauf an Leichtigkeit. Auch weil wir nicht allein sind. Christinnen und Christen sind keine Einzelkämpfer. Wie von einer Wolke sind wir von Menschen umgeben, die vor uns und mit uns laufen. Geborgen und nicht allein. Die Wolke der Glaubenszeugen umhüllt uns. Tragende Gefährten und Gefährtinnen nehmen uns mit.
Es ist, als ob uns jemand den Arm um die Schulter legt, uns zum Fenster führt und den Blick hinauf in den Himmel lenkt. „Sieh dir die Wolken an“, sagt er. Genauso umgeben dich die vielen, die vor dir geglaubt und auf Gott vertraut haben. Ihre Erfahrungen können dir helfen, auch zu vertrauen. Ihr seid nicht allein in euren Anstrengungen. Es gibt Gläubige, die Schweres auf sich genommen haben. Sie haben um Jesu Christi Willen viel leiden müssen.
Denkt an Petrus und die Apostel, denkt an alle, die Entbehrungen ertragen haben, weil sie Zeugen waren für die Sache Jesu Christi. Es war kein sinnloses, leeres Leiden. Es hat gezeigt, dass Jesus Christus, gelitten und auferstanden, der Herr ist und niemand sonst.
Solche Zeugen, die auf Jesus Christus hinweisen und zum Vertrauen ermutigen, gibt es bis heute. Wie sieht Ihre Zeugenwolke aus? Verändert sie sich auch wie meine? Wer ist dabei? Die Großmutter, Dietrich Bonhoeffer, Sophie Scholl? Wohl denen, die ihre Glaubensvorbilder nicht nur aus Büchern kennen. Oft kann man ja auch erleben, wie eine ihren Glauben lebt und hinsteht. Gerade da, wo es besonders viel Anstrengung und Mut braucht und weh tut.

Kampf gekämpft, Ziel erreichtDass zum Fest-Halten am Glauben Haltung und Durchhaltevermögen notwendig sind, ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Glaube ist viel mehr als Ausdauersport. Unser biblischer Fern-Coach hat nicht nur gute Tipps parat: Er hat noch einen entscheidenden Trumpf, den kein Trainer der Welt bieten kann. Es ist der Blick auf Jesus Christus. Weil er den entscheidenden Teil des Kampfes für uns bereits ausgefochten hat.

Deshalb: „Lasst uns aufsehen zu Jesus, dem Anfänger und Vollender des Glaubens.“
Es ist nicht unser Kampf, und unser Lauf, sondern es hat vor allem einer gekämpft: Jesus. Unsere Anstrengung muss nicht alles bringen, sonst ermüden wir nach kurzer Zeit schon wieder, auch wenn wir ohne Ballast laufen.
Jesus, Anfänger und Vollender unseres Glaubens. Wie beim Staffellauf: ich muss nicht alles selbst bewältigen. Das erste und letzte Stück übernimmt Jesus Christus. Mein Glaube hängt nicht von meinen Anstrengungen und meinen Kraftreserven ab. Mein Glaube ist vielmehr die Verbindung mit ihm, der den Kampf begonnen und zum Ziel gebracht hat.

Die Karwoche hilft bei der UmsetzungHeute beginnt die Karwoche, liebe Gemeinde. Das Leiden Jesu steht uns besonders vor Augen. Ein Leiden, das einer stellvertretend auf sich genommen hat für uns, damit wir unseren Weg laufen können ohne Ballast und Verstrickung.
Er musste den Weg des Leidens bis zum Ende gehen, damit das in unseren Köpfen und Herzen und Seelen ankommt: Ihr könnt ablegen, was euch beschwert und euren Weg laufen. Unbelastet von dem, was euch das Herz schwer macht..
Jesus hat das alles auf sich genommen. Nur so konnte er uns die Fesseln lösen und die Last abnehmen.

Ich will dem Rat unseres Hebräerbrief-Trainers folgen: Auf Jesus Christus schauen. In dieser Woche noch mehr als sonst. Weil der Weg von Palmsonntag ans Kreuz für uns geschah. Damit wir dranbleiben können, unseren Lauf laufen und unseren Kampf kämpfen: und dabei darauf vertrauen, dass wir es schaffen können. Weil er ja die entscheidenden Schritte schon getan hat. Amen.

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