7. Sonntag nach Trinitatis (18. Juli 2021)

Autorin / Autor:
Dekan Dr. Martin Hauff, Ravensburg [Martin.Hauff@elkw.de]

1. Könige 17, 1-16

IntentionDie Predigt spürt Elias Leidenschaft für den Gott Israels nach, der seinen Boten durch die Zeit der Dürre wunderbar erhält und versorgt. Die Predigt fokussiert das Vertrauen auf Gottes Verheißung, dass das Wenige, was da ist, zum Überleben genügt. Daraus erwächst Hoffnung gegen den Augenschein, die in diakonischem Handeln gelebt und in der Liturgie (Abendmahl – 7. Sonntag nach Trinitatis!) gestärkt wird.

17,1 Und es sprach Elia, der Tischbiter, aus Tischbe in Gilead zu Ahab: „So wahr der HERR, der Gott Israels, lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“
2 Da kam das Wort des HERRN zu ihm: 3 „Geh weg von hier und wende dich nach Osten und verbirg dich am Bach Krit, der zum Jordan fließt. 4 Und du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dass sie dich dort versorgen sollen.“ 5 Er aber ging hin und tat nach dem Wort des HERRN und setzte sich nieder am Bach Krit, der zum Jordan fließt. 6 Und die Raben brachten ihm Brot und Fleisch des Morgens und des Abends, und er trank aus dem Bach.
7 Und es geschah nach einiger Zeit, dass der Bach vertrocknete; denn es war kein Regen im Lande. 8 Da kam das Wort des HERRN zu ihm: 9 „Mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, und bleibe dort; denn ich habe dort einer Witwe geboten, dass sie dich versorge.“
10 Und er machte sich auf und ging nach Sarepta. Und als er an das Tor der Stadt kam, siehe, da war eine Witwe, die las Holz auf. Und er rief ihr zu und sprach: „Hole mir ein wenig Wasser im Gefäß, dass ich trinke!“ 11 Und als sie hinging zu holen, rief er ihr nach und sprach: „Bringe mir auch einen Bissen Brot mit!“ 12 Sie sprach: „So wahr der HERR, dein Gott, lebt: Ich habe nichts Gebackenes, nur eine Handvoll Mehl im Topf und ein wenig Öl im Krug. Und siehe, ich habe ein Scheit Holz oder zwei aufgelesen und gehe heim und will’s mir und meinem Sohn zubereiten, dass wir essen - und sterben.“ 13 Elia sprach zu ihr: „Fürchte dich nicht! Geh hin und mach’s, wie du gesagt hast. Doch mache zuerst mir etwas Gebackenes davon und bringe mir’s heraus; dir aber und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen. 14 Denn so spricht der HERR, der Gott Israels: ‚Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden.‘“
15 Sie ging hin und tat, wie Elia gesagt hatte. Und er aß und sie auch und ihr Sohn Tag um Tag. 16 Das Mehl im Topf wurde nicht verzehrt, und dem Ölkrug mangelte nichts nach dem Wort des HERRN, das er geredet hatte durch Elia.


Göttliche VersorgungswunderGöttliche Versorgungswunder begleiten den Weg des Propheten Elia. Gott lässt ihn wissen: „Ich habe den Raben geboten, dass sie dich versorgen.“ Und die sorgen für einen reichhaltigen Speiseplan mit Brot und Fleisch am Morgen und Brot und Fleisch am Abend. Fürs Volk Israel ging’s auf der Wüstenwanderung bescheidener zu: Morgens einzig Manna, das Himmelsbrot. Nur abends Fleisch. Als Elia seinen Zufluchtsort wechseln muss, lässt Gott ihn wissen: „Ich habe einer Witwe geboten, dich zu versorgen.“ Der Speiseplan verschlankt sich zwar. Aber das Wenige, das da ist, reicht. Tag für Tag. „Dem Ölkrug mangelte nichts“, so dass Elia und die Witwe darauf vertrauen: „Mir wird nichts mangeln.“ Was für ein schöner Anklang an Psalm 23! In die hoffnungsvolle Grundmelodie mischen sich irritierende Töne: „Mache zuerst mir etwas Gebackenes, dir und deinem Sohn sollst du danach auch etwas backen.“ Was für ein Vertrauen brauchte die Witwe, um gegen allen Augenschein darauf zu hoffen, dass es für den fremden Gottesmann zuerst und dann auch für sie und ihren Sohn dennoch reicht!

Leidenschaftlich hört und befolgt Elia das GotteswortElia macht sich auf den Weg aus seinem Heimatdorf am Rand des Nordreichs Israel. Er geht ins Zentrum, in die Hauptstadt Samaria. Er tritt dem König Ahab gegenüber: „So wahr der HERR, der Gott Israels lebt, vor dem ich stehe: Es soll diese Jahre weder Tau noch Regen kommen, ich sage es denn.“ Die angekündigte Dürre soll dem König und dem Volk zeigen, dass es nicht Baal ist, sondern der Gott Israels, der über Trockenheit und Regen, über Dürre und Fruchtbarkeit verfügt. Um dieses leidenschaftlichen und mutigen Wortes willen muss Elia die Hauptstadt Samaria umgehend wieder verlassen und aus dem Machtbereich Ahabs fliehen. So jedenfalls weist ihn das Wort Gottes an: „Geh weg von hier und verbirg dich am Bach Krit, du sollst aus dem Bach trinken, und ich habe den Raben geboten, dich zu versorgen.“

Sich nicht auf den Mangel fixieren, sondern an der Verheißung orientierenDie Dürre breitet sich aus. Sie bringt den Bach zum Versiegen. Gott aber sorgt weiterhin für seinen Boten und gibt ihm Weisung: „Elia, mach dich auf und geh nach Sarepta, das zu Sidon gehört, denn ich habe dort einer Witwe geboten, dass sie dich versorge.“ Elia bricht auf Gottes Wort hin auf – vom Bach Krit im Ostjordanland führt ihn sein Weg weit nach Westen ins Gebiet von Sidon am Mittelmeer, Königin Isebels Herkunftsland, Hochburg des Baals-Kults. Die Macht des Gottes Israels endet also nicht an den Grenzen Israels! Er versorgt seinen Propheten sogar im Ausland, sogar im Kernland Baals! Und Elias Leidenschaft für den Gott Israels hindert ihn nicht daran, dort in Sarepta eine Witwe am Leben zu erhalten.
So leidenschaftlich Elia für die alleinige Verehrung des Gottes Israels kämpft, so sehr leidet er an der horrenden Not der jungen Witwe und ihres Sohnes mit. Um ein wenig Wasser und einen Bissen Brot hatte Elia die Witwe gebeten, als er sie vor dem Stadttor traf, Holzabfälle einsammelnd. Die Witwe offenbart Elia ihre ausweglose Not, ihren Mangel zum Tod: Die Handvoll Mehl im Topf und die Bodendecke Öl im Krug reichen noch für ein Fladenbrot für sie und ihren Sohn. Dann gibt es für die beiden keine Zukunft mehr, nur noch den Tod. Elia reagiert mit Zuspruch, Zumutung und Verheißung. „Fürchte dich nicht“ – denn Gott ist der, der bedrohte Menschen auf wunderbare Weise stärkt. „Mache zuerst mir etwas Gebackenes“, diese irritierende Zumutung wird umhüllt von der Verheißung, die Elia der Witwe zuspricht: „So spricht der HERR, der Gott Israels: Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln bis auf den Tag, an dem der HERR regnen lassen wird auf Erden.“ Miteinander vertrauen Elia und die Witwe auf diese Zusage Gottes. Miteinander erleben sie, wie der Mangel zum Tod sich wandelt in Genüge zum Leben. Miteinander erleben sie, wie das Trauen auf Gottes Verheißung Zukunft eröffnet. Die alte Stuttgarter Jubiläumsbibel von 1912 kommentiert sehr weise: „Wie das Wunder zuging, wird nicht gesagt. Es war ein geheimer Segen.“ Von diesem geheimen Segen leben Elia, die Witwe und ihr Sohn. Deutlich tritt der rote Faden zutage, der die ganze Geschichte durchzieht: Gott versorgt und erhält Elia wunderbar vor Verfolgung und Hungersnot im In- und Ausland während der Zeit der Dürre.

Hoffnung gegen den AugenscheinJa, wenn es denn so einfach wäre im Leben! Bachläufe versiegen, kein Rabe weit und breit. Das Mehl im Topf wird verzehrt, nichts bleibt übrig, und das Gotteswort ist fern. Und doch ist es eine Geschichte, die die Hoffnung gegen den Augenschein groß macht. Der Augenschein sagt: Dieses bisschen Mehl und Öl reicht nie! Die Hoffnung sagt: Aber Gott kann gerade damit etwas anfangen! Gerade darin kann ein geheimer Segen stecken!
Ob der Liederdichter Georg Neumark wohl auch an diese Elia-Geschichte dachte, als er das Lied niederschrieb: „Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit, den wird er wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit. Wer Gott, dem Allerhöchsten, traut, der hat auf keinen Sand gebaut.“ In den Not- und Dürrezeiten des 30jährigen Krieges war Neumarks Lied keine schicksalsergebene Trauerhymne, sondern – im Geist Elias – trotziges Trauen auf den Trost Gottes, der Standfestigkeit und Hoffnung gibt, sich für eine bessere Welt einzusetzen.
Der Augenschein sagt: Mit der Kirche wird’s immer weniger! In der Kirche begegnet zuweilen eine selbstzufriedene Unzufriedenheit, die nur noch auf den Mangel fixiert ist. Eine selbstzufriedene Unzufriedenheit darüber, dass die Brötchen kleiner werden, die wir noch backen können. Gewiss gehört es zu verantwortlicher Haushalterschaft, Zahlen ernst zu nehmen. Wo Kirche sich jedoch auf den Mangel fixiert, entsteht ein Klima der Sorge. Im Klima der Sorge aber wachsen Resignation und Überforderung. Unsere Geschichte verbreitet nicht das stickige Klima der Sorge, sondern weckt und stärkt Hoffnung. Denn der Mangel zum Tod wandelt sich in Genüge zum Leben, wo Menschen der Verheißung Gottes trauen: „Das Mehl im Topf soll nicht verzehrt werden, und dem Ölkrug soll nichts mangeln.“ Das bedeutet für eine Gemeinde, dass sie sich nicht zuerst an den Defiziten orientiert, sondern an den Verheißungen Gottes – und in deren Lichte die Defizite getrost angeht.

Gelebte und gestärkte HoffnungWeniger das ausgedörrte Land infolge von Niederschlagsmangel, vielmehr das ausgedörrte soziale Leben infolge der Pandemie ist derzeit in den Dörfern und Städten hierzulande das Thema. Menschen müssen Wege durch die Dürre gehen, weil ihre Seelen innerlich ausgetrocknet sind oder sie mit finanziellen Nöten kämpfen. Wenn Menschen sich von der Not des Nächsten berühren lassen und einander solidarisch zuwenden wie Elia zur Witwe in Sarepta, dann keimt neue Hoffnung auf. Die diakonischen Dienste der Kirche sorgen für eine positive Klima-Erwärmung durch soziale Nähe und handfeste praktische Hilfe. In der Liturgie der Kirche wird die Hoffnung gegen den Augenschein gestärkt und der Blick auf den geheimen Segen gelenkt, von dem wir leben. Im Abendmahl werden wir mit dem Bissen Brot und dem Schluck Wein gestärkt für unsere Wege aus der Dürre der Pandemie in eine neue Zukunft. Das Abendmahl ist gefüllt mit der Hoffnung auf den Gott, für den Elia leidenschaftlich eintritt und der den Mangel zum Tod in Genüge zum Leben wandelt. Am Abendmahlstisch erfahren wir den Gastgeber Jesus Christus. Beim Abendmahl sagt er uns zu: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und volle Genüge.“ Amen.

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