4. Sonntag vor der Passionszeit (06. Februar 2022)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Jennifer Berger, Stuttgart [jennifer.Berger@elkw.de]

Matthäus 14,22-33

IntentionDie Predigt lädt dazu ein, trotz aller Zweifel und aller Not immer wieder auf Christus zu schauen, der Hoffnung schenkt und Zuversicht.

Liebe Gemeinde,
dass Wasser eine Naturgewalt ist, das haben wir in Deutschland im letzten Jahr gesehen. Die meisten nur in den Medien, aber schon über die Bilder, die eigentlich unglaublich waren, wurde deutlich, welche Macht und Kraft Wasser entwickeln kann. Vorher noch ein idyllisches Bächlein, verwüstete die Ahr ganze Dörfer, löschte Leben aus und zerstörte Infrastruktur.
Auch der See Genezareth liegt meist idyllisch da, wenn man ihn auf Israelreisen besucht. Eine ruhige Wasseroberfläche, am Ufer Palmen und Schilf, Orangenbäume und Bananenstauden. Auch hier kaum vorstellbar, dass er zur Naturgewalt wird. Und doch können Winde ihn zur Gefahr für Leib und Leben machen. Das haben auch die Jünger erlebt, die in ihrem Boot auf dem See unterwegs waren.
Hören wir die Geschichte aus Matthäus 14,22-33:

„Und alsbald drängte Jesus die Jünger, in das Boot zu steigen und vor ihm ans andere Ufer zu fahren, bis er das Volk gehen ließe. Und als er das Volk hatte gehen lassen, stieg er auf einen Berg, um für sich zu sein und zu beten. Und am Abend war er dort allein. Das Boot aber war schon weit vom Land entfernt und kam in Not durch die Wellen; denn der Wind stand ihm entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam Jesus zu ihnen und ging auf dem Meer. Und da ihn die Jünger sahen auf dem Meer gehen, erschraken sie und riefen: Es ist ein Gespenst!, und schrien vor Furcht. Aber sogleich redete Jesus mit ihnen und sprach: Seid getrost, ich bin's; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, bist du es, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf dem Wasser. Und er sprach: Komm her! Und Petrus stieg aus dem Boot und ging auf dem Wasser und kam auf Jesus zu. Als er aber den starken Wind sah, erschrak er und begann zu sinken und schrie: Herr, rette mich! Jesus aber streckte sogleich die Hand aus und ergriff ihn und sprach zu ihm: Du Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und sie stiegen in das Boot und der Wind legte sich. Die aber im Boot waren, fielen vor ihm nieder und sprachen: Du bist wahrhaftig Gottes Sohn!“

Unheimliches, Unwirkliches geschieht in dieser Nacht auf dem See. Erst kommen Winde auf, und Wellen schütteln das Boot hin und her, und dann kommt auch noch Jesus über den See gelaufen. Die Jünger fürchten sich, schreien, versuchen eine Erklärung zu finden für das, was sie sehen und nie für möglich gehalten haben. Ein Gespenst fällt ihnen ein. Und dann klärt Jesus sie auf „Seid getrost, ich bin´s; fürchtet euch nicht!“
Jesus nimmt mit seinen Worten die ganze Angst, und so sehen dann auch die Wellen ruhiger aus. Und Petrus, der seinen Herrn vor Augen hat, ist plötzlich zu Großem bereit. Er ist voller Glauben und will den zeigen. Er will auch auf dem Wasser gehen. Wie Jesus, sein Meister. Und solang er ihn fest im Blick hat, gelingt ihm das auch. Aber dann kommen mit dem wieder aufbrausenden Wind die Zweifel, und er beginnt zu sinken. Angst erfasst ihn, und er fleht Jesus an, ihn zu retten. Wieder lässt Jesus den Sturm sich legen, und sie alle steigen wieder ins Boot. Zuvor aber zeigt er Petrus, wie klein sein Glaube war.
In einem Moment voller Zuversicht, Vertrauen, Hoffnung und Glauben und im nächsten tief verzweifelt, ängstlich und voller Furcht. Was Petrus da erlebt in dieser so bekannten Geschichte, ist menschlich. Und das erleben Christinnen und Christen auch noch heute. Die Welt ist eine andere, aber im Glauben erleben wir noch immer, was Petrus erlebt hat. Momente voller Zuversicht, Vertrauen, Hoffnung und Glauben und im nächsten tief verzweifelt, ängstlich und voller Furcht.

Wie bei Petrus erleben auch heute noch Menschen im Glauben, dass sie über sich hinauswachsen können, Grenzen überschreiten, Großes leisten, gerade dann, wenn die Not besonders groß ist.
In der Pandemie kann man das erleben, wenn Christinnen und Christen auf so vielfältige und kreative Weise für andere da sind, dabei den Abstand und die Vorsicht nicht vergessen und dennoch Evangelium und ganz praktisch erlebbare Liebe Gottes in die Häuser bringen.
In Momenten des Abschieds, der Todesnähe kann man das erleben, wenn sich Christinnen und Christen um Sterbende kümmern und um deren Angehörige. Sie begleiten in diesen schweren Stunden und Tagen. Da sind. Aushalten. Mittragen. Trösten.
Im letzten Jahr konnte man das erleben, als Christinnen und Christen beschlossen haben, ein Schiff zu schicken und dem Sterben auf dem Mittelmeer nicht nur zuzuschauen. Voller Hoffnung ist das Schiff in See gestochen.

Und wie bei Petrus auf dem Wasser, so gibt es Stürme im Leben. Stürme, die die Hoffnung nehmen, die Zweifel groß werden lassen und die Kraft nehmen weiterzumachen.
Aber wie bei Petrus, so hilft auch heute in Momenten des Zweifels der Blick auf Christus und seine Botschaft: „Seid getrost, ich bin‘s; fürchtet euch nicht!“ Auch heute noch reicht uns Christus die Hand. Auch heute noch gilt Gottes Zusage „ich bin’s. Fürchtet euch nicht“. Denn auch heute noch ist Gott der, der er früher war, der Gott Abrahams und Saras, Isaaks und Rebekkas sowie Jakob-Israels und seiner Familie. Er ist, der er ist und der er sein wird. Wie er sich im Dornbusch offenbart hat. Er ist da. In den Stürmen unseres Lebens. In Tod, Einsamkeit, Krankheit und Schuld.
Mit ihm an unserer Seite hoffen wir und sind zuversichtlich, glauben wir und leben in eine verheißungsvolle Zukunft hinein. Auch dann, wenn uns eigentlich nicht danach ist und die Zweifel und die Not übergroß sind. Gerade dann gilt uns die Zusage: „Seid getrost, ich bin‘s; fürchtet euch nicht!“
Dass uns das gelingt, das schenke uns Gott: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Zu ihm beten wir mit Worten von Siegfried Eckert (1):

gott
quelle der versöhnung
wir trauen uns viel zu
und vergessen dabei
wie viel an dir liegt
und wie wenig an uns

gott
quelle der wahrheit
wir trauen uns wenig zu
und vergessen dabei
wie viel uns geschenkt ist
um deinem ruf zu folgen

deshalb lass uns
abstand gewinnen
von all dem
dem wir blind folgen

lass uns
auf deine stimme hören
deine gebote achten
gehorsame schafe sein
die ihrem hirten folgen

nicht aus dummheit
sondern voller vertrauen

Amen.

Anmerkung
1 Aus: Siegfried Eckert, neulich küsste ich gott. Berührende Gebete. edition chrismon, Leipzig 2017, S. 75.

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