2. Weihnachtsfeiertag (26. Dezember 2023)

Autorin / Autor:
Rundfunkpfarrerin i. R. Dr. Lucie Panzer, Stuttgart [lucie.panzer@web.de]

2. Korinther 8,7-9

IntentionAm 2. Weihnachtsfeiertag sind Menschen im Gottesdienst, die die Weihnachtsbotschaft auch in diesem Jahr schon gehört haben. Sie kommen am 2. Feiertag noch einmal, weil es da ruhiger ist oder weil sie (auch) da allein sind. Vermutlich sind es geübte Predigthörer, die sich in der weihnachtlichen Kirchensprache auskennen. An solche Zuhörer und Zuhörerinnen wendet sich die Predigt mit ihrer Aussage: „Ihr seid reich!“ Sie leiht sich dazu die Worte der Kirchensprache, um in den Zuhörenden Bekanntes und Gewusstes wachzurufen.
Die Predigt am 2. Weihnachtsfeiertag sollte kurz gehalten sein. Das Weihnachtsevangelium kann auch in Liedern erinnert werden, die sich neu einprägen.

Was bleibt von Weihnachten?Was bleibt von Weihnachten? Ein paar Tage Urlaub vielleicht noch, die ruhigere Zeit zwischen den Jahren. Da wird – wie jedes Jahr – bei mir die Frage laut: Und was bleibt nun von all dem, was ich in den Festtagen erlebt, gesehen, gehört habe? Ich denke an den Lichterglanz in den Straßen und in den Gottesdiensten und in meinem Wohnzimmer, an die strahlenden Augen der Kinder, an die wunderbare Musik. Ich denke an das Evangelium, jedes Jahr wieder: „Es begab sich aber zu der Zeit…“ Ich denke auch an ein paar Tränen, weil Menschen nicht mehr da sind, mit denen es an Weihnachten einmal schön war. Aber – Gott sei Dank – ich kann doch auch zurückdenken an viel Liebe, die ich gespürt habe und geben konnte. Geschenke, natürlich, meistens mit Liebe ausgesucht, die Kinder haben Bilder gemalt und gebastelt und wenn sie sagen: „Für dich Oma!“, dann spüre ich auch bei den sonst frechen Rangen die Liebe. Das alles ist Weihnachten. Das bleibt und trägt und macht mein Leben reicher. Ich kann mich noch eine ganze Weile daran wärmen, wenn es wieder Alltag geworden ist.

Ihr seid reichDer Apostel Paulus hat in wenigen sehr alltagstauglichen Worten zusammengefasst, was von Weihnachten bleibt. Sie stehen im 2. Brief an die Korinther (8, 7-9):
„Wie ihr aber in allen Stücken reich seid, im Glauben und im Wort und in der Erkenntnis und in allem Eifer und in der Liebe, die wir in euch erweckt haben, so gebt auch reichlich bei dieser Wohltat.
Nicht als Befehl sage ich das; sondern weil andere so eifrig sind, prüfe ich auch eure Liebe, ob sie echt sei.
Denn ihr kennt die Gnade unseres Herrn Jesus Christus: Obwohl er reich ist, wurde er doch arm um euretwillen, auf dass ihr durch seine Armut reich würdet.“

„Ihr seid reich“, schreibt Paulus den Korinthern. Dabei gehörten die Christen dort in Korinth eher zu denen, die nicht so viel hatten. Aber Paulus findet: Ihr seid reich. Reich in allen Stücken. Reich in dem, was wichtig ist.
Ihr seid reich im Glauben. Ihr wisst, worauf ihr euch verlassen, worauf ihr vertrauen könnt, auch wenn unsere Welt nicht das Paradies ist und keine Blumenwiese. Ihr glaubt an Gott. Ihr vertraut auf Gott, der an eurer Seite ist und bleiben wird. Das ist es, was euer Leben reicher macht. Wie das aussehen kann? Ein junger Kollege, der seinen Beruf aufgibt, weil er etwas Neues sucht, hat mir gesagt: „Ich weiß nicht genau, was als nächstes auf mich wartet. Es wird ein Schritt ins Offene. Aber ich gehe ihn in dem Vertrauen, welches ich auf meiner Pilgerreise nach Santiago de Compostela gelernt habe: Das, was dran ist, wird kommen.“ Wie schön, wenn einer so mutig vorangehen kann. Wie reich man da ist!
Ihr seid reich – auch im Wort, erinnert uns Paulus: Wie schön, wenn man sich erinnern kann an gute Worte, die einem jemand gesagt hat. „Für dich, Oma!“ – das reicht manchmal schon, um einen glücklich zu machen. Aber auch die Worte, die ich schon so gut kenne und die ich gerade jetzt in der Weihnachtszeit erinnere und wieder höre: „Es begab sich aber zu der Zeit… und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln.“ Oder zum Ende der Weihnachtsgottesdienste: „Welt ging verloren, Christ ist geboren, freue dich o Christenheit!“ Einer wird arm, wir anderen werden reich: Ich bin sicher, Sie haben noch mehr solcher Worte im Kopf, die ihr Leben reicher machen. Im Kopf – oder im Herzen. Die Engländer sagen zu dem, was sie auswendig wissen, sie kennen es „by heart“, im Herzen. Worte, die man im Kopf hat, die man by heart kennt, die können einen reich machen.

Reich in der Erkenntnis, sagt Paulus. Er beschreibt die Erkenntnis, die mit Weihnachten zu tun hat: Er schreibt von Jesus Christus: „obwohl er reich ist, wurde er doch arm, damit ihr durch seine Armut reich würdet“. Darin steckt das ganze Weihnachtsevangelium. „Er ist auf Erden kommen arm, dass er unser sich erbarm“ (EG 23,6), hat Martin Luther gedichtet, „das hat er alles uns getan, sein groß Lieb zu zeigen an“. Das ist Weihnachten. Gottes Sohn kommt zur Welt. „Sie gebar ihren ersten Sohn und legte ihn in eine Futterkrippe, denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.“ Und die Hirten, allesamt arme Leute, die erkannten Gott dort, in der Futterkrippe, wo ihr Alltag und ihr Leben war: „und sie kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten“. Weil Gott selbst arm geworden war wie sie, fühlten sie sich reich.

Da wurde ihr Eifer geweckt. Sie wollten, dass das auch andere hören und erfahren: Gott ist einer von uns. Sie breiteten aus, was sie gehört und gesehen hatten. Gott ist bei uns. Er lebt mit uns. Wir können uns auf ihn verlassen. Er ist nicht weit oben, dort, wo nur die Reichen und die Schönen sind. Er ist hier bei uns, da, wo es manchmal nicht gut riecht und wo man nicht weiß, wie es weitergehen soll. Da steht Gott bei denen, die auf ihn trauen. Das hat die Hirten eifrig gemacht. Paulus schreibt: Das kann und sollte auch euch eifrig machen. Eifrig im Geben. Gebt denen, die ärmer sind als ihr. Gebt ihnen Anlass, auch auf Gott zu vertrauen – weil sie merken, dass Mitmenschen ihnen geben. Es ist gut, dass das Spendenaufkommen der Hilfsorganisationen an Weihnachten größer ist als sonst im Jahr. Alle sollen es spüren: Gott kümmert sich auch um uns, denn andere kümmern sich um uns und geben für uns. So können auch die Armen leben. Sie werden immer noch nicht wohlhabend sein. Aber ihr Leben wird reicher. Reicher an Lebensfreude und an Gottvertrauen und an Liebe.

Was bleibt von Weihnachten?Das bleibt hoffentlich noch lange in unseren Köpfen und unseren Herzen, liebe Gemeinde, dieser Satz über Jesus Christus: „Obwohl er reich ist, wurde er doch arm, damit ihr reich würdet.“ Alle. Wir alle. Deshalb können wir singen: „Das hat er alles uns getan, sein groß Lieb zu zeigen an. Des freu sich alle Christenheit und dank ihm des in Ewigkeit“ (EG 23, 7). Amen.

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