3. Advent (14. Dezember 2025)

Autorin / Autor:
Pfarrer Dr. Jörg Bauer, Stuttgart [jo.bauer@klinikum-stuttgart.de]

Lukas 3,(1-2.)3-14.(15-17.)18.(19-20)

Intention
Die Predigt soll zeigen: “Der Mythos geschah nie, ist aber immer“, so der griechische Neuplatoniker Salust. Der Gott der Bibel bzw. des Neuen Testaments ist kein Mythos. Man kann sein Kommen in die Weltgeschichte nahezu exakt festmachen. Und man kann sich und die Welt darauf vorbereiten,.

Liebe Gemeinde,
wer sich fragt, wann denn Gott kommt, um unsere chaotische Welt endlich zurecht zu bringen – oder: poetisch mit dem Wochenpsalm ausgedrückt: wann er denn kommt, dass sich Gerechtigkeit und Friede endlich küssen werden (Psalm 85,11), der schaue heute genau hin:
Auf diese Begebenheit, vom Evangelisten Lukas erzählt und berichtet.
Gott kommt. Jetzt. Er wird Mensch. Nicht irgendwann einmal, etwa am St. Nimmerleins-Tag. Die Vorbereitungen der Menschwerdung Gottes beginnen zu einem bestimmten Zeitpunkt. Sie beginnen „im fünfzehnten Jahr der Herrschaft des römischen Kaisers Tiberius, als Pontius Pilatus Statthalter in Judäa war – und diverse Provinzfürsten regierten und Hannas und Kaiphas Hohepriester im Jerusalemer Tempel waren“.
Wenn wir jetzt einmal rechnen, dann kommen wir auf das Jahr 29 unserer Zeitrechnung. Exakt in diesem Jahr:
Da geschieht es, dass der Heiland Gottes sich ankündigt, Gestalt gewinnt, kommt, und von allen gesehen werden kann. Schon bald bricht er in die Welt ein. Ihr werdet ihn sehen in seiner Schönheit und Barmherzigkeit. „Gott bei uns“, nah bei den Menschen.

Gottes Kommen in die Welt braucht Vorbereitung
Dass so ein gewaltiges Werk, Gott bei den Menschen, der Geist im Fleisch, nicht von jetzt auf nachher, ohne Vorbereitungen geschehen kann, ist nur zu verständlich. Das braucht seine Zeit, dazu braucht es einen Herold, einen Vorausgeher. Dazu braucht es Johannes, den Täufer, der die Menschen seiner Zeit und uns heute auf den Heiland vorbereitet.
Johannes predigt. Nicht irgendwas, nicht irgendwen: „Bereitet den Weg des Herrn und macht seine Steige richtig. Macht euch bereit.
Ihr rieft nach Gott? Ihr fragt: Wo ist er denn? Jetzt kommt er zu euch. Unaufhaltsam! Es wird euch den Atem verschlagen, wenn er kommt. Bereitet euch vor. Tragt schon mal die Berge ab. Schüttet die Täler auf. Macht krumme Wege gerade. Holprige Pisten eben. Nichts soll, nichts darf ihn aufhalten, den Heiland Gottes.“

Es braucht vorbereitete Menschen: die Sache mit der Buße
Es braucht also „vorbereitete Menschen“.
Es braucht „bußfertige“ Menschen im Advent Gottes.
Ach, du liebe Güte, werden Sie, liebe Gemeinde, jetzt vielleicht denken.
Jetzt kommt wieder die ehrfürchterliche Version von der „Buße“.
Fällt denn den Kirchenleuten wirklich immer noch nichts Besseres ein, als von der Buße zu sprechen und sie zu fordern? Das klingt nach kleinmachen, nach kleintreten, nach Duckmäusertum und, nun ja, nach Anstrengung.

Ist das aber wirklich Buße? Heißt das bußfertig sein? Buße im Büßerhemd?

Wenn ich die Buße, die Johannes hier fordert, richtig verstehe, dann ist sie etwas ganz anderes. Sie bedeutet: Ich richte mich neu aus.
Ich gehe einmal weg von mir selbst und kreise nicht nur um mich.
Ich übe mich in der Sehnsucht nach Gott, den ich vielleicht gerade gar nicht spüre, der mir bisher gar nicht wichtig war. Ich warte aber einmal ganz bewusst, bis dass er kommt, auch zu mir, in mein Leben.
Ich sage ihm in einem stillen Moment, was mich bewegt, was mir Sorgen macht, worunter ich leide:
Unter meiner Lieblosigkeit, meiner eigenen Gnadenlosigkeit gegenüber mir selbst und anderen: „Ach, Gott, erbarme dich meiner…“
Da, in solchen Momenten muss ich nicht den Starken oder die Starke spielen, sondern kann und darf so sein, wie ich bin: ein bedürftiger Mensch.
Wir sind, wenn wir ehrlich mit uns selbst und anderen sind, bedürftige Wesen, ständig, immer.
Wir bedürfen der Liebe und der Anerkennung, nicht nur von anderen Menschenwesen, sondern eben auch von Gott, der kommt und uns begegnet mit einer Liebe, die größer ist als alles, was gegen uns sprechen mag.
Gott kommt zu uns, entlastend, heilend, helfend und tröstend.
Gott, der sagt: Du bist in meinen Augen schön, wertvoll, wertgeachtet.
Er reicht uns zärtlich seine Hand und sagt: „Komm, lass uns gemeinsam weiter durchs Leben gehen. Hand in Hand.“

Das alles umfasst Buße. Eigentlich eine schöne Sache, eine solche Buße. Ehrlich sein können mit sich selbst, meine Bedürftigkeit entdecken und zu ihr stehen. Und dann zu hören und zu erfahren:

Gott kommt zu dir. Entlastet dich, heilt dich, hilft und tröstet dich und mich. „Und alle Menschen werden den Heiland Gottes sehen?“ Ja.

Buße im Advent: Warum nicht? Probiere es einmal aus.
Man könnte es ja einmal ausprobieren, diesen Sinneswandel, das Umkehren – hin zu Gott, einmal so mit ihm sprechen im Herzen oder mit dem Mund, auch wenn uns das zunächst lächerlich vorkommen mag.
Die Tage und Wochen des Advents, der Ankunft Jesu, sind dazu wie geschaffen, eigentlich, wenn wir einmal bei uns einkehren – und den vorweihnachtlichen Trubel Trubel sein lassen. Wenigstens für ein paar Augenblicke am Morgen oder mitten im Tag oder am Abend.

Die Menschen, die damals im 15. Jahr der Herrschaft des Kaisers Tiberius zu Johannes an den Jordan kamen, die haben das begriffen und sich auf Gott vorbereitet, sich ihrer Sehnsucht nach Gott gestellt.
„Ja, wir warten auf Gott, voller Sehnsucht, auf dass er kommt, bis er kommt: Wo bleibst du, Trost der ganzen Welt?“, sagen und fragen sie aus ihrem Innersten heraus.

Was sollen denn wir tun? Seid genügsam, seid solidarisch!
Dass eine solche Buße nicht ohne Folgen sein kann, nicht bloßes religiöses Ritual, das zeigt Johannes, der Täufer, auf. Zugegebenermaßen messerscharf, was er da sagt, so dass wir erschrecken. Als „Schlangenbrut“ bezeichnet er die Leute.
„Sehnsucht, Neuausrichtung hin zu Gott, gut und recht“, sagt er.
„Wo aber bleiben die Auswirkungen? Was tut ihr denn konkret, um diesem Gott zu entsprechen, der, wenn er kommt, sich Güte und Treue unweigerlich begegnen, Gerechtigkeit und Frieden sich küssen?“
Es wird gar nicht schlimm. Die Antwort auf die Frage: „Was sollen denn wir tun?“ ist denkbar einfach.
Bürger und Bürgerinnen, die Zöllner, die Soldaten erhalten eine je eigene Antwort. Es gilt nicht für alle das Gleiche. Das Gebotene richtet sich nach dem eigenen Vermögen. Teilen sollen sie, Fairness zeigen im Umgang mit anderen Menschen. Das Nötige sollen sie nehmen und tun – aber nichts darüber hinaus. Seid genügsam.
Wie aktuell das doch ist angesichts einer gierigen Welt, in der der eine den anderen oft übervorteilt und nimmt, was er kriegen kann. Die einen mehr, die anderen weniger.
So ist Johannes der Wegbereiter für den zutiefst menschlichen Gott, der keine totale Askese fordert, sondern Mitmenschlichkeit. Oder, nennen wir es: Solidarität mit dem Menschen, der in Not ist. Er begegnet mir heute oder morgen. Schaut hin, schaut nicht weg, wenn die andere klein gemacht wird – und eure Hilfe braucht, wenn die Wahrheit mit Füssen getreten wird. Gib dem anderen einmal Zeit von deiner Zeit und höre ihm zu. Als Seelsorger im Krankenhaus höre ich oft von Patienten und Patientinnen: „Danke, dass Sie da waren und mir zugehört haben…“
Oder auch: Wenn du hast, dann teile deinen Überfluss mit dem, der hungert, hier in unserem reichen Land, oder anderswo. Beispiele gibt es in unseren Tagen viele. Leider zu viele.

Das Nötige tun ist einfach, weil Gott kommt
Was sollen denn wir tun? Es ist gar nicht so viel, nur: das Nötige – und genau das bringt Licht ins Dunkel eines anderen Menschen. In unserer Nähe oder auch in der Ferne. Solidarität: Sie kehrt ein und wird gelebt, indem wir uns nach Gott ausrichten, sehnsüchtig nach ihm Ausschau halten. Sich bescheiden und für Gerechtigkeit einsetzen, so einfach ist das mit dem christlichen Leben, das in diesen Tagen auf Gott wartet, bis dass er kommt.
Ja, wir warten auf den Heiland Gottes, auf seinem Besuch in unserem Leben. Er kommt zu dir und mir. Da küsst die Gerechtigkeit den Frieden. Der Friede die Gerechtigkeit. Schon bald.
Amen.

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