18. Sonntag nach Trinitatis (19. Oktober 2025)
Pfarrerin / Studienrätin Stephanie Kscheschinski, Lörrach [stephanieloeffler@t-online.de]
Jakobus 2,14-26
Intention
Die Lehre Luthers, der sich auf Paulus bezieht (Römer 3,28) besagt, dass der Mensch allein aus Glauben gerecht wird, ohne die Werke des Gesetzes. (sola fide, sola gratia). Diese evangelische Lehre vertreten wir bis heute.
Für Jakobus gilt, dass der Glaube ohne Werke tot ist. Jakobus fordert aktive Nächstenliebe, Taten und nicht nur fromme Reden und frommes Für-wahr-Halten.
Der Predigttext kann die Gemeinde verwirren. Was sollen wir denn nun glauben und tun? Die Predigt möchte hier für Klarheit sorgen und aufzeigen, dass der Glaube sehr wohl Folgen für die Lebensführung hat. Dabei sollen die Standpunkte von Jakobus und Paulus dargelegt werden.
Predigttext
2,14 Was hilft`s, liebe Brüder, wenn jemand sagt, er habe Glauben, und hat doch keine Werke? Kann denn der Glaube ihn selig machen?
15 Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung
16 und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch!, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen?
17 So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.
18 Aber es könnte jemand sagen: Du hast Glauben, und ich habe Werke. Zeige mir deinen Glauben ohne die Werke, so will ich dir meinen Glauben zeigen aus meinen Werken.
19 Du glaubst, dass nur einer Gott ist? Du tust recht daran; die Teufel glauben‘s auch und zittern.
20 Willst du nun einsehen, du törichter Mensch, dass der Glaube ohne Werke nutzlos ist?
21 Ist nicht Abraham, unser Vater, durch Werke gerecht geworden, als er seinen Sohn Isaak auf dem Altar opferte?
22 Da siehst du, dass der Glaube zusammengewirkt hat mit seinen Werken, und durch die Werke ist der Glaube vollkommen geworden.
23 So ist die Schrift erfüllt, die da spricht (1. Mose 15,6): „Abraham hat Gott geglaubt, und das ist ihm zur Gerechtigkeit gerechnet worden“, und er wurde „ein Freund Gottes“ genannt (Jesaja 41,8).
24 So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein.
25 Desgleichen die Hure Rahab, ist sie nicht durch Werke gerecht geworden, als sie die Boten aufnahm und ließ sie auf einem andern Weg hinaus?
26 Denn wie der Leib ohne Geist tot ist, so ist auch der Glaube ohne Werke tot.
Ganz schön verwirrend
Liebe Gemeinde! Der heutige Predigttext aus dem Jakobusbrief wirkt auf den ersten Blick etwas verwirrend. Luther hat anscheinend anders gelehrt. Er hat gesagt: Allein aus dem Glauben heraus wird der Mensch selig. Ohne menschliches Dazutun. Ohne Werke. Allein aus Glauben. Luther hat das von Paulus gelernt. Der schreibt im Römerbrief 3,28: “So halten wir nun dafür, dass er Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.“ Das ist unsere gute evangelische Lehre bis heute.
Jakobus nimmt einen anderen Standpunkt ein. Für ihn ist der Glaube ohne Werke tot. Er schreibt: „So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber“ ( Vers17). Und in Vers 24 unseres Predigttextes schreibt er:
„So seht ihr nun, dass der Mensch durch Werke gerecht wird, nicht durch Glauben allein.“
Jakobus kennt den Standpunkt von Paulus und offensichtlich teilt er diesen nicht. Er schreibt regelrecht gegen ihn an, so erweckt es den Eindruck.
Wer redet eigentlich wovon? Versuch einer Klärung
Paulus betont in seinen Briefen, dass Gott uns Menschen zuerst geliebt hat. Deswegen ist es für Paulus und auch für Luther völlig abwegig, dass wir durch gute Werke uns die Gnade und Liebe Gottes verdienen müssen.
Jakobus redet aber von etwas ganz anderem. Er beschäftigt sich mit der Frage, ob sich der Glaube auf unsere Lebensführung auswirkt. Hat der Glaube Folgen für unseren Alltag, für das Leben, das wir führen? Für Jakobus ist ein Glaube, der sich nicht im alltäglichen Leben zeigt, ein reines Für-wahr-Halten. Es ist ein toter Glaube, wenn er nicht aktiv handelt und tätig wird.
Wir merken also, liebe Gemeinde, Jakobus und Paulus reden von verschiedenen Dingen. Der eine von Äpfeln, der andere von Birnen.
Jakobus tut aber so, als ginge es um das gleiche. Vielleicht hat Jakobus den Paulus nicht richtig verstanden. So erweckt Jakobus den Eindruck, für Paulus würden gute Werke als Folge des Glaubens keine Rolle spielen. Das ist aber schlichtweg falsch.
Für Paulus und auch später für Luther gehören gute Werke sehr wohl als Folge zum Glauben dazu. Beide behaupten nirgendwo, dass man nur glauben muss, und dann passt’s schon.
Ich habe nochmals bei Luther in seiner Schrift „Von den guten Werken“ geschmökert. Und da argumentiert Luther, dass der Mensch allein aus dem Glauben heraus zu guten Werken fähig ist. Die Liebe Gottes befähigt uns Menschen dazu, anderen Menschen Gutes zu tun. Und zwar selbstlos. Wir tun das Gute nicht, um uns Gottes Liebe und Gnade zu verdienen, denn das wäre egoistisch. Aber weil Gott uns die Liebe und Gnade im Vorhinein schenkt, bedingungslos, können wir auch selbstlos helfen und anderen Menschen Gutes tun. Wir sind aufgefordert, die Antwort auf Gottes Liebe mit unserem Leben zu geben.
Was bewegt Jakobus?
Jakobus dagegen fürchtet, der Glaube lässt die Menschen in Selbstgefälligkeit erstarren. Er fordert Aktivität und sagt ja auch: „Der Glaube ist ohne Werke nutzlos“ (Vers 20).
Als Beleg für tätigen Glauben greift Jakobus auf zwei alttestamentliche Personen zurück. Er nennt Abraham, der in seinem Glauben bereit war, seinen Sohn Isaak zu opfern. Abraham legt selbst Hand an, baut den Scheiterhaufen auf, legt seinen Sohn darauf und will ihn eigenhändig töten als Opfer für Gott. Gott sei Dank fällt Gott selbst ihm dann in den Arm und zeigt, dass das ein sinnloses Opfer wäre. Das andere Beispiel ist aus dem Josuabuch. Die Hure Rahab versteckt in Jericho feindliche Kundschafter. Das ist lebensgefährlich für Rahab. Aber sie tut es trotzdem und ermöglicht so, dass die Israeliten Jericho erobern können.
Beide Personen führt Jakobus an als Beispiele des Glaubens, der tätig wird, auch wenn die Tat einen hohen Einsatz fordert.
Jakobus greift hier sicher an einem wunden Punkt an. Das Christentum erscheint oftmals als gute Tradition, als Kulturgut. Und tätige Nächstenliebe, auch wenn sie geschieht, ist oftmals nicht sichtbar. Manchmal geschieht sie auch gar nicht. Ich gebe Religionsunterricht an einer Gewerbeschule. Im Gespräch dort mit fast erwachsenen Schülerinnen und Schülern werde ich daran erinnert. Dort fragen sie mich: „Was tut ihr Christen denn für den Frieden?“ Viele sind aus ihren Heimatländern geflohen. Viele haben schlimme, traumatische Erlebnisse. Und jetzt sind sie in Deutschland, sie sind vermeintlich sicher, wollen etwas lernen und eine Ausbildung machen. Und sie erleben die Kirchen als Orte, an denen aus ihrer Wahrnehmung heraus nicht viel passiert. Sie erleben ihr „christliches“ Umfeld als eine Welt, die sehr liberal ist und in der Religion und Jesus Christus nicht vorkommen. Und sie fragen mich, warum das so ist. „Warum redet ihr nicht mehr von Jesus?“, fragen mich muslimische Schüler und Schülerinnen. Und ganz ehrlich, das tut ganz schön weh, so gefragt zu werden.
Ich erzähle dann den Klassen von großen christlichen Persönlichkeiten: von Johann Hinrich Wichern, von Gustav Werner, von Martin Luther und Martin Luther King. Ich erzähle ihnen, was das Diakonische Werk ist und von der großen Aktion „Brot für die Welt“. Ich berichte ihnen von der Seenot-Rettung im Mittelmeer und vom Bündnis United4Rescue, das zusammen mit der EKD Schiffe zur Rettung von Ertrinkenden ins Mittelmeer sendet. Aber weil ich mich selbst als Person, als Lehrerin nicht hinter diesen großen Aktionen verstecken will, erzähle ich auch von Aktionen, an denen ich selbst mitgeholfen habe. Zum Beispiel von der Arbeit in einer Suppenküche, vom Spendensammeln für einen Tafelladen bei uns in der Region. Und ich erzähle ihnen von meiner Arbeit als Gemeindepfarrerin und von Beispielen, wie viele, ganz normale Christenmenschen Nächstenliebe im Sinne Jesu weitergeben. Und durch diese tätige Nächstenliebe wird Christus verkündet. So reden wir also doch über Jesus Christus, auch in unseren „Werken“.
Die Antwort mit dem Leben geben
Jakobus besteht nachdrücklich darauf, dass aus dem Glauben auch Werke und Taten folgen müssen. Und darin ist er sich auch mit Paulus und Luther einig. Immer wieder ruft Paulus zum Beispiel die reichen Gemeinden auf, an arme Gemeinden etwas zu spenden.
Diese Werke der Barmherzigkeit dienen als Richtschnur für christliche Nächstenliebe. Sie sollen den notleidenden Menschen helfen und die Liebe Christi sichtbar machen.
In unserer modernen Welt können wir das noch ergänzen. Wir sind aufgefordert, uns für den Frieden in der Welt einzusetzen. Wir sollen Unrecht, Ungerechtigkeit, Verletzungen der Menschenrechte benennen. Wir sollen gemeinsam nach Lösungen suchen, die Schöpfung zu bewahren, die Umwelt zu schützen und zu schonen.
Da wo ich in meinem Umfeld Not oder Ungerechtigkeit sehe, soll ich helfen. Das kann in der Familie, das kann in der Nachbarschaft sein. Oder im Berufsfeld oder im Klassenzimmer. Oft reicht ja das Benennen und Klären, um wieder Frieden zu stiften. Manchmal sind es Gespräche, Besuche bei Einsamen, jemanden einladen zu einem Kaffeekränzchen oder dem Nachbarn spontan zur Hand gehen, wenn man sieht, er rackert sich gerade mit etwas ab.
Das Ziel des Glaubens
Nochmals zurück zu Jakobus. Den Gegensatz, den er zwischen sich und Paulus und damit auch zu Luther aufbaut, sehe ich so gar nicht. Jesus, Paulus, Jakobus und auch Luther beteuern immer wieder, dass wir von Gott liebevoll aufgefordert sind, auf seine Liebe und Gnade, die er uns schenkt, zu antworten.
Also lasst uns die Antwort mit unserem Leben geben.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.
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