7. Sonntag nach Trinitatis (03. August 2025)

Autorin / Autor:
Pfarrer Malte Jericke, Stuttgart [Malte.Jericke@elkw.de]

Johannes 6,30–35

IntentionGlauben sättigt. In einem umfassenden Sinn. Leiblich, dem Predigttext steht die Speisung der 5000 voran. Aber auch geistlich-spirituell durch das „Brot des Lebens“. Jesus befriedigt beide Bedürfnisse. In seiner Nachfolge stehend, ist das eine bleibende Aufgabe von Christinnen und Christen, das soll in der Predigt thematisiert werden.

LieblingssätzeEine amerikanische Zeitung hat einmal ihre Leserinnen und Leser gefragt: Welchen Satz sie am liebsten hören, am meisten brauchen und welcher Satz für sie am tröstlichsten ist. Tausende haben wohl darauf geantwortet. Die am häufigsten genannten Sätze waren: „Ich liebe dich“ – wird am liebsten gehört. „Ich vergebe dir“ – wird am meisten gebraucht, und „das Essen ist fertig“ ist am tröstlichsten!

Das Essen ist fertig!Der letzte Satz kam für mich erstmal überraschend. Das Essen ist fertig – vielleicht ist das zu banal, zu alltäglich, um mir in den Sinn zu kommen. Andererseits kann ich mir das tröstliche, das in diesem Satz steckt, gut vorstellen: ein knurrender Magen, ein fertig gedeckter Tisch, ein verlockender Geruch aus der Küche, und ich kann mich einfach hinsetzten und genießen. Ja, mir ist durch diese Umfrage bewusst geworden, wie gerne ich diesen Satz eigentlich höre oder auch sage. Das Essen ist fertig! Essen stärkt, sättigt, verbindet.
Zumindest wenn man genug davon hat.

Essen als GrundbedürfnisWenn man sich Bilder von Verteilzentren in Kriegs- und Krisenregionen anschaut, stellt man schnell fest: Essen kann auch spalten, zu Streit führen. Dann, wenn es nicht genug gibt und man darum kämpfen muss. Aber das ist ja auch völlig verständlich. Essen ist so ein Grundbedürfnis. Von älteren Menschen, die die Kriegs- oder Nachkriegszeit erlebt haben, habe ich immer mal wieder den Satz gehört: Wer das nicht erlebt hat, weiß gar nicht, was Hunger ist.
Immer Hunger zu haben, nie ist genug da. Ich kann mir das glücklicherweise wirklich nicht vorstellen. Aber immer noch verhungern jeden Tag Tausende Menschen.
Auch wenn es in den letzten Jahrzehnten Verbesserungen gegeben hat, ist Hunger auf der Welt immer noch an vielen Orten präsent.
Für viele Menschen ist ausreichend Essen gerade nicht alltäglich. Sie werden niemals satt.

Wie wir satt werdenFür diejenigen, die nicht und nie genug haben, mag der Predigttext des heutigen Sonntags aus dem Johannesevangelium womöglich zynisch klingen. Jesus spricht darüber, wie wir satt werden. Es geht dabei nicht um ein zünftiges Frühstück am Sonntagmorgen. Hören Sie selbst aus Kapitel 6,30 bis 35:

„Da sprachen sie zu ihm: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du?
Unsre Väter haben Manna gegessen in der Wüste, wie geschrieben steht ‚Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen‘.
Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben, sondern mein Vater gibt euch das wahre Brot vom Himmel.
Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt und gibt der Welt das Leben.
Da sprachen sie zu ihm: Herr, gib uns allezeit solches Brot.
Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens. Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern; und wer an mich glaubt, den wird nimmermehr dürsten.“

Kein billiger TrostWer zu Jesus kommt, wer an Gott glaubt, der wird keinen Hunger mehr haben. Glaubt und werdet satt. Das verspricht Jesus.
Natürlich kann damit nicht gemeint sein, dass all jene, die hungern, die zu wenig zu essen haben, zum Glauben kommen sollen, und dann wird alles gut. Das wäre eine allzu einfache und zynische Antwort auf reale Probleme von Menschen.
Deshalb ist es wichtig zu schauen, um was es hier geht, welche Frage Jesus mit dieser Aussage eigentlich beantworten will. Die Antwort darauf findet man ein paar Verse vorher.

Glaube an Gott und seinen GesandtenDieser ganze Dialog, zu dem der heutige Predigttext gehört, dreht sich um die Frage: Was sollen wir Menschen tun, damit wir so handeln, wie Gott es erwartet? Und Jesus gibt darauf eben diese Antwort: Glaubt! Glaubt an Gott, glaubt an den, den Gott gesandt hat.

Allein durch Glauben (sola fide)Wer glaubt, der hat schon alles erfüllt. Interessant dabei finde ich, dass Jesus hier völlig moralfrei argumentiert. Er sagt nicht: Gott fordert dies und das, tut dieses und jenes. Jesu lehrt an dieser Stelle keine richtigen oder falschen Überzeugungen.
Ich denke, deshalb sollten wir auch heute als Kirche, als Christ oder Christin, aufpassen, nicht allzu moralisch zu werden. Und den berühmten Zeigefinger erheben. Ganz sicher wird manche öffentliche Diskussion auch bewusst in eine Richtung gelenkt, um den Ruf der Kirche als spaßbefreiter Moralapostel zu bedienen. Aber man kann ja trotzdem darauf achten, diesen Ruf nicht zu bedienen. Jesus sagt nicht: Genau so und so ist es richtig. Jesus lässt Freiheit. Und auch, ob jemand glaubt oder nicht, ist eine individuelle Entscheidung.

Gutes tun wollenWas aber nicht heißt, dass es als Glaubender egal ist, was man tut. Schon Martin Luther hat es sinngemäß folgendermaßen formuliert:
Wer glaubt, will Gutes tun. Er muss es nicht.
Wer glaubt, lebt vom Brot des Lebens. Er bekommt das, was er zum Leben braucht.
Was Jesus hier anbietet, ist kein reich gedeckter Frühstückstisch. Jesus sagt nicht: Essen ist fertig.
Aber egal ist ihm das leibliche Essen nicht. Denn unserem Predigttext geht die sogenannte Speisung der 5000 voraus.

Alle werden sattEine große Menschenmenge ist Jesus an den See Gennesaret gefolgt. Nun ist guter Rat teuer. Wie soll man die alle satt bekommen? Fünf Brote und zwei Fische stehen zur Verfügung. Das wird wohl niemals reichen… Aber Jesus dankt, bricht das Brot und verteilt das Essen unter den Menschen – und alle werden satt. Es bleibt sogar noch einiges übrig. Ein Wunder, das die Grenzen des rational Denkbaren überschreitet und doch eine klare Botschaft formuliert:
Jesus nimmt die realen Probleme der Menschen ernst. Er stillt ihren Hunger, gibt ihnen Nahrung. Das leibliche Wohl ist ihm nicht egal. Jesus weiß: Nur wer keinen Hunger leidet, wer genug zu essen hat, der kann auch seiner Predigt lauschen. Nur wer satt ist, hat überhaupt das Privileg, sich über große Fragen, über Sinnfragen, Gedanken zu machen.

Mit allen teilenUnd Jesus zeigt, dass Teilen einen Mehrwert hat. Teilen führt zu einem guten Leben für alle. Immer noch leben heute zu viele Menschen unterhalb der Armutsgrenze. Immer noch haben zu viele Menschen zu wenig zu essen. Dabei gäbe es genug. Aber wir, die Menschheit als Ganzes, ist offensichtlich unfähig, Nahrungsmittel so zu teilen, dass alle genug haben und alle satt werden. Gottes Schöpfung bietet dabei bei Weitem genug. Wir können keinesfalls Gott die Schuld in die Schuhe schieben, dass Menschen verhungern. An dieser Stelle müssen wir schon selbst Verantwortung übernehmen.

ÜbersättigtIch finde es interessant, dass man den Begriff „satt“ auch negativ verwendet. Der ist satt, der will nichts mehr, hat keinen Antrieb mehr. Wir sind übersättigt mit diesem oder jenem. Ja, es gibt auch ein Zuviel. Sind wir eine übersättigte Gesellschaft?

Teilen hilftAus diesem Grund ist Teilen gut für beide Seiten: für diejenigen, die sonst zu wenig haben, und für diejenigen, die genug oder sogar zu viel haben.

Leibliches Wohl und geistliches WohlEs ist kein Zufall, dass unser heutiger Predigttext auf die Speisung der 5000 folgt. Dabei steht das leibliche Wohl voran. Denn wer Hunger hat, für den ist alles andere irrelevant. Zuerst einmal muss der leibliche Hunger gestillt sein, und dann kann alles andere kommen.
Aber genauso ist das leiblich Wohl nicht alles. Man kann auch satt und unzufrieden sein. Oder anders gesagt: Es gibt eben auch einen spirituellen, geistlichen Hunger. Auch diesen will Jesus stillen.

Jesus und Gott sind einsGlaubt an mich, sagt Jesus. Ich bin das Brot des Lebens. Das reicht, um euren Hunger zu stillen. Jesus vermittelt Gottesglauben. Insofern nennt das Johannesevangelium Gott und Jesus eins. Deshalb ist der Glaube an Jesus stets Gottesglaube.

Glaube als Gabe und Geschenk GottesJesu Gesprächspartner hatten eigentlich etwas anderes erwartet als Worte. Sie wollten ein Zeichen. Es reicht ihnen nicht, dass Jesus die Menschen gesättigt hat und direkt vorher auch schon übers Wasser gelaufen ist. Sie wollen mehr. Sie beziehen sich dabei auf Mose: Er hat uns Brot vom Himmel gegeben. Mach das bitte auch.
Aber Jesus lässt sich darauf nicht ein. Er will keinen Glauben quasi herbeizaubern.
Jesus macht deutlich, dass Glaube nicht durch menschliche Taten erzeugt wird. Glaube, geistliche Sättigung, ist eine Gabe, ein Geschenk Gottes.

Menschen vermitteln Glauben an GottNatürlich wird Glaube vermittelt durch andere, auch durch Menschen. Mose ist so einer, durch Gott persönlich ausgewählt und befähigt. Mose ist eine ganz wichtige Persönlichkeit. Aber er vermittelt Glauben an Gott, nicht an sich selbst.
Sowohl Mose als auch der Mensch Jesus nehmen sich selbst nicht wichtiger als den, von dem sie erzählen. Bezugsperson bleibt immer Gott. Daran könnte sich manch moderner Prophet ein Beispiel nehmen.
Glaube entsteht durch Vermittlung, nicht durch Zauberei. Und Glaube entsteht in der Gemeinschaft mit anderen, in die jeder seine Erfahrungen einbringen kann.

Abendmahl stiftet GemeinschaftSo ist das auch beim Abendmahl, das wir heute feiern.
Da geht es kulinarisch meist nüchtern und symbolisch zu. Aber das Abendmahl stillt den Hunger nach dem Brot des Lebens. Es stiftet Gemeinschaft, macht Gott erfahrbar. Das ist wichtig.
Im Abendmahl sind die materiell-leiblichen Elemente Brot und Wein verbunden mit dem geistlichen Bedürfnis nach der Fülle des Lebens. Beides gehört in einer Kirche zusammen. Es ist nicht voneinander zu trennen.

Drei kurze Sätze„Essen ist fertig! Ich liebe dich! Ich vergebe dir.“ Diese drei kurzen Sätze sind eine ganz passende Zusammenfassung dessen, wie Jesus gehandelt und gesprochen hat. Bei ihm funktioniert das eine nicht ohne das andere. Jesus schaut auf die Menschen und hilft ihnen in einem umfassenden Sinn. Er gibt, was wir zum Leben brauchen. Und zeigt, was ein Leben als Christ oder Christin auch heute noch ausmacht. Wie wir anderen begegnen können und Verantwortung übernehmen.

Zuversicht und Hoffnung„Essen ist fertig! Ich liebe dich! Ich vergebe dir.“ Dass Menschen sich in einer – wenn auch nicht repräsentativen – Umfrage genau dies wünschen, schenkt uns als Kirche und Gemeinde und persönlich große Zuversicht und Hoffnung. Was wir im Angebot haben, das ist gefragt. Amen.

Umfrageergebnisse, gefunden hier: https://kirche-grossschoenau.de/gemeindeleben/predigten-kirchegemeinden-gro%C3%9Fsch%C3%B6nau-watersdorf-hainewalde-h%C3%B6rnitz/138-schiffbruch-und-rettung.html



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