1. Weihnachtsfeiertag (25. Dezember 2025)
Titus 3,4-7
Intention
„Die Menschenfreundlichkeit Gottes erschien auf Erden.“ So fasst Titus das Weihnachtsgeschehen zusammen. Diese Menschenfreundlichkeit Gottes ist nicht abstrakt, sondern erfahrbar. Wir können sie im Blick Jesu von Nazareth und darin, wie er Menschen begegnet, erleben. Wir erfahren sie in der Taufe und in jedem Gottesdienst, in dem uns der Segen – das Leuchten von Gottes Angesicht – zugesprochen wird.
Hohe Erwartungen an den Heiligen Abend
Gestern war Heiliger Abend. An keinem anderen Abend des Jahres sind die Erwartungen bei uns allen so hoch: Der Heilige Abend soll ein fröhlicher und glücklicher Abend werden. Und wir versuchen mit unseren zahlreichen Festvorbereitungen ja auch gute Voraussetzungen dafür zu schaffen. Wir suchen Geschenke aus, packen sie ein, schmücken das Zimmer weihnachtlich und kochen ein gutes Essen.
Und trotzdem wird gerade der Heilige Abend in vielen Häusern und Familien kein fröhlicher und harmonischer Abend. Der erhoffte Besuch kam doch nicht. Geschenke haben nicht gefallen oder haben Neid statt Freude ausgelöst. Alte Familienstreitigkeiten sind plötzlich wieder aufgebrochen. Solche Enttäuschungen wurden meist nicht ausgesprochen, aber sie zeichneten sich auf den Gesichtern ab.
Sehnsucht nach einem freundlichen Blick
Gerade dann, wenn es dunkel ist in unserem Herzen und kein Strahlen mehr auf unserem Gesicht liegt, gerade dann sehnen wir uns nach einem freundlichen Blick: nicht nach einem neugierigen und forschenden Blick, sondern nach einem zugewandten Blick, der wahrnimmt, wie es uns gerade geht.
Aber nicht nur, wenn es dunkel ist in unserem Herzen, sondern auch sonst, leben wir als Menschen davon, gesehen und angesehen zu werden. Wie sehr verletzt es uns doch, wenn ein Mensch es bewusst vermeidet, uns anzusehen, wenn jemand wegschaut oder sogar die Straßenseite wechselt, um jeden Blickkontakt zu vermeiden.
Und wie kann es uns auf der anderen Seite auch fröhlich machen, wenn uns ein fremder Mensch freundlich ansieht oder ein Kind uns anstrahlt. In der Fußgängerzone schau ich mir manchmal die Gesichter der Passanten an. Viele Leute sehen verbissen aus und erwidern den Blick nicht, wenn man ihnen in die Augen schaut. Aber gelegentlich kommt es doch vor: Mitten unter vielen fremden Gesichtern erscheint ein Gesicht, das mir zulächelt. Dann wird mir warm ums Herz.
Gott schaut uns freundlich an
Und nun hören wir heute in unserem heutigen Predigttext (Titus 3,4-7), dass Gott uns freundlich anschaut:
„Doch dann erschien die Güte und die Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters. Wir selbst hatten ja keine Taten vollbracht, mit denen wir uns rechtfertigen konnten. Aber er hat uns seine Barmherzigkeit geschenkt und uns gerettet.
Aus dem Bad der Taufe werden wir neu geboren und erhalten durch den Heiligen Geist das neue Leben. Den hat Gott in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter. Durch diese Gnade werden wir von Gott als gerecht angenommen. Und damit werden wir zu Erben des ewigen Lebens, so wie es unserer Hoffnung entspricht."
Weihnachten heißt: Gottes Freundlichkeit erscheint auf der Erde in Jesus von Nazareth
Dieser Abschnitt aus dem Titusbrief ist keine Weihnachtsgeschichte und doch ist er eine Auslegung des Weihnachtsgeschehens in Kurzform: Gottes Freundlichkeit und seine Menschenliebe erschien auf der Erde. Und das ist unsere Rettung!
Damit wir Gottes Freundlichkeit und seine Liebe wirklich begreifen können, kommt Gott selbst in diese Welt. Er wird Mensch, ein Kind in der Krippe. Gottes Freundlichkeit erscheint auf dem Gesicht des neugeborenen Menschenkindes in der Krippe. Sie zeigt sich auf dem Gesicht des Mannes Jesus aus Nazareth. Seine Menschenliebe zeigt sich darin, wie Jesus mit den Menschen umgeht, denen er begegnet. Und sie offenbart sich uns auf dem Gesicht des gekreuzigten und auferstandenen Herrn.
Gottes Freundlichkeit erkennen wir in der Zugewandtheit Jesu
Jesus begegnet den Menschen freundlich. Er blickt sie freundlich an. Er ist ihnen zugewandt – gerade denen, die sonst niemand ansieht, die sich aber wie alle Menschen nach einem freundlichen Blick sehnen. Er blickt die Kinder freundlich an, er lässt sie alle zu sich kommen und segnet sie. Er hat für die Menschen, die am Rande der Gesellschaft leben, einen freundlichen Blick und hält Gemeinschaft mit ihnen.
Jesu freundlicher Blick ist aber nicht beschönigend. Sein Blick ist wissend und gleichzeitig verbunden mit Liebe. Und das ist unsere Rettung! Was solch ein Blick für einen Menschen bedeutet, das hat er an Zachäus gezeigt. Jesus ging durch Jericho. Da sieht er inmitten einer Menschenmenge einen kleinen Mann auf einem Maulbeerfeigenbaum. Er sieht zu ihm hinauf und erblickt ihn an in seinem Versteck. Der freundliche und wertschätzende Blick Jesu schafft es, dass Zachäus mit dem Versteckspielen aufhören kann, mit dem Versteckspiel auf dem Maulbeerfeigenbaum und auch mit dem Versteckspiel als Zöllner, der die Leute übers Ohr haut.
Gottes freundlicher Blick gilt uns allen
Wie gut tut das, wenn wir uns nicht mehr verstellen brauchen, wenn wir uns so geben können, wie wir sind, auch wenn manches bei uns im Argen liegt. Wenn wir nicht fürchten müssen, bloßgestellt zu werden.
Gott lässt es jede und jeden von uns spüren: Mir brauchst du nichts vorzumachen. Mich brauchst du nicht erst für dich zu gewinnen. Ich bin längst auf deiner Seite. Ich habe mich längst für dich entschieden. Und ich weiß, was ich damit tue. Ich kenne dich ja nur zu gut, vielleicht sogar besser, als du dich selber kennst. Ich weiß um deine Stärken und Schwächen; ich sehe, was du gut kannst und wo deine Fehler liegen. Aber mir kommt es nicht darauf an, dass du möglichst viel besonders gut kannst. Nein – und das erschreckt dich vielleicht – ich will gerade dort anknüpfen, wo du versagst, wo du nichts kannst und nichts vorzuweisen hast. Ich wende mich dir nicht deshalb so freundlich zu, weil du etwas geleistet hast in deinem Leben. Nein, mein freundlicher Blick gilt dir, weil ich dich liebe.
Taufe als persönliches Weihnachten
Diese Liebeserklärung gilt nicht nur Zachäus, sondern uns allen. Gottes freundlicher Blick, der immer zugleich mit einer Liebeserklärung verbunden ist, hat die Kraft, uns zu verändern, so wie er auch aus Zachäus einen neuen Menschen gemacht hat.
Heute, an Weihnachten feiern wir, dass Christus in die Welt gekommen ist. In der Taufe bezeugt Gott allen Täuflingen diese seine rettende Freundlichkeit. So wird die Taufe zum persönlichen Weihnachtsgeschehen: Gott blickt mich freundlich an und das ist meine Rettung. Gottes freundlicher und liebevoller Blick erreicht mein Herz. Sein wertschätzender Blick wärmt mich und bringt Licht in meine Dunkelheit. In Gottes freundlichem und liebevollem Blick erfüllt sich meine ganze Sehnsucht nach einem freundlichen Blick und macht mich zu einem neuen Menschen.
Gottes freundlicher Blick im Segen
In unserem Alltag sehnen wir uns immer wieder nach Gottes freundlichem Blick, der uns aufrichtet und zum Leben ermutigt. Wie gut ist es da, dass uns am Ende jedes Gottesdienstes beim Segen der freundliche und gnädige Blick Gottes zugesprochen wird: "Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig."
Gottes freundlicher und gnädiger Blick bringt immer wieder Glanz in mein Herz und auf mein Gesicht. Mit einem solchen Blick, der von innen heraus strahlt, kann ich Menschen liebevoll begegnen. Ich kann sie freundlich ansehen und sie zum Leben ermutigen.
Weihnachtsglanz auf unseren Gesichtern
Kaspar Friedrich Nachtenhöfer dichtet zu Weihnachten (EG 40, 1.5):
Dies ist die Nacht, da mir erschienen
des großen Gottes Freundlichkeit;
das Kind, dem alle Engel dienen,
bringt Licht in meine Dunkelheit,
und dieses Welt- und Himmellicht
weicht hunderttausend Sonnen nicht.
Drum, Jesu, schöne Weihnachtssonne,
bestrahle mich mit deiner Gunst;
dein Licht sei meine Weihnachtswonne
und lehre mich die Weihnachtskunst,
wie ich im Lichte wandeln soll
und sei des Weihnachtsglanzes voll.
Das Licht und die Wärme, die Gottes liebevoller und freundlicher Blick in unsere Herzen bringt, strahlen aus. Und dann und wann spiegelt sich das auch auf unserem Gesicht wider. Dann leuchtet unser Gesicht auf – und das nicht nur an Weihnachten. Amen.
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