Estomihi (03. März 2019)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Jennifer Berger, Stuttgart [jennifer.Berger@elkw.de]

Lukas 10, 38-42

Zur IntentionMaria und Marta müssen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Maria, die zuhört ist nicht die alleinige Gewinnerin. Beide brauchen nämlich das lebendige Wort Gottes für ihr Leben. Genau wie wir heute.

Liebe Gemeinde,
Geschwistergeschichten gibt es viele. Auch in der Bibel. Geschichten von Konkurrenz und Neid, aber auch von Miteinander und Unterstützung. Ganz automatisch fühlt man sich oft einem der Geschwister näher als dem anderen. Im Predigttext für den heutigen Sonntag ist das wahrscheinlich für viele von Ihnen auch so.

Lukas 10,38-42: „Als sie aber weiterzogen, kam er in ein Dorf. Da war eine Frau mit Namen Marta, die nahm ihn auf. Und sie hatte eine Schwester, die hieß Maria; die setzte sich dem Herrn zu Füßen und hörte seiner Rede zu. Marta aber machte sich viel zu schaffen, ihnen zu dienen. Und sie trat hinzu und sprach: Herr, fragst du nicht danach, dass mich meine Schwester lässt allein dienen? Sage ihr doch, dass sie mir helfen soll!
Der Herr aber antwortete und sprach zu ihr: Marta, Marta, du hast viel Sorge und Mühe.
Eins aber ist not. Maria hat das gute Teil erwählt; das soll nicht von ihr genommen werden.“

Maria oder Marta?Wem haben Sie sich eben beim Lesen des Textes eher verbunden gefühlt: Maria oder Marta? Maria, die zu den Füßen Jesu sitzt und ihm zuhört? Oder Marta, die sich viel Arbeit macht, damit er alles hat und sich wohlfühlt?
Oder ist es gar nicht so einfach und es wechselt? Je nach Situation?
Bekannt sind diese beiden Frauen und oft werden sie gegeneinander ausgespielt. Nach Jesu Worten scheint schnell klar zu sein, dass Maria die ist, der man nacheifern sollte. Natürlich braucht man die Martas, aber eigentlich sollte man doch sein wie Maria. Jedenfalls wenn Jesus in der Nähe ist. Aber ist es tatsächlich so einfach?

Maria und Marta!Jesus selbst ist es, der das Leben der Menschen, die an ihn glauben, grundlegend verändert hat und noch verändert. Auf sein Leben und Sterben zu schauen und auf sein Wort zu hören ist es, was allein „not tut“. Und vor diesem Hintergrund muss man die Schwestern gar nicht gegeneinander ausspielen. Es sind Maria UND Marta zu denen Jesus kommt. Vor diesem Hintergrund lässt sich festhalten, dass es darum geht, dass wir Jesus zuhören. Bei Maria und Marta tritt er ganz einfach durch die Tür. Die beiden heißen ihn willkommen, nehmen ihn auf und kümmern sich um ihn. So praktisch wie das bei Maria und Marta war, so praktisch läuft das heute bei uns nicht mehr. Jesus kommt nicht mehr einfach so vorbei. Und nicht nur deswegen müssen wir uns nicht entscheiden, welche Schwester wir eher sind. Ob wir wie Marta noch rumwerkeln, um es ihm äußerlich so angenehm wie möglich zu machen, oder ob wir uns direkt hinsetzen, um ihm zuzuhören.
Wenn man so will, dann gehören aber auch heute noch beide Schwestern zu unserem Leben, zum Gemeindeleben dazu. Es braucht die Martas, die in der Küche werkeln, den Kirchenkaffee vorbereiten, das Osterfrühstück richten und für den Seniorennachmittag den Kuchen backen. Was wäre aber eine Gemeinde ohne die Marias, die die Gottesdienste besuchen, um auf Gottes Wort zu hören, die den Besuch an der Tür abholen und ihm einfach nur zuhören. Menschen, die da sind. Es ist nicht Jesus in Person, der spricht oder den wir aufnehmen, aber im Anderen und im Fremden begegnen wir doch ihm.
Beide braucht es, und wir sollten die eine nicht gegen die andere ausspielen. Jeder und jede von uns ist ja auch unterschiedlich begabt. Was würde es bringen, wenn da eine einen Kuchen backt, den dann nachher niemand essen mag und was würde es bringen, wenn da einer sich zwingen muss still dazusitzen und zuzuhören, wenn er viel lieber Hand anlegen und etwas schaffen würde – es wäre kein Gewinn für die Gemeinde und daher ist es auch nicht nötig.

Was „not tut“Was aber „not tut“ – für jeden und jede von uns, gleich ob wir eher Martas oder Marias sind – ist auf Jesu Wort zu hören. Ihm Raum zu geben in unserem Leben. Gleichsam als Vorbereitung für alles, was im Leben danach ansteht. Maria und Marta brauchen das Evangelium, wie wir es auch heute brauchen. Und das geht nicht so schnell zwischen Töpfen und Pfannen, das braucht Zeit. Zeit, die wir jetzt in der Passionszeit vor uns liegen haben. Zeit, Jesu Leben und Leiden zu bedenken. Seine Worte in unseren Herzen zu bewegen.
Wie es auch Maria, die Mutter Gottes gemacht hat, nachdem sie das Wunder der Geburt Jesu Christi, die Verkündigung der Engel und die Anbetung der Hirten erlebt hat. Lukas schreibt da, dass sie alle Worte behalten und in ihrem Herzen bewegt hat.
Es „tut not“, dass wir auf Gottes Wort hören und das Evangelium Jesu Christi in unserem Herzen bewegen. Es ist nicht mit dem Verstand zu begreifen, sondern muss mit Herz und Sinnen erfasst werden. Genau das tut Maria, die Schwester der Martha, als sie Jesus zu Füßen sitzt, und das ist es, was letztlich unser Leben verändert. Die kommende Passionszeit bietet dafür eine gute Möglichkeit. Sie ist Zeit der Besinnung auf das Wesentliche.

Aufs lebendige Evangelium Jesu Christi hörenDamit tun wir genau das, was Christinnen und Christen vor uns immer wieder getan haben. Sie haben versucht, sich neu auf das Wort Gottes, auf das Evangelium unseres Herrn Jesus Christus zu besinnen. Da war natürlich Martin Luther, der die Bibel wieder neu ins Zentrum gerückt hat. Da waren unsere Brüder und Schwestern der pietistischen Bewegung, die so viele Gemeinden hier bei uns in Württemberg geprägt haben. Auf Jesu Wort hören, es ganz tief in sich aufnehmen und danach dann das eigene Leben ausrichten.
Lukas erzählt nicht, was Maria getan hat, nachdem Jesus das Haus wieder verlassen hat. Aber sicher muss sie dieses intensive Zuhören verändert haben. Das war es auch, was Pietistinnen und Pietisten erlebt haben und wofür sie auch andere begeistern wollten. Dafür, dass sich im Leben etwas ändert, wenn die Worte Jesu Christi direkt ins Herz sprechen.
Und, wenn man nun im Lukasevangelium bleibt und sich überlegt, was Jesus Maria erzählt haben könnte, dann lesen wir vom Beten, vom Vaterunser, von der Liebe Gottes, die über jedem Gesetz steht. Jesus macht das bildhaft und eindrücklich am Beispiel des verlorenen Schafs, des verlorenen Groschens und des verlorenen Sohns.
„Not tut“, sich vom Evangelium Jesu Christi, vom lebendigen Wort Gottes anrühren und erfüllen lassen. Es in sich aufnehmen, verinnerlichen, im eigenen Herz bewegen und danach losziehen. Anderen davon erzählen, sich die Zeit für Gespräche nehmen und darüber nicht vergessen, sich anderen zuzuwenden und sich zu kümmern. So wie Jesus es vorgemacht hat. Er hat sich Zeit für Maria genommen. Und Marta hat er zugesprochen, dass auch sie sich ruhig Zeit nehmen kann für das, was nötig ist . Zwischen den Töpfen und Pfannen.
Wichtig dabei scheint mir zu sein, dass es lebendig zugeht. Marta darf sich über die Schwester beschweren, Jesus hört ihr zu und nimmt sie Ernst. Erkennt ihre Sorge und Mühe. Maria hört zu. Nicht Worten, die er vorliest, sondern seiner Rede. Gottes Wort ist nicht der Buchstabe, sondern lebendig gewordenes Evangelium. Daran erinnert uns auch die kommende Passionszeit. In Jesu Leiden und Sterben wird deutlich, dass nicht wir es sind, die uns die Gnade Gottes erarbeiten müssen. Wir bekommen sie geschenkt. Jesus ist es, der unsere Schuld trägt und der uns die lebendige Beziehung zu seinem Vater, unserem Gott, ermöglicht. Beziehungen sind lebendig! Das heißt, nicht den Buchstaben zum Gesetz machen und damit Menschen ausschließen, verurteilen und über sie richten. Jesus hat von Liebe und Gnade gesprochen. Das schließt aus, dass wir im Namen Gottes oder Jesu Christi Menschen verurteilen und Bibelstellen zu ihren Ungunsten auslegen. Das hat Jesus nicht gemacht. Im Gegenteil. Er hat sie geliebt. Mit und trotz allem.

Wegzeichen auf dem Weg zur PassionszeitEs tut gut, auf Jesus zu hören. Und jetzt kommt die Passionszeit. Vielleicht hilft es da, die Vorbereitungen und das Werkeln der Marta auch mal sein zu lassen. Sich Zeit nehmen, um die Maria zum Zuge kommen zu lassen. Still werden, Ruhe finden und auf das lebendige Evangelium Jesu Christi hören, es ins Herz sprechen lassen und danach das eigene Leben ausrichten.
Dass es uns gelingt, das schenke uns Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Amen.

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