7. Sonntag nach Trinitatis (23. Juli 2023)

Autorin / Autor:
Dekan Dr. Ekkehard Graf, Marbach [Ekkehard.Graf@elkw.de]

Apostelgeschichte 2,41-47

IntentionEntdecken, dass das Grundlegende in der Urgemeinde auch heute noch relevant ist in unseren Gemeinden. Den Dreiklang von glauben, leben und loben wieder neu anwenden.

Apostelgeschichte 2,41-47:
"Die nun sein Wort annahmen, ließen sich taufen; und an diesem Tage wurden hinzugefügt etwa dreitausend Menschen. Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet. Es kam aber Furcht über alle, und es geschahen viele Wunder und Zeichen durch die Apostel.
Alle aber, die gläubig geworden waren, waren beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte. Und sie waren täglich einmütig beieinander im Tempel und brachen das Brot hier und dort in den Häusern, hielten die Mahlzeiten mit Freude und lauterem Herzen und lobten Gott und fanden Wohlwollen beim ganzen Volk. Der Herr aber fügte täglich zur Gemeinde hinzu, die gerettet wurden."

Liebe Gemeinde,
das war faszinierend, was sich damals ereignet hat. Dreitausend Menschen, die zum Glauben an Jesus kamen und die gemerkt haben: Jetzt muss es anders werden! So wie bisher kann ich nicht weitermachen! Und dann wurde es ganz praktisch: Sie haben nämlich anders weitergemacht, wie uns die Apostelgeschichte schildert. Das Hauptstichwort über diesem Text heißt „gemeinsam“. Was es heißt, von jetzt an gemeinsam mit Jesus unterwegs zu sein, wird uns dann erläutert in dem, wie sie es damals gemacht haben. Das heißt nicht, dass wir alles eins zu eins genauso machen müssen wie die damals. Denn wir leben nicht im Jahr 30 unserer Zeitrechnung. Wir leben auch nicht in Jerusalem. Wir leben in anderen Lebensumständen. Aber wie Menschen ticken, das war schon immer gleich. Und wie wichtig es ist, Gemeinschaft zu haben, das haben wir spätestens in der Corona-Zeit gelernt. Deshalb drei Gedankengänge: 1. Gemeinsam glauben, 2. Gemeinsam leben und 3. Gemeinsam loben.

1. Gemeinsam glaubenDie ersten Christen damals trafen sich täglich! Das ist ein Unterschied zu uns heute. Wir feiern nicht jeden Tag Gottesdienst in dieser wunderschönen Kirche. Wir haben nicht jeden Tag die Möglichkeit, dass alle Christinnen und Christen zusammenkommen. Liegt es an unserer vielfältigen Berufstätigkeit, an unserem ehrenamtlichen Engagement oder an familiärer Überforderung? Egal, die damals haben es auf ihre Weise so gemacht, sich täglich zu treffen. Aber auch wir können gemeinsam glauben! Praktisch ging das in der Urgemeinde so, dass sie gemeinsam auf das gehört haben, was ihnen die Apostel von Jesus berichteten. Sie hatten damals noch nicht das Neue Testament, wie wir es heute haben. Aber sie hörten die direkten Berichte von Petrus, Johannes, Jakobus, Andreas und wie sie alle hießen. Von den Aposteln hörten sie, was diese mit Jesus erlebt hatten, was Jesus getan hatte, was Jesus gesagt hatte. Darauf hörten sie jeden Tag. Und das gibt es auch heute noch. Viele Christen lesen jeden Tag in der Bibel, manche frühmorgens beim Frühstück oder in der Bahn auf der Fahrt zur Arbeit. Sie lassen sich für den neuen Tag in ihrem Glauben inspirieren und anregen. Andere nehmen sich im Lauf des Tages Zeit, von dem zu hören, was Gott uns sagen will.
Und auch der heutige Gottesdienst ist solch ein Hinweis, dass wir uns gemeinsam im Glauben an-regen und inspirieren lassen, indem wir Gottesdienst feiern. Auch wir hören auf Gottes gutes Wort, das uns mal tröstet, mal hinterfragt.
Gemeinsam glauben bedeutete damals auch, dass die Christen miteinander das Abendmahl gefeiert haben. „Brotbrechen“ lautet der Fachbegriff dafür. Auch wir feiern in der Regel einmal im Monat Abendmahl. Das ist eminent wichtig für den Glauben der einzelnen wie auch der ganzen Gemeinschaft. Im Abendmahl wird mir zugesprochen, dass es Vergebung für all mein Versagen gibt. In den Gaben von Brot und Wein oder Traubensaft dürfen wir schmecken, dass wir einen Gott haben, der gerne vergibt und uns immer wieder einen neuen Anfang schenkt. Wir dürfen ganz in der Gnade und Liebe Gottes leben und das feiern wir im Abendmahl – gemeinsam!

2. Gemeinsam lebenWir hören in der Apostelgeschichte, dass sich die ersten Christen jeden Tag in den Privathäusern oder im Jerusalemer Tempel in getroffen haben. Sie haben Anteil gegeben und Anteil genommen, wie es einem geht, offen und ehrlich. So machen es auch heute noch viele Christen. Sie treffen sich zwar nicht täglich, aber regelmäßig in ihren Privathäusern oder im Gemeindehaus. Sie leben ihren Glauben in Gemeinschaft. Sie tauschen sich aus, was gerade Freude macht, was einen ärgert oder was traurig macht. Sie trösten und ermutigen sich gegenseitig, sie beten gemeinsam, sie bleiben im engen Kontakt miteinander. Und Jesus ist mittendrin dabei, wie er es versprochen hatte, als er sag-te: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Mt 18,20). Ich lade herzlich ein, wer noch keine solche Form gefunden hat, mit anderen den Glauben gemein-sam zu leben, sich nach Möglichkeiten umzuschauen. Die gibt es in jeder Kirchengemeinde!
Bei der Überschrift „gemeinsam leben“ lässt sich noch ein weiterer Buchstabe hinzufügen, nämlich ein „i“, dann heißt es „gemeinsam lieben“.
Das entdecken wir bei den ersten Christen. Da ging es nicht nur darum, dass man liebevoll miteinander umgeht, sondern dass man auch liebevoll an diejenigen denkt, denen es gerade nicht gut geht. Sie haben damals in Jerusalem einiges von ihrem Besitz zusammengelegt, um all diejenigen zu versorgen, die nichts hatten. Das war dringend nötig, denn allein schon die zwölf Apostel stammten nicht aus Jerusalem, sondern aus Galiläa im Norden Israels. Die hatten kein Haus, geschweige denn ein Einkommen in Jerusalem. Deswegen haben andere für sie zusammengelegt, damit sie keine Not leiden mussten. Das hat sich dann rasch ausgeweitet zu einer großen diakonischen Arbeit, dass auch arme Witwen konsequent versorgt wurden. Es gab damals keine Rente, weshalb die Christen geschaut haben, wer alles in der Stadt bedürftig ist.
Das ist ein Kennzeichen von Christinnen und Christen bis heute, dass sie in ihrer Liebe über sich hinausdenken und das tun, was Jesus gesagt hat: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!“ Des-wegen ist die Kirche auch hier vor Ort engagiert, Menschen in Not zu helfen. Zum Beispiel durch die Diakonische Bezirksstelle: Da wird Menschen geholfen, die es dringend nötig haben. Die nicht wissen, wie sie ihre nächste Stromrechnung bezahlen können oder wie sie ihren drei Kindern alles Nötige für den Schulanfang nach den Ferien besorgen können. Solche Hilfe ist nur möglich, weil nach wie vor viele diese Zuwendung mit ihrer Kirchensteuer finanzieren. Leider verabschieden sich aber immer mehr aus dieser solidarischen Hilfe – meistens aus Unwissenheit. Sozialdiakonische und pädagogische Arbeit ist aber darauf angewiesen. Im diakonischen Handeln wurde damals und wird heute diejenige Liebe praktisch, die aus der christlichen Gemeinschaft heraus nach außen zu allen Menschen wirkt.

3. Gemeinsam lobenDie ersten Christen haben miteinander Gott gelobt. Und zwar auf dieselbe Weise, wie auch wir es heute noch praktizieren: mit den Psalmen aus dem Alten Testament und mit einer Vielzahl von gehaltvollen Liedern mit unterschiedlichen Melodien. Wenn wir gemeinsam singen und Gott loben, dann bekommt unser Glaube immer wieder neue Nahrung. Wir müssen auch nicht diskutieren, ob eher ältere oder eher zeitgenössische Lieder geeignet sind. Wenn es darum geht, gemeinsam Gott zu loben, gibt es kein richtig oder falsch. Hinzu kommen auch Lieder, die nicht nur auf Begeisterung basieren, sondern wie in den Psalmen haben wir auch Klagelieder oder Vertrauenslieder. Manche sind auch Ermutigungslieder oder Trostlieder. Wir haben da sogar eine noch größere Vielfalt an Liedern zur Verfügung als die Urgemeinde, weil wir aus verschiedenen Epochen schöpfen können. Deshalb lohnt es sich, in jedem Gottesdienst und bei weiteren Zusammenkünften gemeinsam zu singen. Und ganz ehrlich, Singen in Gemeinschaft macht viel mehr Spaß als allein! Sogar Leute, die meinen, nicht so gut singen zu können, werden im gemeinsamen Singen einfach mitgerissen. Zudem haben wir noch manche Chöre und Bands, die uns mit ihrem Musizieren erfreuen und mit hineinnehmen in das gemeinsame Loben! Das tut der Seele gut und ermutigt uns gegenseitig. Ja, es bringt etwas von dem zum Tragen, was wir im Glauben zum Ausdruck bringen, nämlich dass Gott ein großer und teilnahmsvoller Gott ist. Wir drücken unsere Begeisterung aus, dass er sich uns zuwendet und mit uns Geschichte schreiben will.
Wir hören von damals, dass es positive Konsequenzen hatte, weil Gott durch die Christen Wunder getan hat. Da wurden durch das Gebet der Christen Kranke gesund, da wurde Unmögliches plötzlich möglich, weil Gott die Christen beschenkt hat. Da wurden viele Menschen verändert – und das ist vielleicht das größte Wunder: Menschen werden verändert durch den Geist Gottes. Ein hartherziger Mensch wird freundlich und liebevoll. Ängstliche werden mutig. Verschlossene Türen gehen auf für andere. Solche Erfahrungen führten Christinnen und Christen noch mehr ins gemeinsame Loben. Und das ist auch heute noch möglich, weil derselbe dreieinige Gott in unserer Kirchengemeinde wirkt. Und weil er uns fähig macht, gemeinsam zu glauben, gemeinsam zu leben und zu lieben, gemeinsam zu loben. Amen.

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