Epiphanias (06. Januar 2026)

Autorin / Autor:
Oberkirchenrat i.R. Prof. Dr. Ulrich Heckel, Göppingen [u.heckel@arcor.de]

Epheser 3,1–7

Intention
Gemeindeglieder sind Geheimnisträger Gottes: Der Predigttext thematisiert die Bedeutung des Apostels Paulus im Heilsplan Gottes. Leitmotiv ist das Geheimnis Gottes in Christus. Der Gegensatz von „einst“ und „jetzt“ kontrastiert die vorchristliche Vergangenheit mit dem Sein in Christus. Diese Gegenüberstellung greift die Bekehrungserfahrung im frühen Christentum auf, entspricht aber nicht mehr der volkskirchlichen Gemeindesituation heute. Inhaltlich bleibt entscheidend, dass in der Kirche auch Völkerchristen dazugehören, die keine Juden waren.

Predigttext
Deshalb sage ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch Heiden – ihr habt ja gehört, worin das Werk der Gnade Gottes besteht, die mir für euch gegeben wurde: Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden, wie ich zuvor aufs Kürzeste geschrieben habe. Daran könnt ihr, wenn ihr’s lest, meine Einsicht in das Geheimnis Christi erkennen. Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist; nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium, dessen Diener ich geworden bin durch die Gabe der Gnade Gottes, die mir nach seiner mächtigen Kraft gegeben wurde. (Eph 3,1-7)

Der Apostel Paulus als Geheimnisträger
Paulus wird als Geheimnisträger dargestellt. Geheimnisträger haben Einblick in Sachverhalte, die vor der Öffentlichkeit geheim zu halten sind. Sie dürfen das Geheimnis anderen in keinem Fall mitteilen, es nicht an Dritte weitergeben. Dies gilt vor allem für Geheimdienst, Militär und Polizei. Für sie gibt es ein Dienstgeheimnis, eine Verschwiegenheitspflicht. Was topsecret ist, weckt Neugier. Davon leben Krimis. Das macht Spionagethriller so spannend.
Andere Berufe kennen ein Berufsgeheimnis. In diesen kommt es ebenfalls auf die Verschwiegenheit an. Was gesprochen wird, soll im Raum bleiben, nichts nach außen dringen, nichts an andere weitergegeben werden, so bei Ärztinnen und Apothekern, Rechtsanwälten und Steuerberaterinnen, aber auch in Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Das Seelsorgegeheimnis, das vom Vertrauen der Gemeinden lebt, stellt Pfarrerinnen und Pfarrer unter absolute Verschwiegenheitspflicht.
Ein Geheimnis ist mehr als ein Rätsel. Ein Rätsel lässt sich mit der Vernunft lösen, mit Verstandeskräften erschließen. Wenn es gelöst ist, ist es kein Rätsel mehr. Dann hat man es durchschaut. Ein Geheimnis dagegen bleibt geheimnisvoll, weil es seiner Natur nach verborgen ist. Es lässt sich mit menschlichen Verstandeskräften nicht ergründen. Darum wird ein Geheimnis auch nicht gelöst. In ein Geheimnis wird man eingeweiht, denn die Verborgenheit bleibt gewahrt.
Hier ist vom Geheimnis Christi die Rede, das in Gottes Ratschluss verborgen ist. Es geht um ein Geheimnis, das unzugänglich bleibt. Kein Mensch kann von sich aus Einblick erhalten, wenn Gott es nicht offenbart. Mehrfach wird in den Paulusbriefen vom Geheimnis gesprochen, jeweils in der Gegenüberstellung: „einst verborgen“ – „jetzt offenbar“. Einst war dieser Wille Gottes verborgen, jetzt aber ist er allen kundgetan. Nach dem Kolosserbrief hat Gott das Geheimnis seines Heilsratschlusses „seinen Heiligen“ offenbart, also allen Christen (Kol 1,26). Im Epheserbrief sind es nur noch die heiligen Apostel und Propheten im Geist, denen diese Offenbarung zuteilwurde (Eph 3,5). Diese Einschränkung hat einen tieferen Sinn. Sie verweist auf die besondere Stellung des Paulus im Heilsplan Gottes.
Auf dem Weg nach Damaskus ist Paulus durch diese Offenbarung zum Geheimnisträger geworden. Der Auferstandene hat ihn beauftragt, dass er Gottes Heilsplan publik machen, das Evangelium zu den Heiden bringen soll. Mit diesem Auftrag ist er nach Galatien aufgebrochen, ist er zwei Jahre in Ephesus geblieben, hat er in Griechenland Gemeinden gegründet und ist er am Ende bis nach Rom gereist in die Hauptstadt des Römischen Weltreichs. Damit hat Paulus das Evangelium nach Europa gebracht. Das ist das Geheimnis von Gottes Ratschluss, ein Wunder, über das auch wir heute nur staunen können.

Die Offenbarung von Gottes Heilsplan für die Völker
Doch wer sind die Heiden? Aus jüdischer Sicht waren es damals die anderen Völker, zur Zeit des Paulus vor allem Griechen, die ihre Gesetze und Ordnungen hatten, eine eigne Kultur und Zivilisation pflegten, eine Demokratie und Philosophie entwickelten, die uns in Europa bis heute prägt. Aber nach dem Ratschluss Gottes sollte Abraham zum Segen für die Völker werden. Ihm hat der Gott Israels verheißen: „In dir sollen alle Völker gesegnet werden“ (Gal 3,8 Zitat Gen 12,3). Dass in Christus alle Völker gesegnet werden, ist das Geheimnis, das Paulus offenbart bekam. Bis dahin war es verborgen, nun aber ist es offenbar. Durch Christus sollte Israel sich für die anderen Völker öffnen, nun sollten in Christus auch die Heiden mit dazugehören. Darin bestand das Geheimnis von Gottes Heilsplan (Eph 3,6).
Der alte Gegensatz zwischen Juden und Heiden ist jetzt überwunden, die Feindschaft ausgeräumt, die wechselseitige Verachtung aufgehoben (Eph 2,11–22). Nun bilden Juden und Heiden eine neue Gemeinschaft. In Christus sind sie ein Leib. Nun gehören auch die Heiden „mit zum Leib“ Christi. „Einst“ (2,11f) waren Nichtjuden als „Fremde“ (2,12.19) vom „Bürgerrecht Israels“ ausgeschlossen (2,12), „nun aber“ (2,13; 3,5) sind auch sie „Mitbürger der Heiligen“ (2,19). Nun sind auch Angehörige anderer Völker „miteingefügt“, werden auch sie „mit auferbaut“ (2,21f). Die „einst“ (2,11f) an den „Bundesschlüssen der Verheißung“ keinen Anteil hatten (2,12), sind „nun“ (3,5) „Miterben“ und „Mitteilhaber der Verheißung“ des Segens geworden (3,6), der Abraham für die Völker versprochen war. Diese geradezu revolutionäre Neuerung ist das Geheimnis Gottes, „dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium“ (3,6). Das ist das Geheimnis von Gottes Heilsplan, über das auch wir heute nur staunen können.

Der Stern von Bethlehem als das wahre Sternzeichen für das neue Jahr
Dieses Offenbarwerden von Gottes Geheimnis für alle Völker ist die Frohbotschaft für das heutige Erscheinungsfest. Sie lässt uns teilhaben am Geheimnis, das Paulus offenbart wurde, macht auch uns zu Geheimnisträgern Gottes, weiht auch uns ein in Gottes Heilsratschluss. Wir werden gesandt, das Evangelium von Jesus Christus zu bezeugen. Das feiern wir heute an Epiphanias.
An diesem Tag sollen die Weisen aus dem Morgenland nach Bethlehem gekommen sein, um das Kind anzubeten. Sie waren wohl Sterndeuter aus Babylonien, die glaubten, dass man aus dem Lauf der Sterne die Zukunft ablesen kann. Sie entwickelten eine sehr genaue und wissenschaftlich respektable Astronomie. Sie hatten den „Stern von Bethlehem“ gesehen, eine Sternkonstellation, bei der mehrere Planeten am Himmel sehr eng zusammenstehen, was nach den Regeln der babylonischen Astrologie heißen könnte „König – Judäa – Westen“. So schlossen sie aus der Beobachtung eines Wundersterns auf die Geburt des Messias. Mit Gold, Weihrauch und Myrrhe machten sie sich auf den Weg. Die Weisen aus dem Morgenland gelten als die ersten Nichtjuden, die zum Glauben kamen und Christus anbeteten.
So wurde das Erscheinungsfest zum Tag der Weltmission. Im 19. Jahrhundert sind viele Missionare aus Württemberg aufgebrochen, um das Geheimnis Christi zu den Menschen in Afrika und Asien zu bringen. Heute haben sich die Verhältnisse geradezu umgekehrt. Aus damaligen Missionskirchen sind Partnerkirchen geworden. Europa ist wieder zum Missionsland geworden.
Viele kennen den Stern von Bethlehem nicht mehr, suchen stattdessen Hilfe und Rat in Sternzeichen, lesen Horoskope und fragen, was diese für ihr Leben bedeuten. Wir stehen am Anfang eines neuen Jahres. Wir blicken zurück auf das alte und fragen uns, was das neue bringen wird. Erkennen wir die Zeichen der Zeit? Welchem Leitstern wollen wir folgen? Horoskope werfen Nebelkerzen, wecken vage Hoffnungen, bleiben aber immer ungewiss. Die Weisen aus dem Morgenland waren die ersten, die im Stern von Bethlehem ein eigenes Sternzeichen erkannt haben. Sie zeigen uns den Leitstern für das neue Jahr: Unser Sternzeichen ist der Stern von Bethlehem. Er ist der wahre Leitstern, der Sinn stiftet, mein Leben bestimmt, mir in jeder Lage Orientierung und Halt gibt, in Höhen und Tiefen Zuversicht und Hoffnung vermittelt, gerade in schwierigen Situationen Trost und Hilfe bietet. Er ist ein Sinnbild für den Segen, der dem Abraham versprochen war. Er macht das neue Jahr zu einem Land der Verheißung.
Diesen Segen bringen jetzt vielerorts Kinder, als Sterndeuter verkleidet, in die Häuser. Sie sammeln Spenden für einen guten Zweck. Und mit Kreide schreiben sie auf die Türrahmen: C + M + B, „Christus mansionem benedicat“, „Christus segne dieses Haus“. Aus dieser Abkürzung haben die drei Weisen ihre Namen erhalten: Caspar, Melchior, Balthasar, „Christus mansionem benedicat, „Christus segne dieses Haus“ – eine wunderbare Verheißung für das neue Jahr. Unter diesem Segen können wir Tag für Tag aus- und eingehen: Wir sind einbezogen in das Geheimnis Christi.
Die Jahreslosung für 2026 nennt uns dazu ein Motto, das Mut macht: „Gott spricht: Siehe, ich mache alles neu!“ (Offb 21,5). Das alte ist vergangen, nun werden die Karten neu gemischt. Gottes Segen begleitet uns, trägt uns, führt uns. Unter diesem Sternzeichen können wir ins neue Jahr gehen, voller Zuversicht, getrost und wohlgemut. „Siehe, ich mache alles neu!“ Geb’s uns Gott. Amen.

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