Septuagesimae (13. Februar 2022)

Autorin / Autor:
Pfarrer Hartmut Mildenberger, Stuttgart [Hartmut.Mildenberger@elkw.de]

Jeremia 9,22-23

IntentionDie Predigt fragt, worauf Menschen ihr Leben bauen können. Die Antwort des Predigttextes „Gott kennen“ wird entfaltet. Die Strukturiertheit des Predigttextes lädt zu einer durchsichtigen Gliederung der Predigt ein.

Liebe Gemeinde,
worauf setze ich? Das ist eine Lebensfrage. Was ist mir für mein Leben entscheidend wichtig?
Unser Taufkind heute steht am Beginn des Lebens. Worauf soll es sein Leben bauen?

Weisheit, Reichtum, Macht, Gesundheit sind MöglichkeitenIch stelle mir eine Szene vor: Drei Stimmen verhandeln dieses Thema.
Die erste Stimme sagt: Am Wichtigsten ist Weisheit. Lebensweisheit – wer das hat, der kommt durch das Leben. Clever musst du sein, dann beurteilst du die Situationen richtig, tust die richtigen Schritte, und lässt dich nicht von irgendwelchen Schönrednern etwas aufschwatzen. Außerdem – wer weise ist, hat den Überblick.
Die zweite Stimme aber hält dagegen: Was nützt dir deine ganz Weisheit, wenn du ein armer Schlucker bist. Das Wichtigste ist Reichtum. Wer reich ist, hat keine Sorgen mehr. Er kann sich alles leisten, auch die besten Schulen für die Kinder oder die besten Ärzte. Darüber hinaus kann man Einfluss nehmen auf den Gang der Dinge.
Da aber mischt sich die dritte Stimme in die Runde: Was wirklich zählt, sind Stärke und Macht. Durchsetzen musst du dich können. Ein Siegertyp sein, das ist das Richtige. Man muss sich behaupten können im Kampf um das Dasein. Wer schwach ist, geht nur unter. Ein Starker aber kann zupacken und voller Kraft hinlangen.

Soweit vorerst, liebe Gemeinde. Wer ist Ihr Favorit? Weisheit, Reichtum oder Stärke?

Vielleicht würde mancher eine vierte Stimme einführen: Das Wichtigste ist Gesundheit. Das sagen viele. Was nützen Weisheit, Reichtum, Stärke, wenn man nicht gesund ist an Leib und Seele.

Reichtum, Stärke Weisheit, Gesundheit – das alles ist wichtig. Die Frage aber bleibt: Was ist das Wichtigste?

PredigttextIch lese uns nun unseren heutigen Predigttext. Er steht beim Propheten Jeremia, Kapitel 9,22-23:
„So spricht der HERR: Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit, ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke, ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums. Sondern wer sich rühmen will, der rühme sich dessen, dass er klug sei und mich kenne, dass ich der HERR bin, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden; denn solches gefällt mir, spricht der HERR.“

Das Wichtigste: Gott kennenDas Wichtigste im Leben ist, dass einer mich kennt – sagt Gott.
Nehmen wir einmal an: Gott kennen wäre so gut wie Weisheit, Reichtum, Stärke, Gesundheit. Das wäre doch was! Wer Gott kennt, hat eine ganz eigene Lebensklugheit und Weisheit; wer Gott kennt, hat Teil am Reichtum der gesamten Schöpfung; wer Gott kennt, hat Anschluss an eine nie versiegende Kraftquelle; wer Gott kennt, ist heil und gesund in ganz weitem Sinne.

Gott kennen: vier AspekteWas heißt das: Gott kennen? Vier Aspekte sind mir wichtig geworden:

Erstens heißt Gott kennen: Gott Gott sein lassen, und als Mensch Mensch sein dürfen.
Ich fange an, als Mensch meine Grenzen und Unvollkommenheiten zu akzeptieren. Ich anerkenne eines anderen Weisheit, Reichtum und Stärke. Ich vergesse nicht, dass die Grundlage für alles, was ich habe und bin, von woanders herkommt. Dass ich mich einem anderen verdanke.
Ich kann stark sein – und gelassen meine Schwächen annehmen. Ich kann reich sein, aber Armut schreckt nicht. Ich kann gescheit sein und immer weiter lernen, aber ich brauche mich nicht zu zermürben, dass ich kein Genie bin. Ja, wenn mir etwas fehlt, weiß ich: Da sind andere, die helfen. Wenn ich an meine Grenzen komme, weiß ich: Da ist Gott, der andere mit ihren Gaben befähigt. Ich darf Mensch sein, zerbrechlich, sterblich, unvollkommen.

Zweitens heißt Gott kennen: vertraulichen Umgang mit Gott haben. Die Grundbedeutung des hebräischen Wortes für Erkenntnis hängt mit vertrautem Umgang, mit Begegnung, ja mit Intimität zusammen. Vertrauter Umgang mit Gott heißt: Ich suche das Gespräch, die Begegnung, mit Gott. Mir ist wichtig, seine Worte für mein Leben zu hören und ihnen zu folgen. Mir ist wichtig, mein Leben abzustimmen mit seinen Gedanken für mich. Zeit für diese Zweisamkeit mit Gott ist mir kostbar. Jesus hat uns diesen vertrauten Umgang mit Gott vorgelebt und diesen Zugang zu Gott ermöglicht.

Drittens heißt Gott kennen: sein Wesen kennen. „Dich kenn ich schon“, sagen wir manchmal. Wir wissen, wie jemand sich verhält, was ihm wichtig ist.
Wie Gottes Wesen ist, wie er sich verhält, können wir an Jesus erkennen. Und Jeremia gibt uns dazu die Leitworte: „Ich bin der Herr, der Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit übt auf Erden.“
Das ist Gottes Wille für mein Leben und für die ganze Welt. Ich soll in meinem Leben zu meinem Recht kommen in Gottes Namen. Gott tritt ein für die Gerechtigkeit an mir und für die Welt. Und Gott ist auch barmherzig, voller Liebe im Umgang mit mir, auch dann, wenn ich schuldig werde. Ihm geht es um ein Miteinander, in dem Gnade, Gerechtigkeit und Gemeinschaftssinn im Vordergrund stehen. Und allen, die zweifeln oder verzweifeln, ist er gnädig und barmherzig.

Viertens heißt Gott kennen: ihn anerkennen, ihn Gott sein lassen. Das zentrale Verb in unserem Text ist das Wort „rühmen“. Auf Hebräisch hat es mit dem Wort Halleluja zu tun. Im Loben und Rühmen anerkenne ich Gott. Indem wir Gott loben für das, was er uns gegeben hat an materiellen, wie an geistigen Gütern, erkennen wir sein Gottsein an, bejahen es, bestätigen ihn. Die schönen Loblieder, die wir heute singen (lassen), drücken das aus. In einem Taufsegen heißt es, das Kind möge wachsen, den Eltern zur Freude, den Menschen zum Segen und Gott zur Ehre.

ZusammenfassungSoweit meine vier Aspekte, was es heißt, Gott zu kennen: Gott Gott sein lassen, und mich als Mensch in meinen Grenzen akzeptieren. Vertrauten Umgang mit Gott suchen. Sein Wesen in Barmherzigkeit, Gerechtigkeit und Recht erkennen. Und Gott ehren und im Lob anerkennen.
Gott – kennen. Lothar Zenetti drückt das ganz einfach aus: „Du fragst, was ich von Gott ergriffen habe? – Dass ich von Gott ergriffen bin. Du fragst, was ich von Jesus halte – dass er mich hält.“
Also: Auf was setze ich im Leben? Worauf soll unser Taufkind sein Leben setzen? Auf Weisheit, Reichtum und Stärke? Nein, sondern auf Gott und dass Gott uns und die ganze Welt anspricht, liebt, hält und begleitet. Dass er sich finden lässt.
Amen.

"Suchet zuerst Gottes Reich in dieser Welt und seine Gerechtigkeit, Amen. So wird euch alles von ihm hinzugefügt, Halleluja, Halleluja." (EG 182,2)

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