Christi Himmelfahrt (13. Mai 2021)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Christiane Wille, Esslingen [christiane.wille@elkw.de]

Epheser 1, 15-23

IntentionDie Himmelfahrt Christi lässt seine Anhänger ratlos zurück. Wo ist Christus, wo ist der Himmel und wo sind wir? Der Epheserbrief will die glaubende Gemeinde ermutigen: Durch Christus hat der Himmel ein Gesicht bekommen und durch seine Gemeinde, durch uns, kann der Himmel schon hier auf der Erde erkennbar werden.

Liebe Gemeinde,
Ostern ist schon eine Weile vorbei – wir gehen auf Pfingsten zu. Zwischen diesen beiden Festen feiern wir Christi Himmelfahrt – das kleine Fest zwischen den beiden großen. Woran denken wir an diesem Festtag?
Nach seiner Auferstehung an Ostern ist Jesus den Jüngern an unterschiedlichen Orten immer wieder erschienen. Jetzt, so wird erzählt, verlässt er die Erde.
Aber wie können wir uns das vorstellen?
Die Apostelgeschichte gibt uns ganz plastische Bilder an die Hand: Jesus wird emporgehoben und von einer Wolke aufgenommen, bis er aus den Blicken der Jünger verschwindet.
Über die Jahrhunderte hinweg wurde diese Geschichte künstlerisch immer wieder aufgenommen: zunächst wurde Jesus gemalt, wie er von Engeln in den Himmel geleitet wird oder auf einer Wolke in den Himmel fliegt. Um das Jahr 1000 herum ändern sich die Bilder: Nicht mehr der ganze Körper Jesu Christi ist zu sehen, sondern oftmals nur noch seine untere Köperhälfte oder sogar nur noch die Füße. Der „restliche“ Christus ist bereits in den Himmel entschwunden.
An diesen Bildern wird deutlich: Jesus ist aus der Welt – er ist nicht mehr da!
Dieser Gedanke hat erst einmal etwas Trauriges, vielleicht sogar Bestürzendes.
In manchen katholischen Traditionen wird deshalb an Himmelfahrt sogar die Osterkerze ausgelöscht: das Licht der Welt, Jesus ist nicht mehr unter uns. Wir warten auf das Feuer am Pfingstfest.

Wo ist der HimmelWenn Jesus nicht mehr da ist, wo ist er dann?
„Im Himmel“, sagt uns die Geschichte der Himmelfahrt Christi.
Aber wo ist das? Kinder schauen nach oben in den Himmel, wenn sie den Himmel suchen, in dem Jesus ist. Wir Erwachsene wissen: Wenn wir „nach oben in den Himmel“ schauen, sehen wir je nach Tageszeit und Wetterlage einfach nur unterschiedliche Erscheinungen in der Erdatmosphäre und im Weltraum. Und wohin schauen wir, wenn wir nach Jesus Ausschau halten?
Im Glaubensbekenntnis sagen wir über Jesus Christus: „Aufgefahren in den Himmel, er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters.“
Der Himmel, das ist nicht „irgendwie da oben“. Der Himmel, das ist überall da, wo Gottes Macht schon erlebbar ist.
Aber es ist kein Ort, auf den wir zeigen können, wie die Kinder in den Himmel zeigen.

Herausgefordert: im Glauben nicht im SchauenWeder die Jünger damals noch wir als Gemeinde heute können mit Jesus im ganz wörtlichen Sinn Leben teilen – mit ihm reden, essen, unterwegs sein. Wir können nicht mehr mit eigenen Augen sehen, wie er heilt. Und wir können nicht mehr selbst erleben, wie er sich für die einsetzt, die sonst niemanden haben. Denen Mut zuspricht, die resignieren. Wir können ihm unsere Fragen nicht mehr direkt stellen. Und er kann uns nicht mehr direkt sagen, was wir tun sollen.
Aber, was kommt stattdessen?
Der Predigttext aus dem Epheserbrief sagt: Es kommt die Zeit, in der wir nicht mehr sehen, sondern glauben. In der wir nicht anfassen, sondern immer wieder neu nach Gewissheit suchen.
Der Predigttext aus dem Epheserbrief ist ein Versuch, dem Glauben der Christinnen und Christen Kraft zu verleihen.

Der TextIch lese aus dem Epheserbrief nach der Übersetzung der Basisbibel, aus dem 1. Kapitel, die Verse 15-23:
„Ich habe von eurem Glauben an den Herrn Jesus und eurer Liebe zu allen Heiligen gehört. Das ist auch der Grund, weshalb ich unablässig für euch danke. Das tue ich jedes Mal, wenn ich im Gebet an euch denke. Dann bitte ich den Gott unseres Herrn Jesus Christus, den Vater, von dem alle Herrlichkeit ausgeht: Er gebe euch den Geist, der euch Weisheit schenkt und Offenbarung zuteilwerden lässt. So könnt ihr Gott erkennen. Er mache euer Herz einsichtig. Denn ihr sollt wissen, welche Hoffnung mit eurer Berufung verbunden ist. Und ihr sollt erkennen, welche Fülle an Herrlichkeit zu seinem Erbe für die Heiligen gehört. Und ihr sollt begreifen, mit welch überwältigend großer Kraft, er in uns Glaubenden wirkt. So entspricht es der Macht und Stärke, mit der er sein Werk vollbringt.
Diese Macht ließ er auch an Christus wirksam werden: Er hat ihn von den Toten auferweckt und an seine rechte Seite im Himmel gesetzt. Dort thront er hoch über Mächten und Gewalten, Kräften und Herrschaftsbereichen. Er herrscht über alle, deren Namen man im Gebet anruft –nicht nur in dieser, sondern auch in der kommenden Zeit. Alles hat Gott ihm zu Füßen gelegt und ihn zum Haupt über die ganze Gemeinde gemacht. Sie ist sein Leib. So ist sie die ganze Fülle dessen, der alles in allem erfüllt: Christus.“

Der Himmel ist uns schon bekanntDer Epheserbrief versucht, uns eine Vorstellung von der Bedeutung der Himmelfahrt zu vermitteln.
Jesus Christus ist nach seiner Auferstehung aufgefahren in den Himmel und sitzt zur Rechten Gottes.
Gott teilt seine Macht, seine Allmacht mit dem auferstandenen und aufgefahrenen Jesus Christus.
Dieser Jesus Christus zur Rechten Gottes ist kein Superheld mit überirdischen Kräften. Er ist derselbe, der sich zu Lebzeiten den Menschen zugewandt hat. Der geheilt hat, gepredigt, der mit anderen gemeinsam gegessen, Leben geteilt, Gemeinschaft gelebt und so Gottes Liebe spürbar gemacht hat.
Gott hat ihn auferweckt und nun sitzt er zur Rechten Gottes, wie es im Predigttext heißt. „Dort thront er hoch über Mächten und Gewalten, Kräften und Herrschaftsbereichen. Er herrscht über alle, deren Namen man im Gebet anruft –nicht nur in dieser, sondern auch in der kommenden Zeit.“
Dabei finde ich zweierlei wichtig:
Erstens: So wie Jesus gelebt hat, so führt er auch seine Weltherrschaft aus.
Nicht durch ein Machtwort von oben, sondern durch Überzeugungskraft, nicht durch Gewalt, sondern durch liebevolle Zuwendung.
Zweitens: Jesus Christus, der Weltenherrscher, ist kein Unbekannter. Er hat sich durch seine Lebensgeschichte, durch sein Reden und Handeln, durch seinen Tod und seine Auferstehung den Menschen ja bereits bekannt gemacht.
Und das heißt für uns: Seit Jesus Christus zu seinem Vater in den Himmel zurückgekehrt ist, ist der Himmel für Menschen nicht mehr ganz weit weg und unerreichbar. Er ist uns bereits bekannt, denn für Christinnen und Christen ist der Himmel eben dort, wo Jesus Christus ist. Der Himmel hat ein Gesicht, das Gesicht Jesu Christi.
Ein Ort, an dem man das erleben kann, ist die berühmte Christusstatue in Rio de Janeiro. Mit weit ausgebreiteten Armen erhebt sie sich über die Millionenstadt. „Christi Redentor“, nennen die Brasilianer die Figur – Christus der Erlöser.
Imposant wirkt dieser Christus – der Weltenherrscher. Und gleichzeitig vor allem einladend. Mit ausgestreckten Armen öffnet dieser Christus enge Grenzen und beschränkte Horizonte. Die Geste macht deutlich, dass er für alle da und zugänglich ist. Egal, von welchem Ort aus Menschen zu ihm Richtung Himmel aufblicken, aus den Reichen- oder den Armenvierteln der Stadt: Christi Arme sind offen, sein Gesicht freundlich zugewandt. Hier wird deutlich: Christus der Weltenherrscher verkörpert Gottes Offenheit und Liebe für die Menschen, genauso wie Jesus zu seinen Lebzeiten. Er verbindet uns mit ihm und untereinander. Er lädt uns ein, Grenzen zu überwinden. Wer sich an ihm orientiert, kann Offenheit und Liebe leben, in der Ökumene, zwischen den Kulturen, in der Gesellschaft, im ganz persönlichen Leben.

Da berühren sich Himmel und ErdeDass Christus unterschiedliche Menschen mit ihm und untereinander verbindet, beschreibt der Epheserbrief mit folgendem Bild:
„Und alles hat er [Gott] unter seine [Christi] Füße getan und hat ihn gesetzt der Gemeinde zum Haupt über alles, welche sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.“
Christus ist das Haupt, die Gemeinde der Leib.
Und damit haben wir als Christinnen und Christen selbst etwas mit dem Himmel zu tun. Wir Christinnen und Christen sind so etwas wie Zeuginnen und Zeugen des Himmels mitten in der Welt.
Denn der Himmel ist eben dort, wo Jesus Christus ist. Und die Gemeinde ist der Leib Christi, die Art und Weise, wie Christus auf der Welt noch anwesend ist. „Christus als Gemeinde existierend“, diese Wendung, die durch Dietrich Bonhoeffer bekannt geworden ist, bringt das auf den Punkt.
Das heißt doch: Wenn wir Jesus nachzufolgen, wenn wir uns denen zuwenden, die Hilfe brauchen, wenn wir dafür sorgen, dass niemand ausgeschlossen und ungerecht behandelt wird, wenn wir von Gottes Liebe zu den Menschen erzählen, wenn wir daran glauben, dass sich die Welt verändern kann, dann ist der Himmel schon hier in dieser Welt, in unserem Leben spürbar. Da berühren sich Himmel und Erde.
In dem Lied „Wo Menschen sich vergessen“ klingt das so:

Wo Menschen sich vergessen, die Wege verlassen.
Und neu beginnen, ganz neu

Da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns.

Wo Menschen sich verschenken, die Liebe bedenken.
Und neu beginnen, ganz neu.

Da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns.

Wo Menschen sich verbünden, den Hass überwinden.
Und neu beginnen, ganz neu.
Da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns,
da berühren sich Himmel und Erde,
dass Frieden werde unter uns. (1)

Amen.

Anmerkung 1: Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder plus, Nr. 93.

Wichtige Anregungen für diese Predigt sind entnommen aus: Johannes von Lüpke, Beziehungsreich allmächtig. Predigtmediation zu Christi Himmelfahrt, 13.5.2021. In: Göttinger Predigtmeditationen, Jg 75/2 2021, 320-326 und Prof. Dr. Ralf Hoburg, Christus als Gemeinde existierend. Predigt zu Epheser 1,20b-32 zu Christi Himmelfahrt, 29.05.2014 (https://predigten.evangelisch.de/predigt/christus-als-gemeinde-existierend-predigt-zu-epheser-120b-32-von-ralf-hoburg , aufgerufen am 16.4.2021)






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