17. Sonntag nach Trinitatis (26. September 2021)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Dr. Henrike Frey-Anthes, Schwäbisch Hall [Henrike.Frey-Anthes@elkw.de]

Römer 10,9-17 (18)

IntentionIn der Predigt geht es um die Freude, die Gottes Wort schenkt. Christinnen und Christen sind Boten für das Wort Gottes. Sie haben viel zu sagen.

10, 9 Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und glaubst in deinem Herzen, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet. 10 Denn wer mit dem Herzen glaubt, wird gerecht; und wer mit dem Munde bekennt, wird selig. 11 Denn die Schrift spricht (Jes 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« 12 Es ist hier
kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen. 13 Denn »wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden« (Joel 3,5).
14 Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger? 15 Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jes 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«
16 Aber nicht alle waren dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jes 53,1): »Herr, wer glaubte unserm Predigen?« 17 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.
(18 Ich frage aber: Haben sie es nicht gehört? Doch, es ist ja »in alle Lande ausgegangen ihr Schall und ihr Wort bis an die Enden der Welt« (Ps 19,5). )

Wie stellen Sie sich eigentlich Paulus vor?Bisher habe ich mir Paulus nicht unbedingt als einen leichtfüßigen Freudenboten vorgestellt. In meiner Vorstellung ist er eher ernst. Sendungsbewusst. Ein etwas schwieriger Charakter. Oft sind seine Worte ziemlich hart. Aber nicht immer. Klar sind sie. Das auf jeden Fall.
Paulus trägt einen alten Mantel. Abgewetzt. Aber er tut es noch. Genauso wie die Sandalen, in denen straubige Füße stecken. Der Mantel hat schon sehr viel gesehen. Die Sandalen auch. Salzwasser und Wüstensand. Gefängnisse und weite Hügel.
So ungefähr ist mein Bild von Paulus. Oder, so war es bisher. Bis heute. Denn da kommt ein anderer Paulus daher. Ein vor sich hin hüpfender Freudenbote. „Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!“ Fröhlich predigt Paulus von der Freude. Vom Vertrauen. Und vom Bekennen.

Sich Worte leihenEr lädt uns ein, mitzumachen. Gottesdienst zu feiern. Fröhlich zu predigen. Mutig zu vertrauen. Redend zu bekennen. Im Hören, Beten und Singen Gottes Wort in unseren Herzen Raum zu geben. Und in unseren Kirchen und Gemeindehäusern. Was mögen diese Räume alles schon gehört haben? Welche stummen Herzensgebete, Stoßseufzer, Tränen und Dankesworte, Bekenntnisse und Hoffnungsschimmer? Welche geliehenen Worte, weil die eigenen nicht mehr ausreichten? Im Gottesdienst leihen wir uns Worte. Wir beten Psalmen und bewegen Bibeltexte in unsren Herzen. Wir sprechen sie nach und singen Lieder, die andere für uns gedichtet haben. So sind wir miteinander verbunden.
Gott vertraut uns seine Worte an. Gott schenkt sie uns. Damit sie uns erfüllen. Damit sie Wurzeln schlagen in unseren Herzen. Uns beleben und erquicken. Das ist das Wunderbare an Worten. Sie fließen durch unsere Kehle ein und aus und werden so lebendig. „Kehle“ und „Seele“ ist auf Hebräisch ein Wort. Was wir zum Leben brauchen, rinnt durch die Kehle. Erquickt die Seele. Und dann will es auf demselben Wege wieder hinaus. Gottes Wort will geredet werden. Ausgesprochen und geteilt. Um andere zu erquicken. So wird das Wort lebendig und belebend. Es findet Widerhall und füllt sich neu. Mit dem Vertrauen des anderen. Der Hoffnung der Nächsten.
Gottes Worte verbinden uns. Es sind genug für alle. Gott ist reich genug, dass seine Worte für alle reichen. Niemand muss etwas für sich behalten. Vertrauen wird mehr, wenn man es teilt. Worte werden stärker, wenn man sie einander leiht. Paulus tut das auch. Er leiht sich alte Worte. Gute Worte. Freuden-Worte. Propheten-Worte: „Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“ „Wer den Namen des Herrn anruft, wird selig werden.“ Und: „Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!“
Paulus hätte andere Worte nehmen können. Solche, die davon sprechen, dass Gottes Wort nicht gehört wird. Dass Menschen ihren Mund und ihr Herz gegen Gott verschlossen haben. Mit erhobenem Zeigefinger könnte er predigen. Aber er tut es nicht. Er möchte, dass die Freude zum Klingen kommt. Das Gute. Die Botschaft davon, dass wir eine Gemeinschaft sind, in der wir gemeinsam Vertrauen üben. In der wir darüber reden, wozu wir uns bekennen. Was uns heilig ist.

Gottes Wort aussprechenManchmal sagt man ja: „Das ist mir heilig“ und meint damit: „Das ist mir wertvoll.“ Und zwar für mich allein. Ein Nachmittag in der Woche. Die Stunde joggen am Abend. Das Arbeitszimmer. Der Urlaub. Das ist mir heilig. Das ist mir wichtig. Das ist wertvoll für mich. Darum pass ich besonders gut darauf auf. Damit es gut aufgehoben ist. Damit das Heilige heil bleibt. Wie eine wertvolle Vase oder eine kostbare Erinnerung. Gut verschlossen in einem Schrank. Man holt es zu bestimmten Zeiten heraus. Zu besonderen Anlässen. Das gute Geschirr mit Goldrand zu Weihnachten. Die besondere Kerze am Geburtstag. Und sorgsam stellt man es zurück bis zum nächsten Mal. Erleichtert. Alles ist heil. Alles ist gut.
Für Vasen und Geschirr mag das richtig sein. Aber nicht für Gottes Wort. Das muss raus. Gottes Wort gehört hinaus aus den Schränken unserer sorgsam gehüteten Herzen. Raus aus den Vitrinen kunstvoller Gedankengebäude und interessanter theologischer Fragen. Wir reden davon. Sonntags. Und im Alltag. Wir behalten Gottes Wort nicht für uns.
Gerade weil das Vertrauen so wertvoll ist, reden wir davon. Wir sprechen vom Guten in einer Welt, in der andere Worte oft viel lauter sind. Worte, die eigentlich so kleinkariert und mickrig sind, dass man sie besser überhören sollte. Worte wie „nur wir“ und „ohne dich“. Sätze wie „Lass es lieber“. „Vergiss es.“ „Du? Meinst du wirklich, du bist dafür der Richtige?“ Solche Worte sind viel lauter als die anderen. Sie sind ja auch realistischer. Vielleicht sogar objektiver. So ist es eben. Der Stärkere gewinnt, und die Lautere wird gehört.
Nur ist es mit dem Glauben und dem Vertrauen eben anders. Skepsis mag realistisch sein. Vorsicht objektiv. Grenzen klar. Da weiß man, was man hat. Woran man ist. Aber Worte überschreiten Grenzen, und Glaube übersteigt die Realität. Glaube ist total unrealistisch. Vertrauen ist subjektiv. Das macht es ja gerade aus.
Unser Glauben ist der Traum von Gottes Reich. Von abgewischten Tränen. Die Idee von „Genug für jeden“. Von Gerechtigkeit und Frieden. Und Vertrauen drückt sich aus in leisen Worten. Worte wie: „Ich brauche dich.“ „Steh auf und geh!“ „Hier ist kein Unterschied.“ „Sei furchtlos. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein.“ Es ist mutig, das zu sagen. Den Mund so voll zu nehmen. Mit solch weitreichenden Worten. Es ist mutig, unrealistisch und subjektiv zu sein. Sich Gottes Wort zu eigen zu machen und es immer wieder neu auszudrücken. Es weiterzugeben, gesättigt mit eigenen Erfahrungen. Mit eigenen Fragen, Hoffnungen und Zweifeln. Mit unserem eigenen Mund und unserem eigenen Zungenschlag.

Wir sind FreudenbotenGott vertraut uns sein Wort an, damit es zu unseren Worten wird. Denn Gott braucht uns: „Wie sollen sie den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie an den glauben, von dem sie nichts gehört haben?“ Gott hat uns sein Wort geschenkt, damit wir davon reden. Füreinander. Miteinander. Wir sind seine Gesandten. Wir alle miteinander. Als Gemeinschaft Gottes. Als Menschen, die so unterschiedlich sind und zwischen denen Gott trotzdem keinen Unterschied macht. Hier ist weder Jude noch Grieche. Weder Protestant noch Katholikin. Weder Schwäbin noch Sachse. Denn wir sind alle eins in Christus.
Freudenboten sind wir. Wie Paulus. Ob er sie sich so vorgestellt hätte?
Die einen tragen Jeansjacken und die anderen einen Mantel, der auch schon bessere Tage gesehen hat. Die Füße stecken in Pumps oder Sneakers. Bei manchen ist der Gang schleppend geworden, und andere hüpfen leichtfüßig daher. Gottes Wort hat in ihren Herzen Wurzeln geschlagen. Sie schämen sich nicht, davon zu reden. Gutes zu sagen und anderen Mut zu machen. Die Freudenboten sind eine Gemeinschaft aus vielen unterschiedlichen Menschen, zwischen denen Gott keinen Unterschied macht. Sie sitzen in unseren Kirchen und Gemeindehäusern. Sie hören und schweigen, beten und singen. Sie leihen sich Worte aus der Bibel und sie leihen einander Worte. Wenn eine schweigen muss, redet ein anderer. Wenn einer der Mund übergeht, dann hört ein anderer zu. Freudenboten. Das sind wir. Amen.

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