4. Advent (18. Dezember 2022)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Eva Ulmer, Weil der Stadt [Eva.Ulmer@elkw.de ]

Philipper 4, 4-7

IntentionWie soll ich mich an Weihnachten freuen, in Zeiten wie diesen? Das fragen sich viele. Im Predigttext gibt Paulus Rat, der auch schlimme Zeiten erlebt. „Lebt aus der Freude, dass Gott nahe ist“, rät er. Dann werdet ihr auch für andere ein Grund zur Hoffnung. Zu dieser Zuversicht will die Predigt gegen alle Widersprüche aufrufen.

Vielleicht kennen ja einige von Ihnen den schwäbischen Komiker Uli Keuler. Der erzählt in einem seiner Kabarett-Programme von „Omas Geburtstag“. Darin werden die Freuden und auch größere und kleinere Missgeschicke einer Familienfeier, eben Omas Geburtstag, beschrieben. Und als die Stimmung dann ziemlich angespannt ist, sagt der Sohn zu seiner Mutter, der Oma: „Jetzt setz dich halt hinter deine Torte und freu dich.“
Dieser Spruch begleitet mich in allen möglichen und unmöglichen Alltagssituationen – ich zitiere ihn gerne. Einfach, weil ich es witzig finde und gleichzeitig mitleide, dass die arme Oma sich jetzt so auf Knopfdruck freuen soll.
Und jedes Mal wenn ich den Abschnitt aus dem Philipperbrief lese, der uns heute als Predigttext gegeben ist, muss ich auch dran denken.

„Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!
Eure Güte lasst kund sein allen Menschen! Der Herr ist nahe!
Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden!
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“

„Jetzt setz dich halt hinter deine Torte und freu dich“, sagt Uli Keuler. „Freuet euch im Herrn allewege, und abermals sage ich: Freuet euch!“, sagt Paulus.
Aber was ist, wenn Oma sich nicht hinter ihre Torte setzen und sich freuen will? Weil sie es nicht kann. Weil der Familienstress ihr die Feierlaune verdirbt.
Was ist, wenn ich der Aufforderung von Paulus nicht nachkommen kann oder will? Weil die Sorgen im Leben gerade zu groß sind. Weil ich um einen geliebten Menschen trauere? Weil ich mich einfach nicht auf Befehl und Knopfdruck freuen kann.

Es scheint fast, als hätte Paulus unsere Einwände bereits im Kopf gehabt, als er seinen Brief an die Gemeinde in Philippi schrieb. Und auch Paulus selbst war in dieser Zeit seines Lebens keineswegs immer zum Freuen zumute. Er saß nämlich mal wieder im Gefängnis, weil er wegen seines Glaubens verfolgt wurde.
Trotzdem ruft er uns gleich zweimal auf, uns zu freuen. Tut es einfach. Setzt euch hin und freut euch.
Der Grund ist auch klar. Der Herr ist nahe. Für Paulus und seine Zeitgenossinnen und Zeitgenossen war das eine Realität. Sie rechneten jeden Tag damit, dass Jesus wieder kommt und die Welt mit ihrem Jammer ein Ende hat. Dann, hat er geglaubt, dann kommt Gottes neue, gute Welt. Bei uns ist das anders. Wir wissen, dass die Wiederkunft Christi nicht in Jahren, Jahrzehnten oder Jahrhunderten gemessen werden kann. Trotzdem erinnern wir uns in der Adventszeit, dass Gott in diese Welt gekommen ist. Als Kind in der Krippe. Der Herr ist nahe – in unserem Leben. Überall da, wo wir uns auf die Sache mit Gott einlassen. Auch wenn uns nicht immer zum Jubeln zumute ist. Wenn wir selbst gefangen sind in den Verstrickungen unseres Alltags. In der Tretmühle des Berufs, in schwierigen Familienverhältnissen, im Leiden an einer schweren Krankheit.
Freut Euch – der Herr ist nahe.
Es klingt wie eine trotzige Gegenüberstellung, die Paulus uns da zumutet. Der Lebensrealität mit ihren Hoffnungen – den erfüllten und enttäuschten – wird die Freude entgegengestellt. Religionskritiker werden da einwenden, dass wir ja nur Träumen hinterherhängen würden. Die Lebenswirklichkeit sehe schließlich ganz anders aus.

Auch hier scheint Paulus unsere Einwände geahnt zu haben. Im nächsten Vers erinnert Paulus uns, dass wir für einen Moment unsere Sorgen vergessen sollen. „Sorgt euch um nichts, sondern in allen Dingen lasst eure Bitten in Gebet und Flehen mit Danksagung vor Gott kundwerden.“
Das klingt wieder nach religiöser Träumerei. Und ist doch sehr bodenständig gedacht.
Denn wir können die Welt nicht retten – so gerne wir das täten. Aber wir können unsere Sorgen an den abgeben, der es kann. An Gott. Das heißt nicht, dass wir unsere eigene Verantwortung nicht wahrnehmen sollten. Aber wir müssen uns nicht entmutigen lassen von den schlechten Nachrichten dieser Welt. Unsere Sorgen brauchen uns nicht zu zerfressen. Wir dürfen sie Gott als Gegenüber vorhalten. Ruhig auch mal mit deutlichen Worten.

Vorhin haben wir den Lobgesang der Maria gebetet. Die ist ein Beispiel für die Freude über Gottes Nähe, auch wenn das Leben dagegen spricht.
Eine junge, unverheiratete Frau wird schwanger…da kam damals nicht immer Freude auf, genauso wenig wie heute. Und doch. Maria lobt Gott. Inmitten aller Unsicherheit, die in ihrem eigenen Leben ist. Und in ihrem Gotteslob ist eine große Gewissheit. Für sie ist das Gegenwart. Sie spricht davon, was Gott tut – nicht tun wird. Die Mächtigen vom Thron stoßen und die Niedrigen erhöhen. Die Hungrigen speisen und die Reichen leer ausgehen lassen. Ihre Freude ist also eine Realität in ihrem Leben.
So wie bei Paulus. Auch wenn er gerade im Gefängnis sitzt. Er verliert die Hoffnung nicht. Er lässt sich nicht unterkriegen. Er hält fast trotzig am Glauben fest.
„Sorgt euch nicht“, sagt Paulus den Philippern. Und er führt seine Gedanken weiter. „Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.“ So beendet er übrigens auch viele seiner Briefe. Paulus spricht da von einem Frieden Gottes, der unsere Vorstellungen übersteigt. Das ist der Friede, der im Alten Testament „Shalom“ genannt wird. Ein Frieden, der unserem Leben Bestand geben wird. Dieser Friede ist auch angesichts unserer heutigen Herausforderungen möglich. Er wächst und breitet sich aus, wenn wir diesen Frieden leben. Also so leben, wie unser Herz uns leitet. Wir können dabei auch Zeichen für Gottes Güte setzen. Da müssen wir nicht gleich die Welt retten. Aber in unserem Alltag dafür sorgen, dass die Nähe Gottes spürbar wird. Andere tun es auf ihre Weise auch. Und wenn wir genau hinschauen, können wir diese Hoffnungszeichen in unserer Welt, in unserem Leben auch erkennen. Hoffnungszeichen, die im weitesten Sinn von der Kraft der Liebe und Güte, vom gegenseitigen Verstehen, vom gemeinsamen Bemühen ausgehen. Das können politische Entscheidungen sein, wie Friedenspläne zwischen zwei Kriegsparteien. Aber auch Schritte in unserem Leben. Ein freundliches Wort, eine helfende Hand.

Und dann- kommt dann Freude auf? Reicht es, ein guter Mensch zu sein?

Ich denke, die drei zentralen Punkte, die Paulus in diesem Abschnitt nennt gehören zusammen. Sie ergänzen sich. Und sind gleichzeitig jeder für sich ein wichtiger Aspekt im Leben eines Christenmenschen.

„Freuet euch in dem HERRN allewege.“

Nein, wir müssen als Christenmenschen nicht immer und ausschließlich mit erlöst-selig-guter Laune durch die Welt laufen.
Es handelt sich bei der Freude des Glaubens um eine ganz tiefgehende Freude. Diese Freude reicht bis in den Grund unseres Daseins. Sie äußert sich nicht so sehr im Gesichtsausdruck im Alltag. Sie kommt eher in einer ruhigen Sicherheit des Auftretens zum Ausdruck. Sie äußert sich darin, dass das ganze Dasein in Gott verwurzelt ist. Denn der glaubende Mensch lebt nicht einfach so vor sich hin, sondern er geht seinen Weg aus der Gewissheit, dass Gott ihm oder ihr nahe ist.

„Eure Güte lasset kund sein allen Menschen!“

Nein, wir müssen keine Gutmenschen sein. Ich sagte es bereits. Und schon gar nicht angeben, was für tolle, fromme Christenmenschen wir doch sind. Es reicht, aus der eben erwähnten Gewissheit, dass Gott da ist, unser Leben zu gestalten, so dass es für andere Menschen ein Zeichen der Hoffnung ist.

„Sorget nicht!“
Auch das ist eine Haltung der Lebenssicherheit, dem Vertrauen, dass unsere ganze Existenz von Gott getragen ist.
An Weihnachten erwarten wir Gott, der nicht von ferne auf die Welt schaut, sondern in einem kleinen Kind in der Krippe in die Welt gekommen ist. In ihr lebt und wirkt, ja auch an ihr leidet.

„Der Herr ist nahe.“
Und jetzt, liebe Gemeinde, setzt euch hinter euren Adventskranz und freut euch!
Amen.


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