Ostersonntag (20. April 2014)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Martina Servatius, Laupheim [Martina.Servatius@elkw.de]

1. Korinther 15, 19-28

Liebe Schwestern und Brüder!
Die kürzeste Osterpredigt, die ich kenne, dabei eine der überzeugendsten, hing lange Zeit bei uns im Dorfpfarrhaus auf dem „Örtchen“. Von Kinderhand gemalt stand da:
„Ostern is toll.
Aber ged auch suende.
Aber kommt wider.“
Ich glaube, diese Osterkurzpredigt kann uns helfen, die etwas längere des Paulus zu verstehen. Denn dahin will uns dieses Fest doch bringen, dass wir – hörend und denkend, fühlend und singend – erkennen: Ostern ist toll. Lassen wir uns also von Kinderhand leiten:

I. Ostern ist toll
Für mich haben diese drei Worte etwas unglaublich Erfrischendes. Ich glaube, dass alle, die heute einen Gottesdienst besuchen, sich dieses Erfrischende erhoffen. Und ich habe das Gefühl, dass auch die Leute, die heute nicht in einer Kirche sind, ja sogar diejenigen Männer und Frauen, die auf die Frage „Woran denken Sie, wenn Sie ‘Ostern‘ hören?“ die Antwort „Langeweile mit der Familie“ ankreuzen würden. Ich habe das Gefühl, dass auch sie irgendwo auf dieses Erfrischende warten. Dass es zumindest willkommen wäre.
In all dem Banalen, Hilflosen, postmodern Hasenfröhlichen, traditionserstarrt Informativen oder betulich Aufklärerischen, das sich dieser Tage wieder an den Postkartenständern und in den Zeitungen findet – in all dem kann man doch einen Bedarf erkennen. Vielleicht sogar eine Not. Auf jeden Fall aber einen Bedarf nach dem entwaffnend einfachen, unverschämt erfrischenden Bekenntnis: Ostern ist toll.
Kein verschämtes Verstummen landeskirchlicher Normalchristen; auch kein „Das musst du aber glauben, sonst bist du verloren!“ mit dem strengen Blick mehr fundamentalistisch Gesinnter. Sondern ein Nachgehen der biblischen Zeugnisse, ein Nachspüren, Nachempfinden grundstürzender Erfahrungen. So gründlich, dass der Verstand ahnt, was für eine umwälzende Botschaft dieses Fest enthält. So eindringlich, dass das Herz erschrocken und erfreut bekennt: „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten“ (V 20).
Wir sind hier am Dreh- und Angelpunkt deines Lebens. Aber auch am Dreh-und Angelpunkt der Weltgeschichte. „Denn wie sie in Adam alle sterben, so werden sie in Christus alle lebendig gemacht werden“ (V 22). Wir müssen alle sterben. Ja. Aber an Ostern setzt die Gegenbewegung ein: Wir werden alle lebendig gemacht in Christus. Ja, diese Welt wird vergehen. Aber am Ende wird Christus Gott dem Vater das Reich übergeben (V 24), und Gott wird sein „alles in allem“ (V 28). Gegen die Auferstehung ist auch im Frühling 2014 kein Kraut gewachsen. Wie der Tod so ist die Auferstehung ein Naturereignis. Und gegen dieses Naturereignis ist alle Gegenwehr nutzlos. Da kannst du nichts machen. Sterben kann ein Mensch selbst; aber sich selber auferwecken kann kein Mensch. „Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden, und wie in Adam alle sterben, so werden in Christus alle lebendig gemacht.
Ostern ist das Gründungsereignis einer Widerstandsbewegung. Einer Bewegung gegen Tod und Hass, Ausbeutung und Entwürdigung. Wir brauchen das Osterfest, um an die Widerstandskraft zu erinnern, die Gott in Jesus in diese Welt geschickt hat. Die Menschen haben sie hinausgekreuzigt aus der Welt. Aber Gott hat sie wieder lebendig gemacht. Wir brauchen das Osterfest auch, um die Widerstandskraft in uns selber wieder zu spüren. Wir Christen führen Wahlkampf für eine Liebe, die dem Tod gewachsen ist.
Denken Sie sich Ostern weg! Denken Sie sich die Botschaft von Jesu Auferweckung weg! Dann gibt es keine Opposition mehr gegen die Herrschaft des Geldes, gegen die gnadenlose Vernutzung und Verwertung menschlichen Lebens, gegen das Recht des Reicheren, Mächtigeren, Gesünderen. Keine Opposition mehr gegen den Tod und seine rechte Hand: die Angst. Wer meint, er könne mit Ostern nicht mehr viel anfangen, der stelle sich vor, was Ostern für die landlosen Bauern in Argentinien bedeutet; für die Christen in Syrien; für die aidskranke Mutter in Sambia, die heute ihr drittes Kind zur Welt bringt; für die Männer und Frauen, denen man medizinisch nicht mehr helfen kann… Wenn dir die Botschaft von der Auferweckung wirklichkeitsfern vorkommt, dann ist das ein Alarmzeichen. Dann ist dein Herz vielleicht schon viel zu sehr der nüchtern bilanzierenden Haben-Seite verhaftet: „Ich hab, was ich brauch. Ich krieg, was ich will. Der Tod ist noch weit. Und anderen kann ich sowieso nicht helfen.“ „Hoffen wir allein in diesem Leben auf Christus, so sind wir bemitleidenswert“, meint Paulus. Und wenn dir eines Tages die Aussicht auf Auferstehung Angst macht, dann bist du vielleicht unbemerkt auf die Seite der Täter, der Gegner, auf die Seite des letzten Feindes geraten. Aber die Botschaft vom Auferstandenen will alle in den Zug zum Leben ziehen.
Auferstehung bedeutet ja nicht die Verlängerung irdischer Verhältnisse ins Ewige, sondern Auferstehung schließt ein: Vergebung, Läuterung, Gerechtigkeit, Heilung und Vollendung alles verletzten, verstümmelten und abgebrochenen Lebens. – „Nun aber ist Christus auferstanden von den Toten.“ Wir brauchen die Widerstandskraft, die dieser Glaube in unseren Herzen wachsen lässt.
„Ostern ist toll.“ Das war das Erste.

II. „…aber ged auch suende“
Das ist das Zweite. Der kindlichen Erfahrung entspricht die erwachsene: Wir müssen immer wieder durch den Karfreitag hindurch. Der Tod reißt uns Menschen von der Seite. Krankheit zieht uns mit Leib und Seele nieder. Die allernächsten Menschen brechen uns das Herz. Wir rufen – wie Jesus – „Mein Gott …!“ und spüren keine Antwort. Wir sehen, wie sich Völker in Hass, Terror und Gegenterror zerfleischen. Wie sich Wissenschaftler immer neue und perfektere Waffen ausdenken, während sich Krankenstationen im Süden Afrikas keine Einmalspritzen leisten können oder Medikamente gegen Aids. Und Fukushima strahlt noch immer vor sich hin; seit drei Jahren…
Paulus spricht von einem Kampfgeschehen (V25f). Christus „muss herrschen, bis Gott ihm alle Feinde unter seine Füße legt. Der letzte Feind, der vernichtet wird, ist der Tod.“
Dieser Kampf ist noch nicht zu Ende. Die biblischen Zeugen machen uns da nichts vor. Paulus z.B. hat den Kampf gegen Krankheit am eigenen Leib erlitten… Der Kampf ist noch nicht zu Ende, aber die Wende ist vollbracht. Durch Christus. Der hat das Leben in allen seinen Höhen und Tiefen durchlebt und durchlitten. Der hat es hingegeben für uns. Und Gott hat ihn mit neuem Leben beschenkt; mit unvergleichlich lebendigem Leben; mit Leben, das dem Tod gewachsen ist, das sich himmelhoch über den Tod erhebt; das von dort herunterlacht befreiend bis ins Mark, uns Mut machend, die wir noch kämpfen.
So sollen wir es auch erleben. In unserem Karfreitag, am tiefsten Punkt unserer Existenz, im Abgrund des Todes geschieht die Wende, der Durchbruch – aus Gottes schöpferischer Liebe.
Der den Tod überwunden hat, kämpft für uns, kämpft mit uns, kämpft um uns. Beginnen wir zu begreifen, was das bedeutet? Dann lasst uns der österlichen Widerstandsbewegung beitreten. Diese setzt Tod und Hass, Ausbeutung und Entwürdigung den Widerstand des Christus entgegen: eine unbändige Liebe. – Ja, Ostern geht auch zu Ende.

III. „Aber kommt wider“
Das ist das Dritte. Und einmal kommt es endgültig und unangefochten wieder. „Wenn Christus das Reich Gott, dem Vater übergeben wird… damit Gott sei alles in allem.“
Joseph Beuys hat vor dreißig Jahren ein Kunstwerk geschaffen mit dem Namen „Olivestone“, Olivenstein. Da stehen fünf große, 300 Jahre alte, Steintröge aus handbehauenem Sandstein. Jeder für sich imponierend in seiner elementaren Form und mit der Präsenz der Jahre und Geschichten. In diese fünf Steintröge nun ließ Beuys fünf ebenfalls handgehauene Steinquader einpassen. So, dass eine ca. einen Zentimeter breite Rinne zwischen dem äußeren und dem inneren Stein blieb. In diese Rinne nun füllte er Olivenöl. Warmes, quasi lebendiges, fließendes Olivenöl. Bis obenhin. Und das Öl drang in den Stein. Das Weiche durchdrang das Harte, das Warme das Kalte, das Lebendige das Tote. Für mich ist dieses Kunstwerk zu einem Sinnbild geworden. Wie das Öl den Sterin, so durchdringt die Liebe Christi diese Welt und alles, was in ihr und in uns hart, kalt oder tot ist. Und das ganze Geschehen ist von ergreifender Schönheit. (http://www.rheinische-art.de/cms/topics/joseph-beuys-verteidigung-der-natur--difesa-della-natura--in-zuerich.php)

Ostern kommt wieder. Die subversive Kraft der Liebe wirkt weiter. Bis alles von ihr durchdrungen ist, und Gott ist „alles in allem“.

Und wenn wieder jemand über Ostern die Nase rümpft, oder dein Kollege sagt: „Wie kann man heute noch an die Auferstehung glauben?!“, dann frage zurück: „Mensch, willst du ohne diese Hoffnung leben?“

Begreifen wir, was das Kind begriffen hat?
Ostern ist toll.
Aber geht auch zu Ende.
Aber kommt wieder.

Amen.

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