Gründonnerstag (28. März 2024)

Autorin / Autor:
Professor Dr. Bernhard Mutschler, Reutlingen [Theologie@MutschlerMetzingen.de ]

Johannes 13,1-15.34f

IntentionZum Gründonnerstag gehört das Gedenken an die letzte Mahlfeier Jesu. Stattdessen erzählt der vierte Evangelist die – im Folgenden abschnittweise vorgetragene – Fußwaschung Jesu. Sie kann sakramental mit Blick auf Jesu Kreuzigung und beispielgebend mit Blick auf andere Menschen gelesen und gehört werden. Am Ende zeigt sich: Die Liebe Christi ist Vorbild und Ursprung der christlichen Liebe. Christliche Liebe wird für andere zum Erkennungszeichen von Jüngerinnen und Jüngern Jesu.

Jesu Abschiedsstunde„Vor dem Passafest aber erkannte Jesus, dass seine Stunde gekommen war, dass er aus dieser Welt ginge zum Vater. Wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende.“ Das harmlos formulierte Weggehen „aus dieser Welt“ ist ein Hinweis auf seine bevorstehende Kreuzigung: auf seine Erhöhung am Kreuz und seinen Weggang zum himmlischen Vater.

Fußwaschung aus LiebeBevor dies passiert, vollzieht Jesus einen besonderen Dienst an seinem Schülerkreis. Er tut dies aus Liebe zu ihnen. Denn „wie er die Seinen geliebt hatte, die in der Welt waren, so liebte er sie bis ans Ende“. Liebe ist die Grundlage christlichen Dienens. Sie ist die Grundlage und Motivation diakonischen Handelns.

Jesus wusste, was ihm bevorstand„Und nach dem Abendessen – als schon der Teufel dem Judas, dem Sohn des Simon Iskariot, ins Herz gegeben hatte, dass er ihn verriete; Jesus aber wusste, dass ihm der Vater alles in seine Hände gegeben hatte und dass er von Gott gekommen war und zu Gott ging – da stand er vom Mahl auf, legte seine Kleider ab und nahm einen Schurz und umgürtete sich.“ Erneut betont der Evangelist, dass „Jesus wusste“, was ihm bevorstand. Ein Verrat durch einen Menschen aus seinem Anhängerkreis, gleichsam aus seiner Gemeinde, würde den Leidensweg Jesu ans Kreuz anstoßen und beginnen lassen. Jetzt, „nach dem Abendessen“, war die Gelegenheit zur symbolischen Fußwaschung. Denn Taten sprechen manchmal eindrücklicher als Worte.

Jesus wäscht die Füße seiner JüngerJesus also „goss Wasser in ein Becken und fing an, den Jüngern die Füße zu waschen und zu trocknen mit dem Schurz“, den er sich umgebunden hatte. Es widerspricht Sitten und Bräuchen, was Jesus tut. Er steht beim Essen auf, und er, der Anführer und Lehrer, beginnt mit einer typischen Sklavenarbeit. Fußwaschung war in der Antike ausschließlich Sklaven vorbehalten. In Israel war es nicht einmal erlaubt, eine Fußwaschung einem jüdischen Sklaven aufzutragen. Diese unfeine Arbeit, die staubigen und verschwitzten Füße anderer zu waschen, galt als entehrend. Man durfte sie nur heidnischen Sklaven zumuten. Was andere als Pflichterfüllung tun, tut Jesus aus Liebe. Freiwillig erniedrigt sich Jesus vor den Seinen.

Petrus widersprichtDiese waren offenbar wie konsterniert. Keiner wagte Widerspruch – außer einem. Simon Petrus war auch hier Wortführer. „Da kam Jesus zu Simon Petrus; der sprach zu ihm: Herr, du wäschst mir die Füße? Jesus antwortete und sprach zu ihm: Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren. Da sprach Petrus zu ihm: Nimmermehr sollst du mir die Füße waschen! Jesus antwortete ihm: Wenn ich dich nicht wasche, so hast du kein Teil an mir.“

Petrus möchte ganz an Jesus teilhabenDas aber möchte Petrus auf keinen Fall, im Gegenteil. Daher lässt er die Fußwaschung geschehen. Mehr noch, Petrus bittet sogar: „Herr, nicht die Füße allein, sondern auch die Hände und das Haupt! Spricht Jesus zu ihm: Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; er ist vielmehr ganz rein.“ Petrus möchte unbedingt teilhaben an Jesus. Aber Jesus lehnt ab und sagt: „Wer gewaschen ist, bedarf nichts, als dass ihm die Füße gewaschen werden; er ist vielmehr ganz rein.“

Sklavendienst und Sklaventod am KreuzWie ist das zu verstehen? Der Schlüssel könnte im Verhalten Jesu liegen. Durch die Fußwaschung leistet Jesus einen Sklavendienst; ein Sklaventod aber, nämlich als Gekreuzigter, steht ihm bevor. Jesus stirbt für jeden Menschen, der sich von Jesus dienen lässt. Der Dienst Jesu findet hier seinen Ausdruck in der Symbolhandlung der Fußwaschung. Sklavendienst und Sklaventod Jesu gehören zusammen. Die Fußwaschung symbolisiert Jesu Tod am Kreuz.

Petrus versteht nach Kreuz und AuferweckungAls Jesus seiner Anhängerschar die Füße wäscht, steht seine Kreuzigung erst noch bevor. Daher kann Petrus diesen Zusammenhang erst „hernach“ verstehen. Aus diesem Grund sagt Jesus zu Petrus: „Was ich tue, das verstehst du jetzt nicht; du wirst es aber hernach erfahren.“ Nach der Kreuzigung Jesu und nach seiner Auferweckung durch den Gott des Lebens wird so vieles klarer, auch für Petrus. Denken wir nur an die Begegnungen zwischen dem Auferstandenen und Petrus in Jerusalem und am See Genezareth.

Jesus reinigt und belebt GlaubendeWem Jesus also – im Bild gesprochen – „die Füße wäscht“, der hat Anteil am Tod Jesu; für den stirbt Jesus. Aus heutiger Sicht formuliert: Jesus ist gestorben für alle, die sich von ihm dienen lassen. Jesus ist gestorben für alle, die ihm diese reinigende und belebende Wirkung zutrauen und sie ihm erlauben. Mit anderen Worten: die sich zu Jesus halten; die an Jesus glauben.

Petrus „ganz rein“Was für ein tiefgründiges Bild, und was für eine anrührende Aussage. Die Sklavenarbeit Fußwaschung steht symbolisch für den Kreuzestod Jesu. Die Fußwaschung schließt die Wirkung des Sklaventodes des gekreuzigten Christus mit ein. Diese Wirkung gilt allen, die auf ihn vertrauen.

Musterbeispiel geschwisterlicher LiebeWurde die Fußwaschung bisher auf das Verhältnis zur Kreuzigung Jesu und zu Gott gedeutet, dann ist sie einmalig und unwiederholbar. Anders ist es mit der anschließen-den zweiten Deutung unter Gleichen: Die Fußwaschung wird als Musterbeispiel geschwisterlicher Liebe erklärt. Sie wird ausdrücklich zur Wiederholung empfohlen.

Tun wie Jesus tatDer Evangelist erzählt weiter: „Als Jesus nun ihre Füße gewaschen hatte, nahm er seine Kleider und setzte sich wieder nieder und sprach zu ihnen: Wisst ihr, was ich euch getan habe? Ihr nennt mich Meister und Herr und sagt es mit Recht, denn ich bin’s auch. Wenn nun ich, euer Herr und Meister, euch die Füße gewaschen habe, so sollt auch ihr euch untereinander die Füße waschen. Denn ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“

Füreinander da sein, füreinander einstehenDie Anerkenntnis Jesu bleibt: Er ist „Meister und Herr“, „Herr und Meister“. Was nun dieser Lehrer und Herr getan hat, sollen seine Jüngerinnen und Jünger nachahmen. Mehr noch, sie bekommen eigens einen Auftrag dazu. Jesus sagt: „Ein Beispiel habe ich euch gegeben, damit ihr tut, wie ich euch getan habe.“ Menschen im Umfeld Jesu sollen einander mit Freundlichkeit begegnen, einander unterstützen und sich in Nächstenliebe üben. Nach innen wirkt dies kulturprägend. Nach außen soll es zum Erkennungszeichen dafür werden, dass Menschen von Jesus lernen. Bildlich gesprochen: bei ihm in die Schule gehen.

Liebe als neues GebotJesus ergänzt und unterstreicht: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch unter-einander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. Daran wird jedermann erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.“ Nächstenliebe wird bereits im Alten Testament geboten: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“. Was ist nun „neu“ am Liebesgebot Jesu? Drei Aspekte sind neu: Es handelt sich um ein Gebot Jesu. Die Liebe Christi ist Maßstab, Vorbild und Ursprung der christlichen Liebe. Christliche Liebe wird für andere zum Erkennungszeichen von Jüngerinnen und Jüngern Jesu.

Von Jesus her zum Menschen hinFassen wir dies alles zusammen, dann ergibt sich eine Bewegung von Jesus her zum Menschen hin. Das gibt uns Kraft und Mut. Das macht stark und zuversichtlich, weil er ja dasselbe getan hat. Es inspiriert und gibt Leichtigkeit für unseren Alltag, wenn wir Jesus zum Vorbild nehmen. Dass wir von Jesus her zum Menschen hin glauben, denken, sprechen, beten, hoffen und handeln in Liebe. In dieser Haltung ist alles zusammengefasst: die Fußwaschungserzählung, das ganze Evangelium und der christliche Glaube insgesamt.

Heilige Handlung und Musterhandlung, Sakrament und BeispielDer Glaube an Jesus den Gekreuzigten und Auferstandenen und die Liebe zwischen Menschen sind die beiden wichtigsten Kennzeichen des Christentums, der Nachfolge Jesu. Beide Kennzeichen sind in dieser Erzählung von der Fußwaschung Jesu deutlich erkennbar: sich von Jesus die Füße waschen lassen und einander in christlicher Liebe begegnen und dienen. So wird die Fußwaschung durch Jesus gleichzeitig zur heiligen Handlung Jesu, zum Sakrament, und zur Musterhandlung Jesu, zum Beispiel.

Einzigartige Hingabe Jesu, Gemeinschaft in christlicher LiebeWenn wir nun gleich Abendmahl miteinander feiern, dann wird darin ebenfalls beides sichtbar und erfahrbar: das Sakrament der einzigartigen Hingabe Jesu am Kreuz und das wiederholbare Beispiel des guten Zusammenhalts, der Gemeinschaft miteinander, in christlicher Liebe, in der Liebe Jesu Christi. Amen.

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