Pfingstmontag (16. Mai 2016)

Autorin / Autor:
Dekan Volker Teich, Schorndorf [Volker.Teich@elkw.de]

1. Korinther 12, 4-11

„Denn es weiß Gott Lob ein Kind mit 7 Jahren, was die Kirche sei, nämlich die heiligen Gläubigen und die Schäflin, die ihres Hirten Stimme hören.“ So formulierte Martin Luther in seinen Schmalkaldener Artikeln. Das stand für ihn fest, das war sonnenklar, jedes Kind weiß dies. Ob das heute noch so ist, lassen wir einmal dahingestellt. Sein Freund Philipp Melanchthon formulierte im Augsburger Bekenntnis ganz ähnlich, was Kirche ist: „Das ist Kirche: die Gemeinschaft der Heiligen, in der das Evangelium recht gepredigt wird und die Sakramente stiftungsgemäß gereicht werden.“ Kirche ist eine Schöpfung des Heiligen Geistes. Kirche ist immer ein Geschenk Gottes. Kirche entsteht dort, wo das Evangelium gepredigt wird, das Abendmahl gefeiert wird und Menschen getauft werden. Kirche, ein Geschöpf des Heiligen Geistes. Daran denken wir heute am Pfingstmontag und wollen hören und staunen, was uns da Gott schenkt, was er tut.
Wir hören den Predigttext aus 1. Korinther 12, 4-11:

„Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.
In einem jeden offenbart sich der Geist zum Nutzen aller; dem einen wird durch den Geist gegeben, von der Weisheit zu reden; dem andern wird gegeben, von der Erkenntnis zu reden, nach demselben Geist; einem andern Glaube, in demselben Geist; einem andern die Gabe, gesund zu machen, in dem einen Geist; einem andern die Kraft, Wunder zu tun; einem andern prophetische Rede; einem andern die Gabe, die Geister zu unterscheiden; einem andern mancherlei Zungenrede; einem andern die Gabe, sie auszulegen.
Dies alles aber wirkt derselbe eine Geist und teilt einem jeden das Seine zu, wie er will.“

So also sieht es der Apostel Paulus. Korinth war seine Gemeinde, die er gründete, die er liebte, unter der er auch litt. Ja, Korinth war schon eine besondere Gemeinde. In ihr pulsierte das Leben. Es war eine begabte Gemeinde. Doch es war immer die Gefahr, dass es diese Gemeinde zerriss. Für die Korinther gab es besondere Gaben. Das Nonplusultra war die Zungenrede. Mit dieser Gabe war man schon fast im Himmel, so meinten sie. Und da gab es Streit: Wer ist der Größte, wer ist am meisten begabt? Und so fragten sie Paulus: Was ist Gemeinde und was ist mit den Gaben des Heiligen Geistes?
Ich möchte die Antwort des Paulus in drei Gedankenkreisen zusammenfassen:

Das ist Kirche – reich beschenktPaulus beschreibt Geistesgaben, Charismen. Allein dieses Wort zeigt das Wichtigste an: Es ist geschenkt! Es ist Gnade. Wenn wir von der Kirche reden und unsere Gemeinden sehen, dann dürfen, ja dann müssen wir zunächst einmal von dem Reichtum reden, den Gott schenkt. Wo das Evangelium gepredigt wird, wo Gemeinde Gottes, Kirche, gebaut wird, da schenkt Gott reiche Gaben. Das Spannende ist, dass Paulus, wenn er in seinen Briefen Gaben aufzählt, nie immer die gleiche Liste an Gaben aufzählt. Es sind immer auch ganz andere Gaben noch dabei. Das muss so sein.
Wenn Kirche Schöpfung des Heiligen Geistes ist, dann ist Kirche so bunt und so vielfältig wie die Schöpfung dieser Erde. Kirche ist nie eintönig. Das wäre schlimm. Dann wäre in der Kirche alles grau in grau, mausgrau! Nein, Kirche ist bunt, und die Farben sind vielfältig. Und die Gaben, auf die sich die Korinther so viel einbildeten, von denen sie meinten, das sind aber die Allerwichtigsten, wie das Reden in Zungen, die nennt Paulus ganz bewusst erst am Schluss seiner Aufzählung.
„Es gibt verschiedene, mannigfaltige Gaben.“ Was für Gaben gibt es nicht alles bei uns? Was schenkt Gott nicht alles für Gaben? Wichtig ist nur, dass wir sie entdecken, dass sie zum Zuge kommen. Es gibt große, geistliche Gaben und viele natürliche Gaben. Bei Paulus sind zwischen diesen beiden Kategorien die Grenzen fließend.
Lassen Sie mich ein paar dieser Gaben aufzählen: Paulus nennt die Gabe des Glaubens und meint den Berge versetzenden Glauben, den Glauben, der wie ein Fels mitten in der Brandung des Lebens steht. Was ist das für ein Geschenk, wo ein Mensch mitten in den Stürmen des Lebens tief in seinem Glauben an Jesus geborgen ist.
Im Römerbrief schreibt Paulus von der Gabe des Dienens und des Gebens, also des Geldgeben-Könnens. Was ist das für eine großartige Gabe, wenn ein Mensch großzügig ist, aus tiefem Glauben heraus großzügig, nicht knausrig!
Was ist das für eine Gabe, wenn ein Christenmensch ganz schlicht, aber mit treffenden Worten seinen Glauben mitten im Alltag bekennen kann? Das gibt es doch! Das gibt es doch auch unter uns heute Morgen!
Oder, da ist eine Mitarbeiterin, die im Hauskreis oder vor Konfirmanden Zusammenhänge der Bibel großartig erklären kann. Da blitzt immer ein Stück biblische Weisheit auf.
Und dann gibt es Gaben, wir erleben es in dieser Zeit ganz besonders, da haben Menschen ein Herz für Fremde, für Flüchtlinge. Trotz Sprachbarrieren haben sie eine Begabung, auf diese Menschen zuzugehen. Und plötzlich strahlen Gesichter. Menschen, die unendlich viel Leid erlebt haben, können wieder lachen!
Was für Gaben gibt es unter uns?! Heute am Pfingstmontag wollen wir einfach einmal Gott danken, der uns so reich beschenkt! Heute Morgen zeigt uns Gott den Reichtum, den er schenkt. Und Gott gibt nie kleinlich, nie knausrig. Gott gibt immer reichlich, im Überfluss reichlich. Wir müssen es nur erkennen.
Damit kommen wir zum Zweiten:

Reich beschenkt – vom dreieinigen GottKunstvoll schreibt es Paulus auf. Jedes Wort – tiefüberlegt – sitzt: „Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist. Es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.“ Gaben, Charismen und ein Geist; Ämter, wörtlich Dienste, da steht im Griechischen das Wort Diakonie, und ein Herr; Kräfte, Energien, Schöpfungskräfte und ein Gott, der da wirkt alles in allen. Paulus ruft hier zur Mitte! Paulus zeigt hier das Zentrum des Glaubens auf. Er fokussiert uns auf den einen Gott, den dreieinigen Gott. Es gibt unendlich viele Gaben, einen unendlichen Reichtum an Gaben, aber es gibt nur einen Gott.
Das ist die Stärke des Apostel Paulus, dass er immer wieder auf die Mitte des Glaubens hinführt. So beginnt ja auch schon dieses 12. Kapitel. Da ist bis heute die Frage: Wer hat denn den Heiligen Geist? Kann das jemand von sich sagen: Ich habe den Heiligen Geist? Oder muss sich das nicht in einer besonderen Gabe zeigen? Paulus gibt so schlicht Antwort auf diese Frage: „Wer bekennt, dass Jesus der Christus ist, der hat den Heiligen Geist.“ Damit ist klar: Bei den verschiedenen Gaben, bei den verschiedenen Diensten und Kräften, bei allem Suchen und Jagen nach noch mehr, lenkt Paulus unseren Blick auf den einen Gott, der sich im Vater, Sohn und Heiligem Geist uns zeigt.
Wir sind reich beschenkt vom dreieinigen Gott. Und nun gilt es nicht, uns und unsere Gaben in den Mittelpunkt zu stellen, sondern auf Gott zu schauen. Ich brauch nicht morgens aufzustehen und ständig in den Spiegel zu schauen und nach meinen Begabungen Ausschau zu halten oder auch wegen der wenigen Gaben das Gefühl eines Mauerblümchens zu haben. Nein, ich darf auf Gott schauen, darf immer wieder neu staunen, wie groß er ist und was für eine große Liebe er mir und anderen jeden Tag neu schenkt. Dann darf ich den Tag als sein Kind leben und tun, was er mir vor die Füße legt. Deshalb: reich beschenkt – vom dreieinigen Gott.

Zum Nutzen allerDas ist die Pointe des Paulus. Auf das kommt es ihm an. Gaben sind nie Selbstzweck, sondern Gaben sind immer für andere da. Deshalb brauchen wir auch nie zu prahlen mit unseren Begabungen, wir brauchen uns nie in den Mittelpunkt zu stellen, damit alle sehen, wie toll wir sind. Diese Gaben sind nicht für mich, sondern für andere da. Und immer wenn ich meine, dass es doch meine Begabung und mein Verdienst ist, da verkümmern diese Gaben, da stehen sie im falschen Licht. Es sind Gottes Gaben, die er mir für andere gab.
Sicher kennen Sie alle schon diese Geschichte, wie einer den Unterschied zwischen Himmel und Hölle lernte. Er wurde in einen wunderschönen Raum geführt. Es roch verführerisch nach gutem Essen und tatsächlich, da stand ein großer Kessel in der Mitte des Raumes mit herrlichem, leckerem Essen. Aber die Menschen saßen traurig, völlig abgemagert um diesen Kessel da. Der Grund? Sie hatten so lange Löffel, dass sie beim Versuch zu essen einfach nie ihren eigenen Mund trafen. Und jetzt saßen sie da, rochen das gute Essen und konnten es nicht genießen. Das ist die Hölle. Im anderen Raum war ein Hallo! Da war ein Lachen, da war eine fröhlich ausgelassene Stimmung. Zugegeben, es sah nicht alles ästhetisch schön aus. Der gleiche Topf war in der Mitte. Es roch gut. Das Meiste war schon gegessen. Die es aßen, aßen mit Genuss und Freude. Aber etwas verschmierte Gesichter hatten sie schon. Sie hatten die langen Löffel einfach als Gabe erkannt und fütterten sich gegenseitig. Keiner blieb hungrig. Alle bekamen sie genug, aber einer sorgte für den Andern. Und es war ein fröhliches, dankbares Lachen zu hören.
Lässt sich dies nicht ganz leicht auf uns und auf die Frage nach unseren Gemeinden, nach unserer Kirche übertragen? Dort, wo wir den anderen sehen, so wie er ist, und entdecken, was er oder sie jetzt braucht, und unsere Gaben einsetzen, da ist doch schon ein kleines Stück Himmel auf Erden, da leben wir doch schon jetzt als Schwestern und Brüder, als Kinder des himmlischen Vaters, eben als Kirche zusammen. Amen.

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