4. Sonntag nach Trinitatis (02. Juli 2023)

Autorin / Autor:
Dekan i.R. Harald Klingler, Renningen [klingler.harald@web.de]

1. Petrus 3,8-17

IntentionDie Gemeinde soll ermutigt werden, in der Nachfolge Jesu eine Haltung geschwisterlicher Liebe und unbeirrbarer Nächstenliebe einzunehmen und sich durch nichts davon abbringen zu lassen.

1.Petrus 3,8-17 (BasisBibel)
8 Schließlich bitte ich euch: Seid untereinander einig, mitfühlend, voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber, barmherzig und bescheiden.9 Zahlt Böses nicht mit Bösem heim oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen.
10 Wer sich am Leben freuen und gute Tage sehen will, soll seine Zunge hüten. Nichts Böses darf aus seinem Mund kommen und keine Lüge über seine Lippen.11 Er soll sich vom Bösen abwenden und Gutes tun. Frieden soll er suchen und sich dafür einsetzen.12 Denn die Augen des Herrn ruhen auf dem Gerechten und ihrem Gebet schenkt er sein Ohr. Aber er wendet sich gegen alle, die Böses tun.
13 Wer kann euch etwas Böses antun, wenn ihr euch leidenschaftlich für das Gute einsetzt?14 Glückselig seid ihr, auch wenn ihr für die Gerechtigkeit leiden müsst. Fürchtet euch nicht vor den Drohungen der Menschen und lasst euch nicht erschrecken.15 Macht vielmehr in eurem Leben deutlich, dass der Herr, Christus, heilig ist. Seid jederzeit bereit, Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung, von der ihr erfüllt seid. Denn immer wieder wird man euch auffordern, dafür Rede und Antwort zu stehen.16 Antwortet freundlich und in Ehrfurcht vor Gott, denn ihr habt ein gutes Gewissen. Dann müssen sich alle schämen, die euch in Verruf gebracht haben. Denn sie reden schlecht über euch, obwohl ihr ein rechtschaffenes Leben in Verbundenheit mit Christus führt.17 Es ist jedenfalls besser, für gute Taten zu leiden als für schlechte Taten –wenn Gott will, dass ihr leidet.

Liebe Gemeinde,
manche jungen Leute tragen ein Band am Armgelenk, auf dem die Buchstaben w-w-j-d zu lesen sind. Es handelt sich die Anfangsbuchstaben der Frage: What would Jesus do? „Was würde Jesus tun?“ Das Armbändchen hält seinen Träger an, sich in entsprechenden Situationen an Jesu Verhalten zu orientieren, an seinem Tun und Lassen Maß zu nehmen.
Wir Christenmenschen werden beobachtet. Stimmen Anspruch und Verhalten bei uns überein? Wie verhalten wir uns?
Wie gehen wir mit Kolleginnen und Kollegen um, die rücksichtslos sind? Wie mit einem Chef, der es mit der Wahrheit nicht so genau nimmt? Wie mit unfreundlichen Nachbarn? Sollen wir schlucken und schweigen oder reden und widerstehen? Noch schwieriger vielleicht: Wie begegnen wir der Schwester, die schlecht über andere Geschwister redet? Wie dem Bruder, der im Hauskreis alles kritisch kommentiert? Wie verhalten wir uns bei einem Konflikt in der Gemeinde? Ducken wir uns weg oder sagen wir unsre Meinung? Wie verhalten wir uns angemessen?
Wen solche Fragen bewegen, wird bei Petrus fündig. Der uns gegebene Abschnitt aus dem ersten Petrusbrief redet vom Verhalten, das Christenmenschen angemessen ist. Der Apostel legt, was er für das Verhalten der Christen bei Jesus Christus lernte, seiner Gemeinde als Bitte vor und als Haltung nahe. Denn die Haltung bestimmt über unser Verhalten.
Geschwisterliche Haltung
Petrus sagt, wie die Christinnen und Christen gebotene Nächstenliebe praktisch wird. „Schließlich bitte ich euch: Seid untereinander einig, mitfühlend, voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber, barmherzig und bescheiden.“
Zu dem, wie sich ein Leben in der Nachfolge Jesu gestalten kann, hat er in seinem Brief bereits einiges gesagt. Wichtiges zum Verhalten gegenüber den politisch Verantwortlichen, in Beruf und Familie hat er ausgesprochen. Jetzt kommt er zum Entscheidenden. Er spricht an, was das Miteinander der Menschen schön macht – oder verunmöglicht. Was die Atmosphäre in einer Gemeinde angenehm macht – oder vergiftet. „Schließlich bitte ich euch…“
Petrus bittet. Er weiß: Mit Druck sind Herzen nicht zu gewinnen. Der moralische Zeigefinger wirkt nicht mehr, wenn der aus dem Blick ist, der ihn erhebt. Eine freundliche Bitte aber wird gehört – und wirkt nachhaltig. Davon war er überzeugt. Der Apostel redet in der Haltung, für die er seine Gemeinde gewinnen will.
„Seid untereinander einig.“ Nein, er verordnet nicht Einmütigkeit. Der Apostel weiß, dass Christenmenschen nicht in allem gleich denken und entscheiden. Im Jüngerkreis hatte er es erlebt und wohl auch erlitten. Aber genau da erlebte er auch, wie wichtig es ist, dass Christinnen und Christen sich bei Meinungsverschiedenheit aushalten und aneinander festhalten, wenn sie uneins sind. So hatte es auch Jesus getan. Spannungen und Meinungsverschiedenheiten gehören zu jeder Gruppe, bei Familien angefangen und bei Gemeinden nicht aufgehört. Streit ist nicht schlimm, wenn er um eine Sache geführt wird. Wenn er um die Wahrheit des Evangeliums geführt wird, ist er sogar nötig! Doch, wann geht es beim Streit in Gemeinden um die Wahrheit des Evangeliums? Meist geht es um Gewohnheiten und Geschmacksfragen, um Macht und Anerkennung – ganz und gar Menschlich-Allzumenschliches. Schlimm ist Streit, wenn Personen und Gruppen sich zerstreiten, nicht mehr miteinander reden und sich am Ende gar öffentlich verurteilen. Geschwister, wenn Christenmenschen sich zerstreiten und trennen, dann triumphiert der Durcheinanderbringer. Petrus bittet: „Seid untereinander einig.“
„Seid mitfühlend.“ Nehmt teil an dem, was den andern freut und belastet. Denkt euch in die Situation hinein, in der sich die Schwester oder der Bruder befindet. Dann versteht ihr sie. Das wird nie in gleicher Weise im Blick auf alle Gemeindeglieder möglich sein. Aber manche sind uns aufs Herz gelegt oder in den Weg gestellt. Ihr wisst doch, was sie brauchen! Petrus legt die Glieder der Gemeinde einander ans Herz: „Seid mitfühlend.“
„Seid voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber.“ Christinnen und Christen sind einander geschwisterlich verbunden. Sie sind durch die Taufe Kinder des einen Vaters im Himmel und stehen sich so nah wie natürliche Geschwister, vielleicht sogar noch näher. Der Apostel weiß natürlich: Geschwister sucht man sich nicht aus. Man bekommt sie ohne eigene Entscheidung. Man hat sie. Und auch das ist ihm bewusst: Geschwister können höchst unterschiedlich sein. Und manche Geschwister sind eine echte Herausforderung. Umso mehr wirbt der Apostel um herzliche Verbundenheit untereinander. Er bittet, Geschwister geschwisterlich wertzuschätzen: „Seid voll Liebe den anderen Brüdern und Schwestern gegenüber.“
„Seid barmherzig und bescheiden.“ Der Apostel gebraucht für „barmherzig“ ein Wort, das stärkste Gefühle ausdrückt. Es wird in den Evangelien gebraucht, wenn von Jesu Erbarmen mit erbärmlichen Gestalten die Rede ist. Luther übersetzte das Verb mit „es jammerte ihn“. „Als Jesus das Volk sah, jammerte es ihn, denn sie waren verschmachtet wie Schafe, die keinen Hirten haben“ (Mt 9,36). Petrus geht es also um mehr, als „nur“ füreinander Verständnis zu zeigen. Es geht um jenes Mitgefühl, um jene Anteilnahme, die Jesus vorgelebt hat – uneigennützig, in Absehung von eigenen Vor- oder Nachteilen. „Seid barmherzig und bescheiden.“

Freundliche HaltungDie Bitten des Apostels haben zunächst den engeren Kreis der Geschwister im Glauben im Blick. Doch lässt sich das Verhalten anderen Christinnen und Christen gegenüber für den Apostel nicht grundsätzlich vom Verhalten gegenüber anderer Menschen trennen. Anders gesagt: Die beschriebene Haltung gehört für ihn grundsätzlich zum Leben in der Nachfolge Jesu. Und deshalb mühen sich Christenmenschen um ein friedliches, hilfsbereites, gutes Miteinander der Menschen. Sie werben um Verständnis und Versöhnung. Sie treten für Gerechtigkeit und Respekt ein. Sie durchbrechen die Spirale von Hass und Gewalt, indem sie sich nicht darauf einlassen. Sie bleiben der Wahrheit treu.
„Zahlt Böses nicht mit Bösem heim oder eine Beleidigung mit einer Beleidigung. Stattdessen sollt ihr segnen. Denn Gott hat euch dazu berufen, seinen Segen zu empfangen. Wer sich am Leben freuen und gute Tage sehen will, soll seine Zunge hüten. Nichts Böses darf aus seinem Mund kommen und keine Lüge über seine Lippen. Er soll sich vom Bösen abwenden und Gutes tun. Frieden soll er suchen und sich dafür einsetzen.“
Liebe Geschwister, seien wir ehrlich: Das ist leicht gesagt, aber schwer getan. Wenn uns jemand Böses will und wieder und wieder provoziert, wenn jemand keine Skrupel kennt, wir unter Schikanen leiden, dann fällt es schwer, nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen. Petrus kennt die natürlichen Reaktionen und weiß, wie leicht wir in sie zurückfallen. Aber nun geht er noch einen Schritt weiter: Christenmenschen, sagt er, spielen die bösen Spiele von Verleumdung und Beleidigungen, von Hass und anderem Bösem unter Menschen nicht mit. Sie deeskalieren und segnen. Als Gesegnete sind sie berufen zu segnen. Und so werden sie wiederum gesegnet.
Spätestens jetzt ist deutlich: Weil Christinnen und Christen von Jesu Geist geprägt sind, widerstehen sie mit geistlichen Mitteln. Sie führen Auseinandersetzungen auf einer gänzlich anderen Ebene, nämlich der geistlichen. Ohne Gebet und ohne die Bitte um den Geist Jesu werden wir sie nicht führen können.
Der Apostel widmet dem Reden besondere Aufmerksamkeit. Wir alle wissen: Worte können aufrichten und trösten, ermutigen und helfen. Worte können verletzen und zerstören. Worte stiften Frieden oder Unfrieden. Worte bringen Menschen zusammen und auseinander. Worte können schärfer und verletzender als Waffen sein. Wie viele Worte blieben besser ungesagt! Auch in der Gemeinde. Petrus bittet: redet miteinander, nicht übereinander. An die Stelle der üblen Nachrede setzt die gute Zurede. Kocht nicht in der allgemeinen Gerüchteküche mit. Seid verschwiegen, aber redet im rechten Moment. Liebt die Wahrheit und verabscheut die Lüge. Prüft euer Reden! Prüft ehrlich und selbstkritisch.
Schwestern und Brüder, das Wort der Wahrheit, das Evangelium, ist uns anvertraut. Deshalb muss uns die Wahrheit am Herzen liegen. Unsere Glaubwürdigkeit als Zeugen des Evangeliums hängt daran, wie wir’s mit der Wahrheit halten. Und nur aus freundlicher Haltung heraus können wir es so weiter geben, dass es gehört und angenommen wird.

Angstfreie HaltungDie vom Apostel erbetene Haltung der Christinnen und Christen wird von anderen nicht immer gewürdigt. Im Gegenteil. Obwohl Christenmenschen sich gut verhalten und anderen freundlich begegnen, erfahren sie Hass, Nachteile, Verfolgung. Petrus ist nüchtern. Die Gemeinden, denen Petrus schreibt, erleben es. Ihr gutes Verhalten wird nicht mit gutem Verhalten beantwortet. Doch das soll sie nicht abhalten, anderen Gutes zu tun.
Petrus öffnet seinen Gemeinden eine geistliche Sicht auf ihre Schwierigkeiten und ihr Leiden. Er sagt: „Glückselig seid ihr, auch wenn ihr für die Gerechtigkeit leiden müsst. Fürchtet euch nicht vor den Drohungen der Menschen und lasst euch nicht erschrecken. Macht vielmehr in eurem Leben deutlich, dass der Herr, Christus, heilig ist.“ Und er fügt hinzu: Verhaltet euch stets so, dass ihr euch nichts vorwerfen lassen müsst.
Was der Apostel da sagt, ist uns fremd und fern. Möglicherweise hält Widerstand ab, sich als Christin oder Christ zu zeigen und entsprechend zu verhalten. Leiden um des Glaubens willen ist uns fremd und fern. Dennoch wollen wir hören, was der Apostel zu den bedrängten Gemeinden sagt. Er sagt ihnen zu, dass Jesus Christus ihnen gerade in ihrer Bedrängnis ganz nahe ist. Ja, sie sollen es als Auszeichnung ansehen, wie ihr Herr zu leiden. Sie sollen ihn ehren, indem sie es auf sich nehmen.
Zuletzt ermutigt Petrus seine Gemeinden, jederzeit von der Hoffnung zu reden, die sie im Leben hält und trägt. „Seid jederzeit bereit, Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung, von der ihr erfüllt seid. Denn immer wieder wird man euch auffordern, dafür Rede und Antwort zu stehen.“ Jederzeit meint nicht allezeit. Doch dann, wenn Gelegenheit ist. Petrus setzt voraus, dass unser Verhalten als Christenmenschen andere neugierig macht – und dass wir fähig sind, angstfrei von unsrer Hoffnung und unserem Glauben Rechenschaft zu geben, wenn wir daraufhin befragt werden.
What would Jesus do? Zu unserer Christusnachfolge gehört ein Verhalten, das sich an Gottes Wort und Jesus Christus orientiert. Scheitern und Schuld sind nicht ausgeschlossen. Wir bleiben oft auch hinter unseren Idealen und Vorsätzen zurück. Wir bleiben unserem Herrn und den Menschen manches schuldig. Wenn aber Christus die Mitte ist, dann ist die Vergebung nah und wahr. Vergebung, die aufrichtet und ermutigt, versöhnt und verbindet. Erlebte und gelebte Vergebung sind mitunter das stärkste Zeugnis des Glaubens.
Liebe Geschwister wenn wir geschwisterlich zusammenstehen, freundlich auf andere zugehen und angstfrei für das Evangelium einstehen, sind wir für unsere Gemeinden, unsere Gesellschaft, ja, für diese Welt ein Segen.
Amen.

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