9. Sonntag nach Trinitatis (17. August 2014)

Autorin / Autor:
Dekan Dr. Ekkehard Graf, Marbach [Ekkehard.Graf@elkw.de]

1. Petrus 4, 7-11

Liebe Gemeinde!

Diese Sätze stammen vom Apostel Petrus, der zwei Briefe geschrieben hat. Er schrieb sie im hohen Alter, also mit entsprechender Lebens- und Glaubenserfahrung. Worum es Petrus geht, wollen wir in drei Gedankenschritten anschauen: 1. Eine neue Existenz – 2. Eine neue Liebe – 3. Eine neue Aufgabe.

Eine neue Existenz

Das Ende ist nahe, schreibt Petrus. Das klingt wie ein Weltuntergangsszenario, aber es ist keine Weltuntergangsstimmung, die Petrus da verbreitet. Sondern es sind zwei Richtungen, auf die er hier Bezug nimmt. Zum einen ist das Ende nahe, weil wir mit jedem Tag immer näher auf den Tag zugehen, an dem Jesus wiederkommen wird. Das ist das Ziel der ganzen Weltgeschichte, das ist das Ziel unseres eigenen Lebens: dass das Ende nahekommt, an dem Jesus wiederkommt. Deswegen ist das nichts Negatives, sondern ein Termin, auf den wir uns freuen können, denn dann wird es endgültig gut. Das ist die Zukunftsperspektive, die wir Christen immer haben und deswegen fröhlich in Hoffnung sein können.
Die andere Perspektive von diesem Ende ist die, dass Petrus sagt: Bei euch ist etwas zum Ende gekommen und Neues hat sich Bahn gebrochen. Ja, aber was denn? Was war zuvor? Das erläutert der Apostel ein paar Verse vorher. Da schreibt er, dass seine Briefempfänger früher in Saus und Braus gelebt und Götzen gedient haben. Doch nun betont er: Jetzt gehört ihr zu einem neuen Leben. Ihr habt eine neue Existenz in Jesus Christus. Das Alte ist vorbei, das interessiert uns nicht mehr. Lebt mit Jesus in einem neuen Leben.
So hat es Zachäus erlebt, wie wir es in der Schriftlesung gehört haben. Zachäus lebte ein Leben in Saus und Braus. Er konnte sich jederzeit die schönsten Feste leisten, weil er einen großen Gott verehrte, und der hieß Geld. Diesem Gott hat er so sehr gehuldigt, dass er andere betrogen hat, nur um mehr von seinem Gott Geld zu bekommen. Und wenn wir genau schauen: Bei wem spielt dieser Gott nicht auch immer noch eine Rolle? Selbst Christen, die in einer neuen Existenz leben, sind beim Thema Geld unglaublich leicht verführbar. Aber Petrus sagt: Das liegt hinter euch. Jetzt seid ihr in Christus. Ihr habt eine neue Existenz. So hat es sich bei Zachäus ereignet, als Jesus bei ihm zu Gast war. Plötzlich spielte das Geld keine Rolle mehr und die Hälfte seines Besitzes verschenkte er den Armen. Und überall dort, wo er betrogen hat, brachte er es in Ordnung und gab vierfach zurück. Jesus sagte: „Diesem Haus ist Heil widerfahren.“ Da wurde etwas gesund, die Verbindung zu Gott wurde wiederhergestellt. Eine kranke Seele wurde heil und musste nicht länger dem Gott Geld dienen.
Daran erinnert Petrus die Christen in seinem Brief. Daran, dass auch sie heil und frei geworden sind durch Jesus. Aber nun heißt es, nüchtern und wach zu bleiben. Petrus hat es am eigenen Leib erlebt, wie schwer das ist. „Wacht mit mir“, hatte Jesus damals im Garten Gethsemane gebeten. Und was war? Eingeschlafen ist Petrus. Das hat er später bereut, deswegen rät er, unter allen Umständen im Gebet nüchtern und wach zu bleiben. Petrus sagt: Bleibt dran am Gebet! Nicht weil man es muss, sondern weil uns das Gebet Möglichkeiten eröffnet, dass Gott an uns und anderen handelt. Gebet heißt, im Dialog sein, in engster Verbindung. So wie ich mit lieben Freunden telefoniere, so wie ich mit guten Partnern rede, so bin ich mit Gott im ständigen Dialog im Gespräch. Das zeichnet die neue Existenz aus.

Eine neue Liebe

Grundsätzlich gilt: Zuerst bist du von Gott geliebt! Du brauchst überhaupt nichts zu tun und zu machen. Jesus ist die Liebe Gottes in Person. Er hat uns gezeigt, wie sehr Gott uns liebt. Deswegen vergiss es nie: Du bist geliebt! Das kannst du für dich annehmen – ohne Gegenleistung. Du brauchst nichts erbringen. Es gilt, gerade in dem Stress, der dich niederdrückt: Du bist geliebt! Auch dort, wo Krankheit sich in deinem Leben breitmacht: Du bist geliebt! Oder dort, wo dich Menschen zutiefst enttäuscht haben: Du bist geliebt! Genauso dort, wo du über dich selbst enttäuscht und frustriert bist: Du bist geliebt! In dieser Liebe dürfen wir jetzt leben. Das dürfen wir einfach annehmen.
In diesem Wissen, geliebt zu sein, gelingt es uns dann auch, mit anderen liebevoll umzugehen. Petrus sagt: „Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn ‚die Liebe deckt auch der Sünden Menge‘.“ Im Griechischen steht da ein Wort, das man auch übersetzen kann mit: „Liebe in positiver Spannung“. Wie entsteht Spannung? Indem zwischen zwei Fixpunkten eine Verbindung gespannt wird. Das kann eine Spannbetonbrücke sein, von einem Ufer zum anderen. Das kann ein Gummiseil sein, damit die Mädchen im Schulhof Gummitwist hüpfen können. Wenn die Liebe in einer positiven Spannung steht, von einem Pol zum anderen, dann wird etwas daraus im gegenseitigen Nehmen und Geben. So wie Ehepaare zusammengespannt sind in der Liebe. Wenn der eine immer nur nachgibt, ist die Spannung dahin. Dann entsteht keine positive Spannung. Dann wird es einseitig, dann geht es schief. In positiver Spannung sollen wir miteinander leben, in der Ehe, in der Familie, in der Gemeinde. Und wenn es mal wieder nicht geklappt hat, sagt Petrus, dann deckt die Liebe die Menge der Sünden zu. Die Liebe verbirgt viele Fehler. Der Mantel der Vergebung wird darüber gebreitet. Dann muss unsere liebevolle Spannung nicht mehr überspannt sein von dem, was schief gelaufen ist, sondern wir können in Liebe einander bewusst vergeben. Nicht einfach aussitzen oder drei Tage schweigen – da haben ja manche Ehepaare so ihre verschiedenen Strategien entwickelt. Die allerbeste Strategie ist, wie es der Apostel Paulus den Christen in Ephesus zuruft: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen!“ Also redet miteinander und bleibt in der neuen Liebe.

Eine neue Aufgabe

Wir sind in einer neuen Existenz, wir haben eine neue Liebe. Das hat auch ganz praktische Folgen. Glaube wird im Alltag praktisch. Gott begabt uns, Gott schenkt uns Möglichkeiten, uns zu entwickeln und zu entfalten, durch das, was er in uns legt. Petrus zählt an dieser Stelle drei solcher Begabungen durch Gott auf.
Petrus sagt: Seid gastfrei. Den griechischen Begriff kann man auch so übersetzen: Liebe den Fremden. Wir haben viele Fremde bei uns, und derzeit kommen besonders viele aus Ländern, die umkämpft sind. Da können wir es ganz praktisch machen, aus der Liebe Gottes heraus leben und in freundlichem Kontakt sein mit den Menschen, die zugereist sind. Da gibt es in der Nachbarschaft die kurdische Familie mit ihren vielen Kindern. Die kannst du im Vorbeigehen einfach freundlich grüßen. In der nächsten Straße wohnt eine Flüchtlingsfamilie aus Afghanistan oder Syrien. Dort kannst du mal eine Schachtel Eier vorbeibringen. Der Landkreis sucht händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten für weitere Flüchtlinge. Da ist doch noch eine leerstehende Einliegerwohnung in deinem Haus. Lasst uns kreativ darin sein, den Fremden zu lieben. Petrus sagt: So wird Glaube praktisch im Alltag.
Als Weiteres nennt Petrus die Gabe des Predigens. Klar, jetzt lehnen sich alle zurück und sagen: Das soll der Pfarrer machen. Doch im Griechischen steht hier nur das Wort „reden“. Und reden können wir alle. Das heißt, hier sind wir alle gemeint. Wir sollen von dem reden, was wir für Erfahrungen mit Gott machen. Jede und jeder von uns kann davon reden, was Gott an Gutem tut. Es ist nicht nur eine Gabe einzelner, das ist eine Aufgabe aller.
Und dann spricht Petrus noch vom Dienen. Auch da hilft uns nochmals der Blick ins Griechische: Da steht „Diakonia“. Das heißt im wörtlichen Sinn „durch den Staub kriechen“, und bedeutet: Ich mache mich nicht selbst groß, sondern ich komme von unten her, um für andere da zu sein. Ich muss mich nicht selbst hochhalten, sondern ich kann ganz klein sein, um Gott im Leben anderer groß zu machen. Also wahre Diakonie ist, nicht in der eigenen, sondern in der Kraft Gottes am Mitmenschen wirken, um damit Gott zu preisen.
Deswegen endet Petrus mit einem großen Lobpreis: „Gott sei gepriesen durch Jesus Christus. Sein ist die Ehre und Gewalt von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ So dürfen auch wir unseren Glauben praktisch leben. Durch Christus in einer neuen Existenz, bewährt in neuer Liebe und begabt für neue Aufgaben. Amen.

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