Konfirmation (13. März 2016)

Autorin / Autor:
Pfarrerin Christiane Wille, Esslingen [christiane.wille@elkw.de]

1. Timotheus 6, 11-16

Liebe Konfirmandinnen und liebe Konfirmanden, liebe Gemeinde,

wenn ihr nächste Woche gefragt werdet: „Und was hast so gemacht am Wochenende?“, da werdet ihr vielleicht antworten: „Ich wurde konfirmiert.“ „Aha“, würden die meisten wohl sagen. Konfirmiert werden, das hat man schon mal gehört.
Vielleicht fällt der einen noch ein, dass es das nur bei den Evangelischen gibt. Dem anderen, dass man danach Pate werden kann.
Ein etwas umständliches Wort: „Konfirmation“. Die Konfirmation, so ist es in kirchlichen Verlautbarungen nach zu lesen, ist das lateinische Wort für Bekräftigung, Stärkung. Und der Konfirmandenunterricht, der der Konfirmation vorausgeht, versetzt Menschen in die Lage, „über ihren Glauben Rechenschaft abzulegen“(1) , oder einfacher ausgedrückt, ,,mit eigenen Worten ihren Glauben zu formulieren“(2).
Eigene Worte – gar nicht so einfach. Mein Glaube – noch schwerer.
Denn was glaube ich eigentlich? Gibt es da richtig oder falsch? Und was heißt das für mein Leben?
Die Frage ist nicht neu. Seit es Christen gibt auf dieser Welt, hat sie diese Frage beschäftigt.

Woran orientiere ich mich? Dieselben Fragen, damals und heuteDavon ist auch in einem Brief aus dem Neuen Testament zu lesen. Dieser Brief richtet sich an Timotheus. Timotheus ist ein enger Mitarbeiter des Apostel Paulus. Eine Gemeinde soll er leiten, gegen falsche Lehren kämpfen. Davon gibt es in dieser so genannten urchristlichen Zeit viele. „Wie sollen wir glauben und wie sollen wir leben?“, fragen sich auch die Menschen in den ersten Jahrhunderten nach Jesu Tod. Es gibt unterschiedliche Vorschläge, je nach religiösen Moden.
Oft auch ganz klare Ansagen, wie man sich zu verhalten hat. Das klingt für viele damals attraktiv. Aber, so hat damals die urchristliche Gemeinde betont, die religiösen Moden mit ihren klaren Verhaltensregeln entsprechen nicht dem, was Christus lehrt. So einfach dürfen wir es uns nicht machen.

Trotzdem – manchmal fände ich es ganz geschickt, wenn mir einfach jemand klar sagt, wie es ist auf der Welt: Das ist gut, das ist böse. Schwarz oder weiß. So hast du zu leben, so hast du zu sein. Denn es ist gar nicht so leicht, das selbst immer wieder neu zu entscheiden. Ganz ohne Bedienungsanleitung. Für uns Ältere nicht und für euch Konfirmanden und Konfirmandinnen vielleicht auch nicht immer. Wie verhalten ich mich richtig oder noch grundsätzlicher: Wie lebe ich richtig?

Ein Beispiel: Ich versuche, in der Schule gut durchzukommen. Wie mache ich das? Ein paar einfache Regeln:
„Hänge mit den coolen Typen ab, dann gehörst du dazu.“
„Falle nicht zu sehr auf.“
„Mache nicht zu oft aber auch nicht zu selten die Hausaufgaben, dann giltst du nicht als Streberin, bekommst mit dem Lehrer aber auch keinen Ärger.“
„Kleide dich einigermaßen hipp, dann macht niemand Witze über dein Aussehen.“

Mit solchen Regeln stehen die Chancen ganz gut, einigermaßen durchzukommen. Vielleicht erhofft ihr euch aber auch manchmal irgendwie mehr. Vielleicht stellt auch ihr euch manchmal ganz grundsätzliche Fragen:
Woran orientiere ich mich bei dem, was ich sage und tue? Und was heißt das dann für mein Verhalten, für mein Leben?
In dem Brief an Timotheus können wir nachlesen, was zumindest derjenige, der den Brief verfasst hat, darüber dachte. Es sind große Worte. Ich lese aus dem ersten Brief an Timotheus, Kapitel 6, die Verse 11b bis 16:
„Jage aber nach der Gerechtigkeit, der Frömmigkeit, dem Glauben, der Liebe, der Geduld, der Sanftmut!
Kämpfe den guten Kampf des Glaubens; ergreife das ewige Leben, wozu du berufen bist und bekannt hast das gute Bekenntnis vor vielen Zeugen.
Ich gebiete dir vor Gott, der alle Dinge lebendig macht, und vor Christus Jesus, der unter Pontius Pilatus bezeugt hat das gute Bekenntnis,
dass du das Gebot unbefleckt, untadelig haltest bis zur Erscheinung unseres Herrn Jesus Christus, welche uns zeigen wird zu seiner Zeit der Selige und allein Gewaltige, der König aller Könige und Herr aller Herren, der allein Unsterblichkeit hat, der da wohnt in einem Licht, zu dem niemand kommen kann, den kein Mensch gesehen hat noch sehen kann. Dem sei Ehre und ewige Macht! Amen.“

Vom guten Kampf des GlaubensGlaube ist eine ganz persönliche Sache.
Drastische Bilder verwendet dieser Brief. Von Jagd und Kampf ist die Rede. Das Wort „Glaubenskampf“ mag ich nicht so recht in den Mund nehmen: Zu bitter der Nachgeschmack: Kreuzzüge damals, Glaubenskriege heute in Syrien und anderen Orten dieser Welt.
Trotzdem, im Brief steht dieses Wort „Kampf“, und es lohnt sich zu fragen, was genau damit gemeint ist.
Kämpfen bedeutet nicht zwangsläufig, Gewalt anzuwenden. Für etwas kämpfen heißt zunächst, sich für etwas einsetzen. In diesem Sinne heißt es im Brief an Timotheus: „Kämpfe den guten Kampf.“ Stehe für das ein, was wichtig ist! Nämlich Gerechtigkeit, Frömmigkeit, Glauben, Liebe, Geduld, Sanftmut.
Das ist ganz schön viel, und das klingt ganz schön abstrakt. Über jeden einzelnen Begriff könnte eine eigene Predigt geschrieben werden.
Ich greife einen heraus: Kämpfe den guten Kampf des Glaubens!

Was ist Glaube? Glaube, so hat es Martin Luther beschrieben, ist das tiefe Vertrauen auf Gott. Vertrauen, das ist immer eine Herzensangelegenheit. Und anders als eine gepanzerte Kampfausrüstung ist der Glaube deshalb wehrlos. Er schreit nicht irgendwelche Parolen. Er hält sich nicht einfach nur an das, was andere für angesagt halten.
Glauben kann ich nur selbst. Glaube ist eben nur dann wirklich, wenn er zu einem menschlichen Herz gehört. Deshalb ist Glaube auch immer lebendig und eine ganz persönliche Sache. In euerm Herzen und in euerm Leben entscheidet sich, ob der christliche Glaube wirksam wird für euch. Ob er euch eine Hilfe ist und euch trägt, wenn ihr die unterschiedlichen Kämpfe besteht, die das Leben so mit sich bringt. Kämpfe in der Klasse, Kämpfe im Freundeskreis um die Frage, wer das Sagen hat. Ihr alle habt schon manche Kämpfe mit Eltern ausgetragen. Das gehört dazu. Der Glaube macht Mut, Kämpfe nicht nur zu führen, um die anderen auszustechen und selber groß raus zu kommen, sondern eröffnet manchmal auch die Möglichkeit, den anderen und seine Anliegen zu sehen.

Glaube kann ich nicht selbst machen.
Obwohl der Glaube so eine persönliche Sache ist, kann ich ihn nicht selbst machen. Ich kann mir nicht vornehmen zu glauben, so wie ich mir vornehme, für die Schule zu lernen, Klavier zu üben oder regelmäßig joggen zu gehen.
Die Erfahrung, dass ihr manches nicht selbst manchen könnt, kennt ihr, seit es euch gibt. Dass ihr euer Leben habt, dafür habt ihr nichts getan. Eure Begabungen, die Umstände, in denen ihr groß geworden seid, liegen nicht in eurer Hand. Manches Mal wurdet ihr ohne euer Zutun vor Schlimmem bewahrt, euren Eltern wird da so manche Situation vor Augen stehen. Es gibt die Erfahrung, dass einem etwas von außen geschenkt wird. So eine Erfahrung ist auch der Glaube.

Glaube ist einerseits etwas ganz Persönliches, und gleichzeitig kommt er von außen. Im Brief an Timotheus heißt es, dass Menschen zum Glauben berufen werden. Gott beruft sie, spricht sie an. Jeden Einzelnen und jede Einzelne ganz persönlich. Wie dies geschieht, ist ganz unterschiedlich. Und wie sich das in jedem einzelnen Menschen auswirkt, ist auch ganz unterschiedlich.
Der eine fühlt sich von seinem Glauben getragen, die andere zweifelt immer wieder, ist sich unsicher, ob sie wirklich glauben kann. Und bei jedem Einzelnen kann sich das auch immer wieder ändern. So ist das nun mal.

Die Aufforderung „Kämpfe den guten Kampf des Glaubens“ ist deshalb auch keine einfache Regel. Denn Glaube zeigt sich bei jedem Christ, jeder Christin auch ein bisschen anders. Trotzdem ist es ein Glaube. Weil er von Gott kommt. Weil Gott uns, weil er euch anspricht.

SchlussDer Konfirmandenunterricht, so habe ich am Anfang der Predigt aus kirchlichen Verlautbarungen zitiert, sollte euch also in die Lage versetzen „mit eigenen Worten [euren] Glauben zu formulieren“.
Das ist schwer, das ist persönlich. Es ist keine Regel, keine Formel, die sich einfach nachsprechen lässt, ohne dass man das Gesicht verliert. Wer von seinem Glauben spricht, zeigt sich und gibt immer auch etwas von sich preis. Der Glaube versetzt dadurch aber auch in die Lage, manchmal gegen den Strom zu schwimmen.
Genau dazu fordert der Brief an Timotheus auf: „Steh zu dem, was du glaubst, und handle danach.“

Dazu möchte ich auch jedem Einzelnen von euch heute am Tag eurer Konfirmation Mut machen. Steh zu dem, woran du glaubst, was dich berührt und beeindruckt. Hab Mut, davon zu sprechen, auch wenn es nicht nach einem wohl formulierten Bekenntnis klingt. Auch Fragen, Zweifel und unfertige Halbsätze gehören zum Glauben dazu. Du bist gefragt, damit sich Gerechtigkeit, Liebe, Geduld und Sanftmut durchsetzen in der Welt.
Ihr seid dabei nicht allein. Mit euch sind ganz unterschiedliche Menschen im Glauben unterwegs. Gott ist dabei – der Segen, den ihr nachher empfangt, ist ein Zeichen dafür.

Amen.

Anmerkungen:
1 https://www.ekd.de/glauben/abc/konfirmation.html (zuletzt abgerufen am 15.02.2016).
2 http://www.evangelisch-in-unna.de/glauben-leben/lebensbegleitung/konfirmation (zuletzt abgerufen am 15.02.2016).

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