12. Sonntag nach Trinitatis (30. August 2020)

Autorin / Autor:
Pfarrer Dr. Martin Weeber, Stuttgart [martin.weeber@elk-wue.de]

1. Korinther 3, 9-17

IntentionAuch wenn der Bau windschief sein mag – das Fundament ist stabil: Diese Einsicht tröstet im Blick auf das unvollkommene kirchliche Leben. Und: Ich bin mehr als die Summe meiner Fehler und Versäumnisse. Diese Einsicht tröstet im Blick auf mein unvollkommenes eigenes Leben.

Im Mittelpunkt unseres Predigttextes steht ein Vergleich, ein Gleichnis: Da wird gebaut und wird verbrannt – und beim Verbrennen des Gebauten soll sich zeigen, was es taugt: Manches bleibt stehen, anderes verbrennt. Die Hauptsache aber an dem Bau ist ohnehin das Fundament – und gar nicht so sehr, was auf dieses Fundament draufgebaut wird. Man versucht, den Vergleich, das Gleichnis, in allen Einzelheiten zu verstehen – aber irgendwie wird man nicht recht glücklich dabei: „Gleichnisse sind nicht die starke Seite des Paulus“ – so hat schon vor langer Zeit ein Kenner der Gedankenwelt des Paulus geurteilt (Hans Lietzmann). Hören wir den Text, einen Abschnitt aus dem Ersten Korintherbrief:

„Denn wir sind Gottes Mitarbeiter; ihr seid Gottes Ackerfeld und Gottes Bau. Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister; ein anderer baut darauf. Ein jeder aber sehe zu, wie er darauf baut. Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. Wenn aber jemand auf den Grund baut Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh, so wird das Werk eines jeden offenbar werden. Der Tag des Gerichts wird es ans Licht bringen; denn mit Feuer wird er sich offenbaren. Und von welcher Art eines jeden Werk ist, wird das Feuer erweisen. Wird jemandes Werk bleiben, das er darauf gebaut hat, so wird er Lohn empfangen. Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer hindurch. Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes zerstört, den wird Gott zerstören, denn der Tempel Gottes ist heilig – der seid ihr.“

Wie meist, so hat auch hier das, was Paulus schreibt, einen ganz konkreten Hintergrund. Den kann man rauszufinden versuchen – aber man kann ihn auch auf sich beruhen lassen. Wichtiger ist es, zwei tröstliche Botschaften dieses Briefabschnittes zu erkennen und sich selber sagen zu lassen. Und dann gibt es auch noch eine Mahnung in diesen Zeilen. Die sollte man auch nicht überhören. Wichtiger aber sind die beiden Trostbotschaften. Und die haben beide mit jeweils einer Unterscheidung zu tun.
Bei der einen Trostbotschaft geht es um die Kirche. Bei der anderen um jeden einzelnen Menschen.

Fundament und HausbauDas Wichtigste beim Bau ist die Grundlage, das Fundament: Wenn das nicht stabil ist, macht das Bauen keinen Sinn. Das gilt nicht nur, wenn man eine Hütte bauen will oder ein Haus. Das gilt genauso und noch mehr, wenn man eine Kirche bauen will. Und es gilt nicht nur, wenn man ein Kirchengebäude errichten will. Es gilt genauso, wenn man, wie man so schön sagt, eine Gemeinde bauen will: Das Fundament muss stimmen.
Paulus weiß das. Und er ist fast ein wenig stolz darauf, dass er das weiß: Und so unterläuft ihm ganz kurz ein kleiner Eitelkeitsfehler, den er aber sofort korrigiert: „Nach Gottes Gnade, die mir gegeben ist, habe ich den Grund gelegt als ein weiser Baumeister.“ Als ob er selber diesen Grund gelegt hätte! Stimmt natürlich nicht. Oder jedenfalls nicht ganz. Dass es nicht stimmt, schreibt er sofort selber:
„Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“ Ach, ja klar: Jesus Christus ist der Grund, das Fundament, auf dem der Bau der Kirche, der Bau der Gemeinde errichtet wird. Und dieses Fundament ist natürlich schon längst gelegt worden. Will heißen: von Gott gelegt worden. Christus ist das stabile Fundament. Das Fundament, das nicht wankt oder wackelt.
Ein kleines bisschen was ist aber doch dran an dem, was Paulus im Schwung des Eigenlobs zunächst geschrieben hat: Er hat dieses Fundament zwar nicht wirklich gelegt, aber er hat immerhin gezeigt, wo es liegt: „Hier müsst ihr bauen, meine Lieben. Hier findet ihr den stabilen Grund.“ Und darauf muss man ja hinweisen, davon muss man reden, das muss man zeigen. Von alleine kommt da keiner drauf. Und insofern darf man es dem Paulus ruhig durchgehen lassen, wenn er ganz kurz so redet, als habe er selber den Grund gelegt. Hat er nicht – aber er hat immerhin diesen Grund bekannt gemacht. Und das ist natürlich eine wichtige Aufgabe. Eine Aufgabe, zu der ihn übrigens Gott selber durch Christus beauftragt hat. Gott hat ihn gewissermaßen als Mitarbeiter eingestellt. Und ja, der Mitarbeiter darf schon auch selbstbewusst darauf verweisen, an wessen Werk er da mitarbeitet: „Ich bin Gottes Mitarbeiter. Wir sind Gottes Mitarbeiter. Ihr seid Gottes Mitarbeiter.“
Solches Selbstbewusstsein würde uns Christen heute manchmal guttun. Solches Selbstbewusstsein wäre besser als die Verzagtheit, die wir bisweilen als Christen an den Tag legen. Warum sollte man nur stolz darauf sein, dass man Mitarbeiterin ist etwa bei einem unserer schwäbischen „Weltmarktführer“ oder Mitarbeiter in dieser ganz tollen, urigen kleinen Kneipe oder wo auch immer? „Mitarbeiter Gottes“ – das hört sich richtig gut an. Ich schaue auf Sie alle – und ich sage Ihnen: „Sie sind’s! Glückwunsch!“
„Einen andern Grund kann niemand legen außer dem, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus.“
Zu sagen, dass Christus der Grund ist – das ist eben ganz grundlegend. Und zwar ist das grundlegend für die Kirche bis heute. Man kann auf diesen Grund dann alles Mögliche draufbauen. Manches sollte man dann irgendwann auch getrost wieder einreißen, wenn man merkt, dass es schief und krumm geworden ist.
Das ist tröstlich, wenn man auf das bunte und manchmal schräge und manchmal unansehnliche Leben der Kirche schaut: Da ist gewiss nicht alles perfekt. Und manches muss demnächst vielleicht auch eingerissen werden. Aber das Fundament ist stabil. Wenn einem das klar wird, dann kann man vieles, was einem in unserer Kirche begegnet, sehr viel entspannter betrachten. Es gibt da ja doch manche Merkwürdigkeiten zu betrachten. Aber Christus, das Fundament, ist stabil.
Das ist der eine Punkt. Dann der andere. Auch da geht es um eine Unterscheidung: Jetzt nicht um die Unterscheidung zwischen dem Fundament und dem, was darauf gebaut wird.

Person und Werk. Oder: Wer ich bin und was ich tue.Beim zweiten Punkt geht es um die Unterscheidung zwischen dem, wer wir sind und dem, was wir tun: „Wird aber jemandes Werk verbrennen, so wird er Schaden leiden; er selbst aber wird gerettet werden.“
Um es in den Worten des großen Paulusschülers Martin Luther zu sagen: Hier wird unterschieden zwischen der Person und dem Werk. Das was ich tue, taugt bisweilen nichts. Manches Mal ist es richtig schlecht. Aber deshalb bin ich selber trotzdem nicht verloren. Denn wer ich bin, bin ich durch Christus: Christus ist für mich gestorben. Christus ist für mich auferstanden. Und Christus lebt in mir.
Diese Unterscheidung lässt uns anders auf andere Menschen schauen: Was einer oder eine tut, mag manchmal völlig daneben sein. Aber dennoch ist er oder sie nicht ohne Wert und Würde.
Diese Unterscheidung zu treffen, fällt uns manchmal schwer: Es fällt uns etwa bei manchen Verbrecherinnen oder Verbrechern nicht leicht, in ihnen noch den Menschen zu sehen. Aber man muss gar nicht gleich an extreme Beispiele denken: Wie schwer fällt es uns doch oft, wertschätzend und wohlwollend über Leute zu reden, die bestimmte Dinge einfach ganz anders sehen als wir. Dann wird unsere Kritik schnell persönlich und verletzend. Dann wird aus dem Gegner der Feind – und die Atmosphäre ist vergiftet, Zusammenarbeit kaum noch möglich. Es tut daher unserem Zusammenleben unendlich gut, wenn wir es schaffen, diese Unterscheidung immer wieder anzuwenden.
Aber die Unterscheidung zwischen dem, was einer tut und dem, wer einer ist – diese Unterscheidung ist nicht nur nützlich, weil sie unser Zusammenleben viel angenehmer macht. Sie ist auch tröstlich – im Blick auf uns selbst. Denn wir selber machen ja auch immer wieder Fehler, kleinere und größere.
Und es ist nicht selten, dass solche Fehler oder Versäumnisse uns lebenslang belasten: „Hättest du doch damals nur dies oder jenes nicht getan oder lieber doch getan oder gesagt oder ganz anders gemacht…“ Solche Selbstvorwürfe sind ja ein großes Thema. Vor allem für ältere Menschen, aber nicht nur für sie.
Wie gut ist es doch, wenn einen dann jemand an diese Unterscheidung erinnert. Oder einfach danach handelt: nicht irgendwelche alten Vorwürfe wiederholt. Sondern den anderen, die andere, so nimmt, wie er oder sie ist.
Ich bin nicht einfach nur die Summe meiner mehr oder weniger guten Taten – ich bin jemand, für den Christus sich hingibt.

Trotzdem: Sorgfältig tun, was man tut.Schließlich noch eine letzte Überlegung: Dass man unterscheidet zwischen dem, was einer tut, und dem, was einen als Person ausmacht – das soll nicht dazu führen, dass man die Dinge, die man zu tun hat, nachlässig tut. Diese Mahnung, die auch in dem Predigttext drin steckt, die sollen wir gewiss nicht elegant überhören. Wir wollen ja darauf vertrauen können, dass der andere, der etwas für mich macht, das möglichst gut und sorgfältig macht. Und darum ist es ja nur fair, wenn wir das, was wir für andere tun, auch möglichst gut und sorgfältig erledigen. Unser gemeinsames Leben ist es wert, dass man es wohltuend und liebevoll gestaltet. Denn unser gemeinsames Leben ist der Ort der Gegenwart Gottes. Mit den Worten des Paulus gesagt: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“
Amen.

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