5. Sonntag vor der Passionszeit (03. Februar 2019)

Autorin / Autor:
Pfarrer PD Dr. Thomas Knöppler, Heroldstatt [Thomas.Knoeppler@elkw.de]

1. Korinther 1, 4-9

1,4 Ich danke meinem Gott allezeit euretwegen für die Gnade Gottes, die euch gegeben ist in Christus Jesus, 5 dass ihr durch ihn in allen Stücken reich gemacht seid, in allem Wort und in aller Erkenntnis. 6 Denn die Predigt von Christus ist unter euch kräftig geworden, 7 so dass ihr keinen Mangel habt an irgendeiner Gabe und wartet nur auf die Offenbarung unseres Herrn Jesus Christus. 8 Der wird euch auch fest machen bis ans Ende, dass ihr untadelig seid am Tag unseres Herrn Jesus Christus. 9 Denn Gott ist treu, durch den ihr berufen seid zur Gemeinschaft seines Sohnes Jesus Christus, unseres Herrn.

IntentionDer Predigttext lenkt unseren Blick von dem, was wir in der Gemeinde tun, auf das, was Gott schon längst getan hat und stets neu tut. Die Perikope ist anstößig. Denn das Engagement von Gemeindegliedern, Kirchengemeinderäten und Pfarrerinnen/Pfarrern ist allein in einer Hinsicht im Blick: Sie sollen auf die Wiederkunft Jesu Christi warten. Halten wir das aus, dass das unsere Hauptaufgabe ist? Und akzeptieren wir das, dass das entscheidende Tun in der Gemeinde die „Predigt von Christus“ ist? Sicher: Paulus kommt im weiteren Verlauf des Briefes auch auf das Tun der Gemeindeglieder und auf deren Organisationsform zu sprechen. Aber hier im Eingang des Briefes redet er prinzipiell. Und das sollten wir uns gefallen lassen.
Die Predigt ist daher in enger Anlehnung an die hier vorgegebenen Worte des Paulus geschrieben. Aber sie verarbeitet auch Erfahrungen, die in den Gemeinden der Laichinger Alb zutage getreten sind.

Liebe Gemeinde!
Wenn sich Menschen in unseren Kirchengemeinden engagieren, dann danken wir ihnen. Dem Singteam für die musikalische Bereicherung des Gottesdienstes. Dem Kirchengemeinderat für die Vorbereitung des Mitarbeiterfestes. Und den Damen des Gemeindedienstes für die Durchführung des Seniorennachmittags. Wir freuen uns, dass sich viele mit ihren Gaben in das Leben unserer Kirchengemeinden einbringen. Mit dem Dank geben wir unserer Wertschätzung Ausdruck. Und wir hoffen im Stillen, dass dieses Engagement anhält.

Wir haben Gott zu dankenWenn Paulus an die von ihm gegründete Gemeinde in Korinth schreibt, ist auch ihm der Dank wichtig. Im Eingang seines Briefes bringt er ihn zur Sprache. An dieser Stelle könnte er die Gemeindeglieder loben für ihr Engagement im Gottesdienst, für das reiche Gemeindeleben, für das Festhalten am Glauben. Und so würde er sich die Hörerinnen und Hörer seines Briefes geneigt machen. Sie wären dann aufnahmebereiter für das, was er ihnen schreibt.
Paulus aber hat eine andere Perspektive. Adressat seiner Dankesworte sind nicht die Gemeindeglieder. Auch geht es ihm nicht darum, sein eigenes Wirken in der Gemeinde hervorzuheben. Seinen Dank richtet er vielmehr an Gott: Paulus dankt Gott für alles, was er an und in der Gemeinde getan hat.

Wort und Erkenntnis sind Gottes reiche GabenGott, so schreibt Paulus, hat die Gemeinde durch Wort und Erkenntnis bereichert. Das klingt für unsere Ohren vielleicht ein wenig merkwürdig. Denn wir lesen den Reichtum der Gemeinde gewöhnlich an ihren finanziellen Möglichkeiten ab. Die Haushaltspläne und deren Finanzvolumen beraten wir jedes Jahr in den Sitzungen unserer Kirchengemeinderatsgremien. Oder wir denken beim Stichwort Reichtum an die vielerlei Aktivitäten in unseren Gemeinden. Oder wir verweisen auf Programme und Projekte, die bei uns durchgeführt werden.
Paulus spricht den Dank aber nicht für das Engagement oder die Opferbereitschaft der Gemeindeglieder aus. Paulus dankt vielmehr für die Zuwendung Gottes zur Gemeinde. Konkret denkt er dabei an die Fülle des Wortes und der Erkenntnis Gottes.
Paulus bereitet hier schon vor, was er im weiteren Verlauf des Briefes zu den Missverständnissen zu sagen hat, die das Gemeindeleben in Korinth belasten. Wo es um die Predigt geht, soll nicht die rhetorische Begabung im Vordergrund stehen, sondern das rettende Wort vom Kreuz (1. Kor 1,18 – 2,5). Und beim Nachdenken über Gott zählt nicht theologisches Spezialwissen, sondern die Gemeinschaft und das Miteinander, das von Liebe durchdrungen ist (1. Kor 13,1-3).

Die Christuspredigt führt zum GemeindeaufbauPaulus verweist auf seine frühere Predigt. Anderthalb Jahre hat er in Korinth gewirkt. Der gekreuzigte und auferstandene Christus war zentraler Inhalt seiner Lehre und Predigt. Die Christuspredigt hat den Reichtum an Gaben zur Entfaltung gebracht.
Nichts deutet in den Paulusbriefen darauf hin, dass diese Predigt vor allem aus Informationen über das Leben Jesu bestanden hätte. Auch dürfte er die Botschaft von Jesus nicht genutzt haben, um die Gemeindeglieder zu mehr Engagement aufzufordern. Paulus hat das Evangelium gepredigt, das Wort vom auferstandenen Gekreuzigten, das durch den Heiligen Geist kräftig und stark wurde. Dieses Wort war kreativ: Es hat viele Gaben geweckt. Und es hat diese wahrlich lebendige Gemeinde zu Korinth hervorgebracht.
Die korinthische Gemeinde hat also eigentlich alles, was sie braucht. Ihr fehlt nur noch die sichtbare Wiederkunft Christi. Auf die muss sie noch warten: „Wir warten dein, o Gottes Sohn, und lieben dein Erscheinen“ (EG 152,1). Obgleich sie ein pralles Gemeindeleben vorzuweisen hat, gilt daher: Mit ihren vielfältigen Gaben ist die Gemeinde noch nicht zur Vollendung gelangt. Sie ist noch auf dem Weg.
Auf dem Weg melden sich Widerstände im Glauben
Dieser Weg ist kein leichter. Denn da begegnen Zweifel, Anfechtungen und Versuchungen. Da begegnet man Menschen, die den Glauben mit scheinbar guten Argumenten in Frage stellen: Die das, was bislang als klar und wahr feststand, ins Wanken bringen. Da ist man auch den Anfragen des eigenen Herzens ausgesetzt: Gewissheiten gehen verloren. Auch der Wohlstand spielt eine Rolle: Manche meinen gar, sie kämen ohne Gott aus; denn sie sind gut versorgt und haben alles, was sie brauchen.
Mancherorts ist es die Aufhebung von Pfarrstellen, die es erschwert, zuversichtlich zu glauben. Gelegentlich wird dann beschwichtigend auf den gegenwärtigen guten Stand des Gemeindelebens verwiesen: Deswegen werde man künftige Kürzungen und Streichungen überstehen. Das freilich könnte ein Holzweg sein: dass die Gemeinde sich am Reichtum des eigenen Gemeindelebens aufrichtet.

Christus bewahrt seine GemeindeDer starke Glaube und die lebendige Gemeinde aber sind Gaben Gottes. Und weil beides aus Gottes Händen kommt und er beides in seinen Händen hält, wird es auch nicht verloren gehen. Darum kann Paulus hier in fester Zuversicht schreiben: „Der in euch angefangen hat das gute Werk, der wird’s auch vollenden bis an den Tag Christi Jesu“ (Phil 1,6).
Gott hat ein herrliches Ziel für seine Kinder. Das ist unerschütterlich gewiss. Nicht wir müssen das Durchhalten des Glaubens garantieren. Jesus Christus wird unseren Glauben befestigen. Er ist es letztlich, der uns konfirmiert. Paulus sagt das zu einer Gemeinde, in der es verschiedentlich drunter und drüber geht und die alles andere als mustergültig ist. Aber Christus schenkt und bewahrt den Glauben. Deshalb ist Paulus über die Zukunft der Gemeinde unbesorgt.
Und auch im Endgericht muss die Gemeinde keinen Tadel fürchten. Damals in Korinth und heute für uns gilt: Wir führen kein tadelloses Leben. So manches wird Gott und unserem Nächsten nicht gefallen. Und gelegentlich tun wir auch uns selbst keinen Gefallen. Wie oft fehlt die Liebe zu Gott, zu unserem Nächsten, zu uns selbst. Aber Christus vergibt und schenkt seinen Schwestern und Brüdern Heil und Leben.

Gottes Treue ist der Grund seines HandelnsWarum ist das so? Und warum gilt das? Paulus verweist auf die Treue Gottes. Gott handelt nicht wie die griechischen Götter, die von Leidenschaften getrieben und auf die eigene Ehre bedacht sind. Er handelt ebenso wenig wie Menschen, die den eigenen Vorteil im Sinn haben und die nach Macht streben. Gott will seine Menschen zu den Zielen führen, die gut für sie sind. Und dabei macht er keine halben Sachen.
Gott hat uns mit seinem Sohn verbunden. Wo wir das Evangelium hören und die Sakramente empfangen, wendet er uns sein Heil zu. Christus, der uns durch Kreuz und Auferstehung vor Gott gerecht gemacht hat, ist mitten unter uns.

Für die Gemeinde ist das Handeln Gottes entscheidendDie Gemeinschaft in unseren Kirchengemeinden muss also nicht durch unser Engagement erst hergestellt werden. Als ob ein Kirchenkaffee im Anschluss an den Gottesdienst oder ein Ständerling im Gemeindehaus oder eine gemeinsame Aktion Gemeinschaft stiften könnten. Kirche ist mehr als unser Bemühen um Gemeinschaft.
In unserem Predigtwort ist das Warten der Gemeinde die einzige Aktivität, die von ihr ausgesagt wird. Sonst ist stets Gott oder Christus das handelnde Subjekt. Es täte uns gut, wenn wir bei dem, was wir in unseren Gemeinden veranstalten, gelassener wären.
Glaubenskurse, Gemeindeaufbauprojekte und gesellschaftliches Engagement geschehen sicher in bester Absicht. Aber: „Wo der HERR nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen“ (Ps 127,1a). Gott ist es, der in die Gemeinschaft seines Sohnes beruft. Christus ist es, der die Gemeinschaft gewährt. Und der Heilige Geist ist es, der durch Wort und Sakrament die Gemeinschaft in unseren Gemeinden wirkt.

Gott gebührt unser DankIch komme zum Schluss. Der Apostel Paulus lädt uns heute ein, das Leben in unserer Gemeinde mit dankbarem Herzen zu betrachten. Und sicher dürfen wir auch Gemeindegliedern unseren Dank aussprechen für den persönlichen Einsatz.
Das Wort des Apostels aber weist auf das Handeln Gottes hin: Wir haben Anlass, Gott zu danken für alles, was er durch die Predigt von Christus unter uns hat lebendig werden lassen. Und das ist in vielen Kirchengemeinden schon seit Jahrhunderten so. Durch die fortwährende Predigt von Christus ist uns alles geschenkt, was wir im Glauben nötig haben.
Es wird gut sein, wenn Gott unseren Dank für seine Gnade erhält, wenn Christus weiterhin Inhalt der Predigt ist und wenn der Heilige Geist an uns arbeitet. Dann brauchen wir uns keine Sorgen zu machen um den Bestand unserer Gemeinden. Denn Gott ist treu. Ihm sei ewiglich Dank! Amen.

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