2. Weihnachtsfeiertag (26. Dezember 2025)
Matthäus 1, 18 – 25
Intention
Die Erzählung von Josef und seinem Sohn Jesus erzählt uns, was es heißen kann, Vater zu sein. Die Geschichte von Gott und seinem Sohn Jesus sagt uns, was es heißt, ein Kind Gottes zu sein.
(Es findet die Übersetzung der BasisBibel Verwendung, da diese den Sachverhalt klar zum Ausdruck bringt.)
Vater werden ist nicht schwer…
Liebe Gemeinde, „Vater werden ist nicht schwer, Vater sein dagegen sehr.“ Selbst wenn Wilhelm Busch in Vergessenheit geraten ist, seine Gedichtzeile ist immer noch im kollektiven Bewusstsein verankert. Übers Vatersein und was das heute bedeutet, sind in den letzten Jahren viele Dokumentationen gedreht und Artikel geschrieben worden. Oft geht es darum, dass Väter in unserer Zeit ihre Rolle anders leben als die Generation der eigenen Väter. Die heutige Vielfalt der Lebensentwürfe bringt auch Herausforderungen mit sich. Familien leben anders – Mütter und Väter deshalb auch. In dieser Predigt wird jetzt von einem Vater die Rede sein, der zu den berühmtesten überhaupt gehört: Josef. Ein Vater, der etwas davon zeigt, was es heißt, Vater zu sein. Ein Vater, der uns allen etwas davon zeigt, was es heißt, Kind zu sein.
Biblischer Text: Matthäusevangelium 1, 18-25
Zur Geburt von Jesus Christus kam es so: Seine Mutter Maria war mit Josef verlobt. Sie hatten noch nicht miteinander geschlafen. Da stellte sich heraus, dass Maria schwanger war – aus dem Heiligen Geist. Ihr Mann Josef lebte nach Gottes Willen, aber er wollte Maria nicht bloßstellen. Deshalb wollte er sich von ihr trennen, ohne Aufsehen zu erregen. Dazu war er entschlossen. Doch im Traum erschien ihm ein Engel des Herrn und sagte: »Josef, du Nachkomme Davids, fürchte dich nicht, Maria als deine Frau zu dir zu nehmen. Denn das Kind, das sie erwartet, ist aus dem Heiligen Geist. Sie wird einen Sohn zur Welt bringen. Dem sollst du den Namen Jesus geben. Denn er wird sein Volk retten: Er befreit es von aller Schuld.« Das alles geschah, damit in Erfüllung ging, was der Herr durch den Propheten gesagt hat: »Ihr werdet sehen: Die Jungfrau wird schwanger werden und einen Sohn zur Welt bringen. Dem werden sie den Namen Immanuel geben«, das heißt: Gott ist mit uns. Josef wachte auf und tat, was ihm der Engel des Herrn befohlen hatte: Er nahm seine Frau zu sich. Aber er schlief nicht mit Maria, bis sie ihren Sohn zur Welt brachte. Und er gab ihm den Namen Jesus.
…Vater sein dagegen sehr
Liebe Gemeinde, für Josef läuft das Vaterwerden mit Jesus sehr ungewöhnlich ab. Matthäus als Erzähler ist es dabei ein Anliegen, zu verdeutlichen, dass der Ursprung Jesu bei Gott liegt. Ihm ist es auch wichtiger zu erzählen, warum Jesus auf die Welt kommt als wie er auf die Welt kommt. Wir können nur erahnen, was in Josefs Innerem vor sich geht. Seine ganze Welt wird auf den Kopf gestellt.
Der Evangelist beschreibt die innere Zerrissenheit Josefs, der beschämt ist und vielleicht auch verletzt und dennoch seine Verlobte nicht bloßstellen möchte. Josef, der sich bewusst heimlich trennen möchte, damit er sie nicht öffentlich anklagen muss. Der vielleicht Ohnmacht empfindet angesichts der Tatsache, dass seine Frau eine unvergleichliche Berufung erhält. Angst angesichts dessen, was das mit sich bringt. Scheu und Ehrfurcht davor, seine Frau zu berühren. Das sind Vermutungen. Was wir durch die Bibel wissen: Josef lebt nach dem Willen Gottes. Josef ist kein Mann der großen Worte; wichtiger ist, was er hört. Mitten in seine Verzweiflung hinein spricht ein Engel Gottes zu ihm. Er nimmt Josef die Furcht, bereitet ihn auf seine Aufgabe vor und kündigt an, was Jesus für die Welt bedeuten wird. Josef nimmt seine Aufgabe an, holt Maria zu sich, gibt ihrem Sohn den Namen Jesus und wird für ihn zum Vater. Josef kommt in eine Situation, die er sich selbst nicht gewünscht und erwartet hat, nimmt sie an und wird ihr gerecht. Er ist im rechtlichen Sinne der Vater Jesu, und Josef stammt aus der Familie Davids. Durch ihn wird Jesus ein Nachfahre Davids. Er ist ein fürsorglicher Vater, der die Familie auf der Flucht beschützt; der sich Sorgen um den Sohn macht; der Jesus das Handwerk des Zimmermanns beibringt.
Meine Schüler würden sagen: Josef ist ein Macher. Ein Mann, der nicht jammert, sondern sich der Aufgabe stellt, die er nicht gewählt hat und für deren Erfüllung er Gottes Hilfe bekommt. Ich meine, er zeigt uns dadurch auch, was einen guten Vater ausmacht. Was einen liebevollen Menschen ausmacht. Dabei ist Josef kein Vorbild, weil er perfekt ist, sondern weil er Gott zutraut, das Unvorhersehbare mit ihm zu tragen. Vielleicht würde er über die Probleme heutiger Eltern etwas schmunzeln angesichts der Herausforderungen, mit denen er umgehen musste.
Sein Kind…
Zugleich ist dieser stille Macher keine Hauptperson, sondern vor allem ein Ermöglicher, der sich selbst zurücknimmt. Er macht es möglich, dass Jesus behütet aufwachsen kann. Der Engel erklärt ihm, warum Jesus in die Welt kommt und sagt zu Josef: „Er wird sein Volk retten: Er befreit es von aller Schuld.“ Mit diesem Volk sind auch wir gemeint. Unsere Schuld ist gemeint. Ich weiß doch, wie oft ich daran scheitere, meine Nächsten und Gott zu lieben. Vielleicht geht es Ihnen auch so. Es ist nicht angenehm, darauf aufmerksam gemacht zu werden. Ich meine, dass wir diese Schuldzuschreibung im Grunde nur dann akzeptieren können, wenn wir uns zugleich von dem geliebt wissen, der uns das auf den Kopf zusagt. Der, der es uns offenbart, ist Gott, unser Vater selbst. Dieser Gott liebt uns trotz unserer Makel so sehr, dass er uns seinen Sohn schenkt und uns durch seinen Sohn von unserer Schuld befreit. Am Kreuz trägt Jesus unsere Schuld.
Krippe und Kreuz sind aus demselben Holz. Eine künstlerische Darstellung dieses Gedankens ist in der Alten Pinakothek in München ausgestellt. Auf der Mitteltafel des Columbia-Altars von Rogier van der Weyden aus dem Jahr 1455 ist im Zentrum des Bildes ein Kruzifix mit dem toten Jesus. Es hängt an der Wand des halbverfallenen Bethlehemer Stalls mit dem Jesuskind. So wird erkennbar, dass uns die Weihnachtsgeschichte nicht erzählt wird, um eine perfekte Familie zu inszenieren, sondern weil der Sohn Gottes geboren wird, um uns zu retten. Dieser Sohn Gottes trägt einen weiteren Namen: Er heißt Immanuel, „Gott ist mit uns“.
Auch Josef erfährt, dass Gott mit ihm ist. Inmitten seiner größten Lebenskrise nimmt Gott Josef die Angst und erklärt ihm, was das alles zu bedeuten hat. Ich bin überzeugt, dass wir alle, wenn wir genau genug hinhören, auch diese Stimme hören. Gott ist mit uns und nimmt uns unsere Furcht. Vielleicht begegnen wir dieser Stimme nicht so unüberhörbar wie Josef der Engelsstimme im Traum. Aber unsere Aufgaben sind ja in der Regel auch nicht so unüberschaubar wie die Josefs. Und doch ist Gott auch bei unseren Herausforderungen mit uns, weil wir seine geliebten Kinder sind.
…Kind sein
Es gibt nur den einen eingeborenen Sohn Gottes, aber wir alle sind Kinder Gottes. Die Geschichte von Josef kann uns etwas darüber erzählen, was es heißt, ein guter Vater und ein liebevoller Mensch zu sein. Sie erzählt uns zugleich auch, was es für uns bedeutet, Kinder Gottes zu sein. Weihnachten ist auch ein Fest der Kinder, und Jesus sagt nicht ohne Grund „werdet wie die Kinder!“ Damit meine ich nicht, dass wir kindisch werden sollten. Wobei, gegen eine gewisse Nostalgie und das Zelebrieren von Kindheitstraditionen und Erinnerungen spricht ja nichts. Gegen die Freude daran, beschenkt zu werden, spricht auch nichts. Der Glaube an sich ist auch ein Geschenk.
An Weihnachten wieder ein Kind zu sein, kann noch mehr bedeuten. Es kann bedeuten, neu zu begreifen, dass ich ein Kind Gottes bin. Dass Sie ein Kind Gottes sind. Kind eines Gottes, der uns liebt. Durch seinen Sohn macht er uns sein größtmögliches Geschenk. Sie und ich sind Kinder eines Gottes, der auch in Krisensituationen für uns da ist. Der erkennt, wie wir versuchen, unseren Ansprüchen gerecht zu werden und doch immer wieder scheitern. Gottes Segen bleibt, auch wenn der Haussegen schief hängt. Er ist für uns da, wenn wir uns mit allem allein fühlen. Diesen Gott dürfen wir Vater nennen. Und wir können Kinder sein. An allen Tagen des Jahres. Und an Weihnachten vielleicht besonders. Amen.
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