Neujahrstag (01. Januar 2026)

Autorin / Autor:
Pfarrer i.R. Dr. Dieter Koch, Künzell [koch.korb@web.de]

Johannes 14,1-6

Intention
Jesu höchste Selbstoffenbarung will von seinem ganzen Wirken als Freudenbote Gottes her gelesen werden. Dann öffnet sie uns für Wege der Liebe, für ein Leben in seinem Licht.

Predigttext
14,1 Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an mich! 2 In meines Vaters Hause sind viele Wohnungen. Wenn’s nicht so wäre, hätte ich dann zu euch gesagt: Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten? 3 Und wenn ich hingehe, euch die Stätte zu bereiten, will ich wiederkommen und euch zu mir nehmen, auf dass auch ihr seid, wo ich bin. 4 Und wo ich hingehe – den Weg dahin wisst ihr. 5 Spricht zu ihm Thomas: Herr, wir wissen nicht, wo du hingehst; wie können wir den Weg wissen? 6 Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater denn durch mich.

Liebe Gemeinde,
In Jesu Namen gehen wir in das neue Jahr.
Das Jahr 2026 hat begonnen. Wir zählen seinen ersten Tag. 364 weitere werden folgen. Dann wird der Stundenzeiger nach doppelt so vielen Umläufen wieder von 24 Uhr auf 0 Uhr umspringen. Von Sydney bis Los Angeles, von Kiribati bis Amerikanisch-Samoa, durch 24 Zeitzonen hindurch werden wieder die Sektkorken knallen, Feuerwerke den Luftraum erfüllen, gute Wünsche und hehre Vorsätze laut werden. Unter welchem Stern mag das Jahr 2026 dann gestanden haben?
Die islamische Welt bewegt sich am heutigen Tag im Jahre 1447 nach der Hidschra, die buddhistische Welt spricht vom Jahr 2569. Wir zählen das Jahr 2026 nach unserer Zeitrechnung. Die säkulare Welt verschweigt verschämt den Grund dieser Zahl. Wir aber sagen: Das Jahr 2026 nach Christi Geburt hat begonnen. Der Neujahrstag, ein ganz und gar weltlicher Tag, steht im Licht der Geburt Jesu. Wir feiern an diesem Tag auch seine Beschneidung und Namensgebung. In Jesu Namen beginnen wir das Jahr.

Er ist der Weg, die Wahrheit und das Leben.
Wie ein Fels im Strom der Zeit steht sein Wort da: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Höchster Anspruch wird laut, verbunden mit einer unüberbietbaren Verheißung: In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen. Ohne die Hoffnung, ewig mit Jesus beim Vater zu sein, will ich nicht unterwegs sein. Welche Zuversicht liegt darin für die Schritte, die wir täglich gehen. Jesu Wort gibt unserem Glauben die Orientierung, unserem Lieben das Licht, unserem Hoffen den Atem.
Seine Zusage: „Ich bin (für euch) der Weg, die Wahrheit und das Leben. Durch mich kommt ihr zum Vater“ bringt in der Stunde seines nahegekommenen Todes noch einmal seine Botschaft zum Strahlen. Er hebt mit seinen letzten Worten und Taten all die Herrlichkeit, die mit ihm in die Welt gekommen ist, in bleibende Erinnerung. Seine Hingabe aus Liebe wird zum Gnadengeschenk. In ihr erkennen wir eine einzigartige Größe: Meine Liebe nimmt euch die Wut von den Lippen, weht die Angst aus euren Herzen, stärkt eure Hände. Meine Liebe trägt euch durch die kommende Zeit.

Jesus bewegt. Er öffnet Wege der Liebe.
Jesus ist der Weg, denn er bewegt. Er öffnet Wege der Liebe. Er öffnet den Weg zum Vater und Er öffnet, ohne dass das eine vom anderen getrennt werden kann, Wege zum Nächsten. Die Fußwaschung der Seinen, die Jesu Selbstaussage vorausgeht, ist zugleich ihr wichtigster Kommentar. Hier zeigt sich in einer äußerst schlichten Geste, was seinen Weg auszeichnete und ihn bleibend zum Weg macht.

Jesus legt die Kleider ab, beugt sich nieder, gießt Wasser ein, wäscht ihre Füße. Mit dem Staub und Schmutz der Füße nimmt er von den Seinen auch den Zorn, den Hader, den Neid. Reingewaschen können ihre Füße neu die Erde spüren und mutige Schritte setzen. Da ist Demut. da ist Gelassenheit Da ist Solidarität, da ist Hingabe. Seine stille Tat zeugt von einem Gott, der die Maske des Herrschers ablegt und bis in die letzte Faser seiner Existenz hinein vom Leiden der Menschen berührt wird.

Durch ihn kommt die Wahrheit ins Glänzen.
Jesus ist die Wahrheit. Er bringt Gott zum Glänzen. Hat er nicht am Jakobsbrunnen in Samarien einer Frau den inneren Weg geöffnet, der sie in die Freiheit führt, weil Gottes Geist auch in ihr ruht? Hat er nicht am Teich Bethesda einem Gelähmten den freien Gang eröffnet, ihn wieder die Freude der Bewegung spüren lassen allen Sabbatgeboten zum Trotz? Hat er nicht zuvor den Tempel gereinigt, um uns den inneren Tempel der Gegenwart Gottes im Geist der Wahrheit zu erschließen. Die Wahrheit wird euch frei machen, so erklingt seine Erkenntnis.
Der indische Weise Rabindranath Tagore (1861-1941) hat es so zur Sprache gebracht: Jesus „hat die Welt und die Menschen groß gemacht. Er hat ihre Demütigung aufgehoben und ihre Rechte gestärkt. Er hat der menschlichen Gesellschaft die Schmach genommen, indem er die Frohe Botschaft verkündete, dass alle Menschen im Haus des Vaters eine Bleibe haben.“ Jesus ist Gottes große Seele mitten unter uns. In ihm ist Vergebung, in ihm ist inneres Beten, in ihm ist Hinneigung zu den Schwachen. Er nimmt sein Leiden um der so viel größeren Wahrheit der Liebe willen an.
Es ist gut, so mit Jesus in das neue Jahr zu gehen und dabei aufmerksam zu bleiben für alle Momente der Wahrheit. Wo immer sich uns etwas zeigt, was echt, verlässlich und gut ist, strahlt Wahres in unser Leben. Wo immer wir bereit sind, uns den Tatsachen zu stellen, die Wissenschaft wertzuschätzen, im Austausch der Argumente nach einem für möglichst viele annehmbaren Weg in den Konfliktfeldern der Gesellschaft zu suchen, geht es um Wahrheit. Wo immer sich Dir das Leben wieder lichtet, ist Jesus mit am Werk.

In ihm ist das Leben. Sein Leben ist das Licht unseres Lebens.
Rabindranath Tagore hat alljährlich in seiner Schule in Bengalen mit und für seine hinduistischen Schüler Weihnachtsfeiern abgehalten. Er sah voller Hochachtung auf den großen Menschen Jesus, Gottes Sohn. Er gab sein tiefes Berührtsein durch Jesu Religion der Liebe an die Seinen weiter. Er wusste sich mit Jesus verbunden im Dienst an Gott und den Menschen. Er erkannte eine Weite des Geistes im Evangelium, die ihn bereicherte und dessen Reichtum er weitergab.
Ich kann es nicht schöner, nicht anrührender formulieren, was uns heute zum neuen Jahr in Jesu Wort, mit Jesu Namen anvertraut ist, als indem ich ein paar seiner Weihnachtsgedanken weitergebe: „Er, der groß ist, wurde unsterblich durch sein Leiden. Er, der Große, konnte das Leid ertragen, weil in ihm auch der immerwährende Nektar der Freude war … Er, der groß ist, ist Liebe. Und seine Liebe offenbart sich im Kleinen. Er erfüllt mein Leben, indem er mir das Licht des Himmels gibt, indem er mir die Schönheit der Erde gibt, indem er mir eine Beziehung der Liebe schenkt.“
Jesus „ist Licht aus der ewigen Morgenröte. Immer neu offenbart sich dieses Licht ohne Anfang … Der Sohn des Vaters ist in unser Leben hineingeboren an dem Tag, an dem wir im Namen der Wahrheit einen Verzicht geleistet haben, an dem Tag, an dem wir mit ehrlicher Liebe einen Menschen unseren Bruder oder unsere Schwester genannt haben … Reichtum macht nicht die Größe der Welt aus. Ihr wahres Gut kommt aus der Höhe des Himmels, wo sich das Licht ausbreitet, wo das Leben atmet, wo die Freiheit sich entfaltet. Von dort erblüht die Schönheit.“

Coda: Jesus ist Gottes schönstes Wort an die Welt.
Jesus ist Gottes schönstes Wort an die Welt. Mit Jesu Wort: Ich bin (für euch) der Weg, die Wahrheit und das Leben gehen wir auch in dieses neue Jahr. Wo immer sich dir ein Weg öffnet, eine Wahrheit lichtet, dein Leben ins freie Loben kommt, stellt sich etwas von der Gnade und Herrlichkeit ein, die wir mit Jesus verbinden. Jesus ist kommen, Grund ewiger Freude. Amen.

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