Ewigkeitssonntag / Totensonntag (23. November 2014)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Ute Stolz, Weilheim-Hepsisau [ Ute.Stolz@elkw.de]

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Gottesdienstablauf

Lied: EG 579, 1-4 Nun gib uns Pilgern aus der Quelle

Psalm: Hymnus aus dem Johannesevangelium EG 763
Ehr‘ sei dem Vater

Eingangsgebet:
Ewiger Gott,
aus dem Alltag kommen wir zu dir
mit leeren und mit vollen Herzen,
mit unserer Klage und mit unserem Dank.
Nun sind wir hier in dieser Kirche.
Lass uns bei dir sein.
Höre, was wir sagen und was wir nicht sagen.
Gib uns, was uns fehlt und was wir brauchen.
Schenke uns eine Ahnung von deiner Ewigkeit.
Still beten wir weiter, miteinander und füreinander

Du, Christus, bist meine Hoffnung und meine Freude,
meine Stärke und mein Licht.
Meine Hoffnung und meine Freude.

Schriftlesung: 1.Johannes 1,1-4

Glaubensbekenntnis: EG 184,1-5 Wir glauben Gott im höchsten Thron

Predigt

Liebe Gemeinde,
vom ewigen Leben zu predigen, das ist so, als wollte man den Ozean mit einem Teelöffel auslöffeln. Aber ich tu´s trotzdem: Ich predige heute vom ewigen Leben. Ich löffle zwei bis drei Teelöffel aus dem Ozean der Ewigkeit, die wirklich nicht mehr sein können und wollen als ein Hauch, eine Ahnung von etwas, das höher ist als unsere Gedanken verstehen.
So wenig wie eben ein paar Teelöffel sind angesichts der Weite des Ozeans.
„….und das ewige Leben.“
Mit diesen vier Worten endet das Apostolische Glaubensbekenntnis. Immer schon sind diese letzten Worte für mich begleitet von Faszination und Erschrecken. Schon mein kindliches Herz hat wohl gespürt, dass wir damit etwas ganz und gar Großes sagen und bekennen.
Und vielleicht geht es Ihnen wie mir, dass diese großen Worte mal näher sind und mal weiter weg, manchmal auch ganz weit weg, und dies ist für mich viel mehr als die anderen Aussagen des Glaubensbekenntnisses.
Wenn man meint, man habe etwas davon erfasst, dann entzieht sich diese Erkenntnis auch schon wieder wie die Wellen des Ozeans, die kommen und gehen.
Doch etwas so Großes wie das ewige Leben muss sich wohl unserer Verfügung entziehen.
Was wir aber glauben und hoffen ist, dass sich an uns vollziehen wird, was wir „ewiges Leben“ nennen.
In der Schule frage ich bei der Unterrichtseinheit „Sinn des Lebens“ manchmal, was die Schüler auf eine einsame Insel unbedingt mitnehmen würden. Und einmal antwortete ein Junge: „Brot für 1000 Jahre.“ Er war nierenkrank und wusste, dass er nicht mehr lange leben würde, wenn sich kein Organspender für ihn fände. Mit seiner Antwort drückte er seine Hoffnung aus, noch lange, lange zu leben. Vielleicht auch Hoffnung auf „Unsterblichkeit“. 1000 Jahre Leben. Unvorstellbar lang. Also: ewiges Leben?
Und tatsächlich benützen wir das Wort „ewig“ ja meist in dem Sinn, dass wir damit „unendlich“ oder „sehr lange“ ausdrücken wollen.
„Das dauert ja ewig und drei Tage“, sagen wir genervt, wenn wir warten müssen oder wenn uns etwas so lang vorkommt, dass die Zeiger der Uhr sich nicht zu bewegen scheinen. Für Konfirmanden dauern die Predigten im Gottesdienst oft ewig, für mich waren es die Schulstundenstunden in den Naturwissenschaften.
Als sich meine Tochter Lea für ein Jahr von uns nach Kairo verabschiedete, kam mir diese Zeit ewig vor und ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie jemals vergehen würde. Auch die Aussicht, sie nach einem halben Jahr zu besuchen, erschien mir auf dem Bahnsteig in Stuttgart wenig tröstlich.
Aber auch schon ein paar Minuten können uns wie „eine kleine Ewigkeit“ vorkommen, wenn wir beim Arzt sitzen, der uns einen wichtigen Befund mitteilen wird, oder wenn wir es kaum erwarten können, unseren Liebsten oder unsere Liebste wieder zu sehen.
Es gibt auch das Umgekehrte: dass wir uns wünschen, etwas würde „ewig“ dauern, also niemals enden. Ein schöner Urlaub oder eine beglückende Begegnung und der Philosoph Friedrich Nietzsche weiß gar, dass „alle Lust Ewigkeit will“.
Ist nun dieses „ewig“, wie wir es verstehen, auch das vom „ewigen Leben“?

Ist „ewiges Leben“ unendlich langes Leben?

Schlagzeilen vermitteln uns das so, wenn sie berichten, dass Wissenschaftler daran arbeiten, uns „unsterblich“ zu machen. „Ewiges Leben bald möglich?“ lesen wir dann oder etwas bescheidener „Jeder kann bald über 100 Jahre alt werden.“
Mit Ewigkeit im Sinn von „ewigem Leben“ aber hat das wenig zu tun. „Ewiges Leben“ ist keine Verlängerung unserer Vorstellung von Leben. Ewigkeit ist nicht Unendlichkeit, meint nicht unendlich lang oder endlos.
Denn Unendlichkeit ist zwar nicht begrenzt, aber doch der Zeit und dem Raum verhaftet. Sie ist Zeit, die nicht endet, aber immer noch Zeit.
Ewigkeit jedoch ist außerhalb von Zeit und Raum und trotzdem können wir bereits in unserem Leben schon eine Ahnung davon bekommen.
Konstantin Wecker beschreibt diese Ahnung in seinem Buch „Die Kunst des Scheiterns“ so: „Der Schmerz über den Verlust meiner Karriere, meines Ansehens und meiner wirtschaftlichen Existenz verwandelte sich in Achtsamkeit und Ruhe. Fast jeden Morgen ging ich den Berg hoch und freute mich an der Natur, die sich um meinen Ruf und um meine finanziellen Nöte nicht scherte. Mir wurde wieder vor Augen geführt, wie unwichtig äußerlicher Schein angesichts der Ewigkeit ist. Meine Frau war schwanger und von einem bewundernswerten Gottvertrauen. Und ich war in meinem Leben noch nie so sehr bei mir selbst, mir so vertraut und so einig, so ‚von guten Mächten wunderbar geborgen‘ wie in dieser schrecklichen Zeit.“
Ich machte so eine Erfahrung im letzten Sommer, als ich auf dem Reußenstein im Gras liegend eine Weile geschlafen hatte, langsam wieder wach wurde, meine Augen aufschlug und den so blauen Himmel sah und die uralten Mauern des Reußensteins. Das war ein Wink der Himmels, und ich war fraglos und sprachlos glücklich und fühlte einen Herzschlag lang Ewigkeit. Wir kennen das auch aus Momenten, in denen wir wunderschöne Musik hören oder neben einem geliebten Menschen stehen oder das Strahlen eines Kinders sehen.
Ewigkeit können wir nicht erdenken und auch nicht erklären oder erforschen. Ewigkeit erleben wir, und wenn das geschieht, dann ist es sehr beglückend. Nicht umsonst sagen Menschen, dass sie gerade in so einem Augenblick hätten sterben können, ohne Angst und ohne Bedauern, weil sie ganz im Moment aufgehoben waren.
Wenn Raum und Zeit keine Rolle mehr spielen, kommen wir in die Nähe dessen, was „ewiges Leben“ bedeuten kann.
Ewiges Leben, von dem wir doch sagen, dass wir daran glauben und darauf hoffen.
Übrigens taten das die Menschen schon lange, bevor es das Christentum gab. Schon bevor sich der Glaube an die Auferstehung und an ein Leben nach dem Tod verdichtete in der Person Jesu Christi.
Ewiges Leben und der von den Toten auferweckte Christus
Nun aber ist ohne ihn – ohne Jesus Christus – das „ewige Leben“ für uns nicht mehr vorstellbar.
Hier nochmal ein Beispiel aus der Schule, weil Kinder so unnachahmlich direkt und unverstellt denken und dabei viel ehrlicher sind als wir Erwachsenen.
Eine Kollegin wurde in der Grundschule von einem Mädchen gefragt, nachdem sie die Ostergeschichten behandelt hatten: „Und wann stirbt der Jesus dann wirklich?“ Etwas irritiert fragte die Kollegin nach, denn sie verstand das Kind zunächst nicht. Und das Mädchen insistierte. „Ich versteh schon, dass der Jesus auferstanden ist, aber irgendwann stirbt er doch dann in echt und ist richtig tot.“ Und damit meinte sie den Tod, den wir alle sterben müssen.
Unvorstellbar war es der Schülerin, dass Christus „von den Toten auferweckt, hinfort nicht stirbt“ und der Tod nicht mehr über ihn herrschen kann, wie Paulus im sechsten Kapitel seines Römerbriefs schreibt.
Und wenn wir ganz ehrlich sind, ist uns das doch oft genauso unvorstellbar. Es passt einfach nicht in unseren Verstand,
Dass der gekreuzigte und auferstandene Christus für immer bei Gott lebt und wir sagen: weil dieser eine lebt, gibt es eine Auferstehung der Toten. Weil dieser eine lebt, werden alle leben, die sich vertrauend auf ihn einlassen. Alle, die in der Schicksalsgemeinschaft mit Jesus stehen, die er von sich aus gestiftet hat, werden Anteil haben am Sieg Gottes über den Tod. Unvorstellbar!
Dass Jesus durch seine Auferstehung nicht in das irdische Leben zurückgekehrt ist. Dass er den Tod, diese letzte Grenze, endgültig hinter sich gelassen. Unvorstellbar!
Schon allein, dass wir von einem „Leben nach dem Tod“ sprechen, zeigt, dass uns für die Ewigkeit unsere Worte ausgehen. Dass uns die Worte fehlen. Denn die zeitliche Einordnung in „vor“ und „nach“ ist irreführend.
Die Ewigkeit ist nicht bestimmt durch „vor“ und „nach“. Sie ist vielmehr ein unsere Dimensionen von Raum und Zeit sprengendes neues Leben bei Gott. Nicht ein endloses „Weiter“: Weiterleben, weitermachen, weitergehen, weitermüssen. Sondern etwas ganz Neues. Etwas ganz Anderes. Etwas, das wir nicht erdenken können. Aber das wir hoffend erwarten.
Das ewige Leben und das Leben hier auf der Erde
Und gerade indem ich das schreibe, wird es mir unbehaglich. Denn jetzt könnte jemand sagen:
„Na klar. Hoffend erwarten.
Ihr vertröstet die Leute in der Kirche ja doch nur darauf, dass es irgendwann im Jenseits besser wird. Das reicht mir nicht. Ich will, dass sich im Hier und Jetzt etwas tut
Und noch viel schlimmer: Ihr erzählt den Leuten, dass das Leben auf der Erde nichts wert sei gegenüber den Freuden der Ewigkeit. Ich lasse mir meine Lebensfreude aber nicht madig machen.“
Beides wäre eine schreckliche Pervertierung der Hoffnung auf ein ewiges Leben. Wer sagt, man könne ja sowieso nichts tun und müsse halt auf den Himmel warten, der hat von Gott und von der Botschaft Jesu nichts verstanden.
Und wer Erdenleben, Erdenliebe und Erdenglück abwertet gegenüber dem „ewigen Leben“, genauso wenig.
Denn wir glauben an ein ewiges Leben, gerade weil wir Ja sagen zum Leben hier auf der Erde und das aus Liebe zum Leben. Wir wollen und dürfen auf Erden glücklich sein wie Heinrich Heine dichtet „mit Brot genug und Rosen und Myrten, Schönheit und Lust und Zuckererbsen nicht minder“.
Aber – überlassen wir deshalb den Himmel den Engeln und Spatzen?
Im Gegenteil: weil wir das Leben lieben, lassen wir uns die Hoffnung nicht nehmen, dass all das Gute, all das Leben und Lieben nicht in eine letzte Vergeblichkeit versinkt.
Und so lieben wir auch das Leben nach dem Tod, denn die Liebe zum Leben ist so unteilbar, wie Gott unteilbar ist in einen Gott des Himmels und in einen Gott der Erde. Gott ist von Ewigkeit zu Ewigkeit, er ist „alles in allem“.
Wir sind gewiss nicht auf der Erde, um auf den Himmel zu warten. Wir sind auf der Erde, um hier und jetzt wahrhaft menschlich zu leben. Und gerade weil wir das Leben vor dem Tod lieben, glauben wir an ein Leben nach dem Tod und wehren uns gegen die Mächte des Todes, gegen Hoffnungslosigkeit und gegen Menschenverachtung.
Unsere Treue zur Erde ist zutiefst theologisch begründbar. Denn wir leben und schaffen durch unseren Glauben einen neuen Zusammenhang von Himmel und Erde.
Die Erde weist uns auf den Himmel Gottes: Unsere Treue zur Erde muss offen für den Himmel bleiben, damit sie nicht zum Machbarkeitswahn verkommt.
Und der Himmel Gottes verweist uns auf die Erde: Die Hoffnung auf den Himmel muss geerdet bleiben, damit sie nicht ins Leere und Schwärmerische abgleitet.
Himmel und Erde gehören zusammen und werden zusammengehalten vom ewigen Gott.
Alles andere, alles Reden von ewigem Leben losgelöst vom Leben auf der Erde, ist blanke Theorie und wird von den Kritikern des Christentums zu Recht Vertröstung und genauso zu Recht „billige Vertröstung“ genannt.
So dichtet auch Marie Schmalenbach in dem Lied, das wir nachher singen werden: „Brich herein, süßer Schein, selger Ewigkeit, brich in unser armes Leben unsern Füßen Kraft zu geben, unserer Seele Freud.“ Der Schein der Ewigkeit soll sich in unserem Leben zeigen, damit wir Kraft haben und uns freuen können. Kein Erdenleben ohne den Glanz der Ewigkeit.
Und wenn wir gefragt werden oder uns selbst fragen: Wozu dieses Leben?, so ist die Antwort des Glaubens eindeutig: Mensch und Welt sind nicht zur Zerstörung bestimmt, auch wenn es oft so aussieht, sondern zur Vollendung, die uns durch Gott selbst zukommen wird im Leben der zukünftigen Welt. Im Glauben an diese Vollendung sind wir angewiesen, Taten der Hoffnung zu tun: Dies kann geschehen im Beten und im Lieben genauso wie im Kämpfen.
Wer also an ein „ewiges Leben“ glaubt, der geht nicht unbedingt leicht durchs Leben. Wer hier in diesem Leben auf der Erde, in das wir alle hineingestellt sind, die Hoffnung auf Gottes ewiges Leben auch praktisch durchhalten möchte, übernimmt eine große Verantwortung und hat viel vor.
Aber genauso bedeutet der Glaube an ein ewiges Leben, dass diese Welt, mein Können und Vermögen, mein Versagen und meine Schuld nicht das Letzte sind und dass ich die Welt nicht retten muss.
Noch einmal Marie Schmalenbach im Lied: „Ewigkeit in die Zeit leuchte hell hinein, dass uns werde klein das Kleine und das Große groß erscheine, selge Ewigkeit.“ Angesichts der Ewigkeit wird das, was wir auf Erden manchmal so absolut setzen, ins rechte Licht gerückt und bekommt das Gewicht, das ihm zusteht.

Ewiges Leben – Leben ganz bei Gott

Und so vertrauen wir, dass wir einmal von Schuld befreit und ganz angenommen sein werden und ohne Angst Gott gegenüberstehen. Wir glauben, dass unser oft so verworrenes und zerfleddertes Leben einmal endgültig erhellt wird und wir erkennen, welcher Sinn in dem lag, was wir erlebt und erlitten haben, was uns gelungen ist und woran wir gescheitert sind.
Letztlich werden wir hoffentlich erfahren, was unzählige Mütter und Väter auf der Welt ihren Kindern sagen, wenn sie Angst haben oder verzweifelt sind: „Alles wird gut.“ Oder: „Ich bin bei dir, alles ist gut.“
Leben ganz bei Gott, bedingungslose Liebe. Eben Selge Ewigkeit.
Unübertroffen schön sagt das für mich der Seher Johannes auf den letzten Seiten des Neuen Testaments in Sätzen der Verheißung und der Hoffnung, mit denen ich schließen möchte:
„Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde, denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen und das Meer ist nicht mehr. Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach. Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen und sie werden sein Volk sein und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein. Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Lied noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein, denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß sprach. Siehe, ich mache alles neu.“
Amen.

Lied: 680, 1-4 Brich herein, süßer Schein, selger Ewigkei

Gebet:

Gott des Himmels und der Erde,
in dir sind Zeit und Ewigkeit,
hier und dort,
gestern, heute und morgen verbunden.

Ob wir sterben oder leben,
in deiner Liebe sind wir geborgen.

Gib uns in der Treue zur Erde
die Weite des Himmels.

Öffne uns das Tor zur Ewigkeit,
wenn wir in Kleinkrämerei gefangen sind.

Stelle uns auf den Boden der Tatsachen,
wenn unsere Visionen uns selbst und andere
überfordern.

Schenke uns die beglückende Ahnung,
in der Zeit und Raum versinken
und wir spüren, wie wir leben in deiner Gegenwart.

Segne die Tage, die kommen,
und lass uns jeden Morgen neu dein Licht entdecken,
deine Wunder schauen
und deiner Verheißung trauen,
mit der du uns versprichst: Siehe, ich mache alles neu.
Und gemeinsam beten wir: Vater unser…

Lied: EG 533, 1-3 Du kannst nicht tiefer fallen als nur in Gottes Hand

Abkündigungen

Segensstrophe EG 574 Nichts soll dich ängsten

Segen

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