Pfingstsonntag (08. Juni 2025)
Johannes 14,15–19(20–23a)23b–27
IntentionJesus tröstet uns in allen Unsicherheiten durch seine Worte über den Heiligen Geist. Jesus lebt durch ihn und mit ihm an unserer Seite, und wir sollen auch leben. Vor dem Hintergrund des Pfingstfests ermutigen uns seine Worte zu einem Leben in Begegnung und Gemeinschaft. Denn für Menschen wie für Gott gilt: Zusammen ist man weniger allein.
(Die fakultativen Verse 20 bis 23a werden ausgelassen, da dieser Abschnitt schon sehr dicht und von großen Worten geprägt ist.)
Unsicherheiten heute und damalsLiebe Gemeinde, wir sind es in den letzten Jahren gewohnt, Abschied zu nehmen. In unseren Städten und Dörfern, in unserer Gesellschaft und unseren Gemeinden verändert sich viel. Wir nehmen Abschied von alten Gewohnheiten, von Strukturen und Gebäuden. Es macht sich auch ein Gefühl von zunehmender Einsamkeit bemerkbar. Das macht uns manchmal unsicher. Deshalb ist es gut, darauf zu schauen, wie Menschen in früheren Zeiten von Jesus Christus in schwierigeren Situationen ermutigt wurden.
Das Neue Testament erzählt uns von Menschen, die in einer großen Unsicherheit und Angst vor einer drohenden Einsamkeit leben. Es erzählt uns von den Jüngern Jesu, die von ihm selbst auf seinen Abschied vorbereitet werden. Damit sie neuen Mut bekommen, verheißt er ihnen in seinen Abschiedsreden den Heiligen Geist:
„Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten und er wird euch einen andern Tröster geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit: den Geist der Wahrheit, den die Welt nicht empfangen kann, denn sie sieht ihn nicht und kennt ihn nicht. Ihr kennt ihn, denn er bleibt bei euch und wird in euch sein. Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch. Es ist noch eine kleine Zeit, dann sieht die Welt mich nicht mehr. Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Wer mich liebt, der wird mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen. Wer aber mich nicht liebt, der hält meine Worte nicht. Und das Wort, das ihr hört, ist nicht mein Wort, sondern das des Vaters, der mich gesandt hat. Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ (Joh 14,15–19; 23b–27 nach Luther 2017)
Jesus kommtEin berührendes Bild: Der dem Tod geweihte Jesus tröstet diejenigen, die um ihn trauern werden. Eigentlich müsste er es sein, der getröstet wird. Doch sein Trost und seine Hoffnung sind so stark, dass er sie an die anderen weitergeben kann. Wenn ich davon lese, wie Jesus zu den Seinen spricht, dann wünsche ich mir, ich wäre auch so bei ihm gesessen und hätte ihn gesehen und gehört. Ich spüre fast so etwas wie Neid auf die Jüngerinnen und Jünger. Es ist doch gerade eine der großen, vielleicht die größte Besonderheit und ein Wunder am christlichen Glauben, dass Gott in Jesus Christus ein Mensch wurde. Ein Mensch zum Anfassen steht im Zentrum unseres Glaubens – und kein abstraktes Prinzip.
Dabei ist mir klar, dass nur ein Bruchteil von Menschen ihn so erlebt hat und wir zu den 99,9 % gehören, die ihn vermittelt durch Menschen, Worte, Taten erleben. Durch alle die Momente und Begegnungen, von denen wir sagen können: Hier war ein besonderer, ein heiliger Geist spürbar. Und bei dieser Feststellung merke ich, dass die Worte, die Johannes aufschreibt, auch für diese 99,9 % bestimmt sind. Sie wurden für uns alle überliefert, weil Jesus auch uns tröstet, wenn er sagt: „Ich will euch nicht als Waisen zurücklassen; ich komme zu euch.“ Er lässt uns nicht im Stich.
Mögen Herausforderungen auch groß sein: Wir sind nicht allein mit ihnen, weil Jesus zu uns kommt. Dieses Kommen Jesu wird durch die Auferweckung an Ostern verwirklicht. In der Auferweckung siegt das Leben über den Tod und die Hoffnung über die Verzweiflung. Dort, wo von Jesus erzählt und in seinem Sinne gelebt wird, ist er selbst lebendig. Jesus meint jede und jeden von uns, wenn er sagt: „Ihr aber seht mich, denn ich lebe, und ihr sollt auch leben.“
In der Gemeinschaft des Heiligen GeistesWenn Jesus zu uns sagt, dass wir leben sollen, dann lese ich darin eine Ermutigung zum Leben in Gemeinschaft, zum Leben in Begegnung. Jesus ist – so erzählen die Evangelien – immer mit anderen Menschen unterwegs; spricht mit ihnen, streitet mit ihnen, leidet mit ihnen, betet mit ihnen, isst mit ihnen. Die Zeiten, in denen er bewusst allein ist, werden als besondere Momente gekennzeichnet, weil Jesus sonst immer in Gesellschaft ist. Und selbst wenn er an Orten ohne andere Menschen ist, dann ist er in der Begegnung mit seinem Vater. Der christliche, dreieinige Gott ist schon an und für sich ein Gott in Beziehung.
Kein Wunder, dass Gott mit uns Menschen in Beziehung sein möchte! Mir kommt bei dieser Perspektive ein Zitat des jüdischen Religionsphilosophen Martin Bubers in den Sinn: "Alles wirkliche Leben ist Begegnung. Wenn wir aufhören, uns zu begegnen, ist es, als hörten wir auf zu atmen." Bei Jesus gehört die Begegnung mit anderen Menschen zum Leben wie das Atmen. Gerade deshalb ist es unserem Gott so wichtig, uns nicht allein und als Waisen zurückzulassen, sondern zu uns zu kommen und uns zum Leben in Gemeinschaft zu ermutigen. Die Menschen, die an Pfingsten ein Sprachwunder erlebten, erlebten auch ein Gemeinschaftswunder. Waren sie eben noch der Herkunft und der Sprachen nach getrennt, sind sie durch den Heiligen Geist vereint. Der Heilige Geist tritt im Pfingstwunder als Gemeinschaftsgeist, als Teamgeist in Erscheinung.
Der christliche Glaube verwirklicht sich in solchen Begegnungen. So unterschiedlich wir auch heute alle sein mögen, durch den Heiligen Geist werden wir zusammengebracht. Vielleicht unterscheiden sich unsere Vorstellungen von Gemeinschaft voneinander. Aber könnte in unserer Zeit, in der Einsamkeit eine massive Herausforderung ist, die Suche nach Gemeinschaft und Begegnung ein gesellschaftlicher Beitrag von uns Christinnen und Christen sein? Mögen sich auch unsere Gewohnheiten, unsere Strukturen und Gebäude verändern: Die Aufgabe und Chance zur Begegnung und Gemeinschaft bleibt. Unsere Fähigkeit dazu hängt nicht davon ab, wie viele wir gerade sind.
Der Trost und das HerzWir sind dabei nicht allein. Jesus Christus hat uns den Heiligen Geist verheißen: „Aber der Tröster, der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe.“ Schon die Menschen, die diese aufgeschriebene Rede zuerst gelesen oder vorgetragen bekamen, kannten nicht mehr den irdischen Jesus von Nazareth. Doch im Johannesevangelium erfahren schon sie einen Trost, der auch uns ermutigen kann: Der Heilige Geist befähigt uns, das Wirken Jesu in dieser Welt weiterzuführen, ja sogar noch „größere Werke“ zu vollbringen (Joh 14,12).
Unser Zugang zu Jesus ist genauso wertvoll wie derjenige der Menschen, die mit ihm gelebt haben. Der Heilige Geist, der hier Tröster genannt wird, verbindet uns miteinander. Wir sind von ihm befähigt und beauftragt, anderen Menschen Trost zu spenden. Das müssen nicht immer große Schritte sein. Vielleicht zeigt sich dieser Trost darin, dass wir es sind, die andere Menschen aufrichtig fragen, wie es ihnen geht. Oder darin, dass jemand von unserem Besuchsdienst bei jemandem anklopft, der schon lange mit niemandem mehr gesprochen hat. Unsere Gemeinden, unsere Gottesdienste, unsere vielfältigen Angebote sind Orte der Begegnung. Hier erfahren Menschen Trost und spenden Menschen Trost. Das können wir selbstbewusst sagen.
Die letzten Worte, die Jesus in diesem Abschnitt spricht, dienen auch unserem Trost: „Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht.“ Es gibt immer Gründe, sich zu erschrecken und zu fürchten, ganz gleich, ob im Jahr 30 nach Christus oder knapp 2000 Jahre später. Herausforderungen sollen auch gar nicht klein geredet werden. Aber es gibt immer noch bessere Gründe, sich den Schrecken und die Furcht nehmen zu lassen. Am besten in Gemeinschaft. Mit Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Mit anderen Menschen. Mit denen in den Kirchen und draußen. Denn für uns alle gilt: Zusammen ist man weniger allein. Zusammen sind wir stark. Gott befähigt uns dazu. Amen.
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