Epiphanias (06. Januar 2019)

Autorin / Autor:
Pfarrer i.R. Karl-Adolf Rieker, Herrenberg [ka.rieker@gmx.de]

Matthäus 2, 1-12

IntentionDen Stern von Bethlehem möchte ich in meiner Predigt als reales Zeichen des Friedens und der Hoffnung darstellen, damals wie heute. Gegen die Macht der Gewalt und Gegengewalt gilt es, die Macht des Kindes und der Liebe zu setzen und damit zum Tun der Liebe und des Friedens einzuladen.

Den Stern von Bethlehem gab es wirklich„Gab es den Stern von Bethlehem wirklich?“
So, liebe Gemeinde, fragten mich erst kürzlich meine Konfirmanden.
Ich antwortete ihnen nicht einfach mit Ja oder Nein.
Ich nahm sie mit ins Planetarium nach Stuttgart.
Dort im Planetarium gibt es immer in der Weihnachtszeit eine Sternvorführung mit dem Titel „Der Stern der Magier“.
Und in dieser astronomischen Vorführung wird gezeigt, dass es den Stern wirklich gab. Freilich, der Stern von Bethlehem sah anders aus, als wir ihn uns für gewöhnlich vorstellen.
Der Stern von Bethlehem hatte keinen Schweif und strahlte auch nicht großartig.
Er war eher klein und nur von Spezialisten zu erkennen, die der Sternenkunde mächtig waren.
Über drei Monate hinweg verformten sich die Sterne Jupiter und Saturn.
Sie bewegten sich fast unmerklich. Wer es aber messen und wissen konnte, für den bewegten sie sich aufeinander zu.
Die Astronomie kann das bis zum heutigen Tag genau nachmessen und nachrechnen, so wurde uns im Planetarium versichert.

Für die Weisen aus dem Morgenland war der Jupiter das Himmelzeichen ihres Landes, des Landes Babylon.
Der Stern Saturn war für sie das Zeichen des Landes Israel.
Als sich nun Jupiter und Saturn aufeinander zubewegten,
war das für sie das Zeichen dafür, dass Babylon und Israel sich aufeinander zubewegten, ja vielleicht sogar zusammenschlossen.
Wie aber kann so etwas möglich sein, dass zwei Länder sich aufeinander zubewegen und sich friedlich vereinigen?
Damals konnte man sich das nur durch Heirat vorstellen,
durch die Heirat zweier Königskinder.
Und weil die Kinder des Königs von Israel alle schon erwachsen und vergeben waren, musste es ein neugeborenes Kind sein.
Darum machten sich die Weisen aus dem Morgenland auf den Weg, um den neugeborenen Königssohn von Israel zu besuchen.
Darum kamen sie zu König Herodes.

Der Stern von Bethlehem ist ein FriedenszeichenDie Geschichte vom Stern von Bethlehem handelt nicht einfach von einer idyllischen Begebenheit
bei der ein paar orientalische Männer das Kind von Bethlehem besuchen und dann wieder verschwinden.
Sie handelt von der Frage nach der politischen Macht und von der Entscheidung, bei wem die Macht für Veränderung letztlich liegt.
Herodes erschrak zurecht als er den Grund erfuhr, warum sich die Weisen auf den Weg gemacht hatten:
Ein neuer König sollte geboren sein.
Einen neuen Machthaber zeigten die Sterne an.
Doch die Sterne führen sie nicht in den Palast, sondern in einen Stall.

Zum Kind müssen sie.
Wenn sie die Macht suchen, die die Welt verändern soll,
dann schickt sie Gott zu einem Kind.
Wohlgemerkt zu einem Kind, das keiner einflussreichen Familie entstammt; ein Kind, das keine Reichtümer, Staatsrechte und Streitkräfte hat.
Ein Kind auf Heu und Stroh.
Gibt es etwas Wehrloseres und Ohnmächtigeres als das?
Und von so was soll Veränderung ausgehen?
Wie soll das funktionieren?

Neugeborene verändern zur Liebe hinWer mit einem neugeborenen Kind zu tun hat, erlebt es.
Ein neugeborenes Kind kann zarte Liebe in uns Erwachsenen auslösen:
Von dem Risiko, dass Liebe auch enttäuscht werden kann, ahnt es nichts.
Es ist uns anvertraut, es ist uns in unsere Hände gegeben.
Diese bedürftige zarte Liebe ist eine große Macht. Sie wirkt. Sie verändert.

Eltern oder Großeltern erzählen davon:
Kleine Kinder können noch in die versteinerten Gesichter eines Erwachsenen ein Lächeln bringen.
Ein Lächeln, das die Atmosphäre im Raum entspannt.
Auch wer keine Kinder hat, erlebt, wenn er kleinen Kindern begegnet:
Sie haben ein Lächeln, das Menschen einander näherbringt und ihnen erlaubt, sich unbefangen zu geben.
Und dann geschieht es:
Durch Kinder kommen sich Erwachsene viel schneller und ungezwungener näher als sonst.
Ob im Urlaub, im Supermarkt, im Schwimmbad oder sonst wo:
wenn Kinder dabei sind, ist die Atmosphäre verändert. Die Erwachsenen kommen miteinander ins Gespräch. Sie erzählen – auch von sich. Mit Kindern begegnen sich Erwachsene ganz anders. Leichter, entspannter.
Ist es übertrieben hierbei von einer Macht zu reden?
Ich denke man kann sagen: Es ist die Macht der Liebe, die aus Kindern spricht. So sprechen Kinder zu uns.

Freilich, Kinder werden größer.
„Werd‘ erwachsen!“ bekommen manche zu hören.
Und das treibt ihnen ihre Offenherzigkeit aus.
Sie werden „cool“ und von Liebe ist, zumindest nach außen hin,
nicht mehr viel zu sehen.
Aber gerade deshalb müssen wir immer wieder an die Krippe geführt werden.
Gerade deshalb ist es so wichtig, dass jedes Jahr Weihnachten wird und dass wir die Botschaft der Weihnacht auf uns wirken lassen.
Die lebendige Botschaft des Kindes, dass die Liebe eine Macht ist, die die Welt verändern kann.

Gewalt führt nicht zum FriedenUnd gerade angesichts der heutigen Konflikte in jener Gegend um Bethlehem muss man sich doch ganz direkt und aktuell fragen, was die Politik der israelischen Regierung gegen die Palästinenser denn bewirkt?
Bewirkt sie Frieden und Versöhnung?
Antwort: Ganz bestimmt nicht.
Denn die Spirale der Gewalt wird nur immer höher gedreht.
Mit jeder neuen Siedlungserweiterung, mit jeder neuen Verordnung, die das Leben der Palästinenser einengt, werden neuer Hass, neue Rache provoziert.
Und ändern, hin zum Guten, tut sich gar nichts.

Zum Guten verändert sich durch Gewalt und Zwang selten etwas.
Das behaupte ich.
Und wer es bezweifelt, prüfe sich selbst.
Stellen Sie sich doch einmal die Frage:
Wo habe ich in meinem Leben schon einmal versucht, etwas mit Gewalt durchzusetzen.
Wir Schwaben sagen das ja ganz konkret: „Ebbes mit G‘walt durchsetza“.
Und was kam dabei heraus?
Wahrscheinlich nichts.
Kann ja auch nicht. Denn „Gewalt“ provoziert „Gegengewalt“,
und wo nur zerstört wird, wo gegeneinander gearbeitet wird,
anstatt miteinander, kann nichts gedeihen, nichts Gutes herauskommen.
Trotzdem erliegen wir immer wieder der Versuchung.
Das weiß ich wohl, auch aus eigener Erfahrung.
Deshalb lohnt es sich darüber nachzudenken:
Wo müsste ich in meinem Alltag, in meiner kleinen überschaubaren Alltags- und Arbeitswelt der Liebe und dem Zarten mehr zutrauen, mehr Macht einräumen?
Wo müsste ich geduldiger sein?
Wo müsste ich freundlicher sein?
Wo könnte ich ein Licht leuchten lassen und der Liebe Raum geben zur Veränderung?

Sternsinger weisen auf den Frieden in Christus hinDie Sternsinger, die heute durch die Gemeinden ziehen,
sind so ein Licht und ein Zeichen der Liebe.
Sie sammeln in diesem Jahr für Kinder in Peru, die eine Behinderung haben.
Sie singen vor den Häusern und wollen, dass sich etwas zum Guten verändert. Dass sich etwas zum Guten verändert für die Kinder in Peru und für die Kinder und Familien in unseren Häusern.
Deshalb malen sie mit Kreide ihr Segenszeichen über die Haustüren.
C M B – das heißt: „Christus mansionem benedicat“ = „Christus segne dieses Haus“.
Ein Segenswunsch, ein Friedenswusch für jedes Haus, für alle, die darin wohnen
Aber warum sollen Wünsche nicht in Erfüllung gehen?
Ich wünsche uns, dass das vor uns liegende Jahr ein gesegnetes und friedvolles Jahr wird.

Amen.

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