Kantate (07. Mai 2023)

Autorin / Autor:
Pfarrer Frieder Dehlinger, Tübingen [Frieder.Dehlinger@elkw.de]

1. Samuel 16,14-23

IntentionDie HörerInnen sollen in ihrem Glauben erbaut werden. Sie sollen bestärkt werden, den (Oster-)Glauben als Geschenk anzunehmen und von ganzem Herzen und mit all unserer Kraft singend, betend, Bibel-lesend und liebend ein- und auszuüben.

Gliederung:
(1) Sauls Haltlosigkeit und Therapie
(2) Die biblische Weisungen für ein Leben, das in Krisen den Halt nicht verliert, werden vom modernen Menschen nicht angenommen.
(3) Der Gottesbezug/das Leben aus dem Geist Gottes ist der entschei-dende Faktor für ein gutes, gehaltenes Leben auch in schweren Zeiten
(4) David als Beispiel für einen Menschen, der seinen Glauben übt und aus Gott lebt
(5) Schlussermutigung (siehe Intention

1.Sam 16,14 Der Geist des HERRN aber wich von Saul, und ein böser Geist vom HERRN verstörte ihn. 15 Da sprachen die Knechte Sauls zu ihm: Siehe, ein böser Geist von Gott verstört dich. 16 Unser Herr befehle nun seinen Knechten, die vor ihm stehen, dass sie einen Mann suchen, der auf der Harfe gut spielen kann, damit, wenn der böse Geist Gottes über dich kommt, er mit seiner Hand darauf spiele, und es besser mit dir werde. 17 Da sprach Saul zu seinen Knechten: Seht nach einem Mann, der des Saitenspiels kundig ist, und bringt ihn zu mir. 18 Da antwortete einer der jungen Männer und sprach: Ich habe gesehen einen Sohn Isais, des Bethlehemiters, der ist des Saitenspiels kundig, ein tapferer Mann und tüchtig zum Kampf, verständig in seinen Reden und schön, und der HERR ist mit ihm.
19 Da sandte Saul Boten zu Isai und ließ ihm sagen: Sende deinen Sohn David zu mir, der bei den Schafen ist. 20 Da nahm Isai einen Esel und Brot und einen Schlauch Wein und ein Ziegenböcklein und sandte es Saul durch seinen Sohn David. 21 So kam David zu Saul und diente ihm. Und Saul ge-wann ihn sehr lieb, und er wurde sein Waffenträger.
22 Und Saul sandte zu Isai und ließ ihm sagen: Lass David mir dienen, denn er hat Gnade gefunden vor meinen Augen. 23 Wenn nun der Geist Gottes über Saul kam, nahm David die Harfe und spielte darauf mit seiner Hand. So erquickte sich Saul, und es ward besser mit ihm, und der böse Geist wich von ihm.

Liebe Schwestern und Brüder, / liebe Gemeinde,
(1) Saul geht es nicht gut. Etwas Wesentliches stimmt nicht.
Manche sagen: Er hat sich nicht im Griff!
Andere sagen: Er verliert den Verstand!
Manche merken: Er ist eine Gefahr.
Noch sind es nur Episoden, Krisen, die kommen und gehen.
Aber er ist der König, und wenn der König labil ist,
ausgeliefert seinen Stimmungen und nicht wirklich berechenbar,
dann hat ganz Israel ein Problem.

Saul braucht etwas, was ihn stabilisiert.
Heute würde der Arzt eine Diagnose stellen,
Borderline, oder manisch-depressiv oder Post-Trauma-Stress,
vielleicht auch nur Burn-out,
und der Arzt würde Medikamente verschreiben.
Doch damals, also vor etwa 3000 Jahren,
gab es noch keine Psychiater und keine Psychopharmaka.
Sauls Diagnose heißt: ein böser Geist verstört ihn.
Und seine Therapieempfehlung heißt: Musik!
Freilich nicht die Kriegstrommel – Krieg hat Saul mehr als genug –
fast seine ganze zweijährige Amtszeit Krieg gegen die Philister,
ist gezeichnet von Krieg und totaler Vernichtung (1.Sam 15,3ff) .
Nein, kein Trommeln als Traumatherapie,
auch keine Posaunen, Hörner oder Trompeten.
Sauls Musiktherapie sind denkbar sanfte, leise Klänge:
eine Handharfe, eine Lyra,
ganz einfach, vier Saiten in einen handlichen Rahmen gespannt.
Der Lyraspieler spielt mit seiner Hand auf den Saiten,
streichelt und zupft mit den Fingern,
entlockt den Saiten zarte Klänge – und vielleicht singt er auch dazu.
– Liest man die Geschichte Sauls im Zusammenhang,
kann der Kontrast kaum größer sein zwischen dem dauernden Kriegsgeschrei einerseits und den sanften Klängen hier.

Und es funktioniert:
immer, wenn der Spielmann, den Saul engagiert hat,
„die Harfe nimmt und mit seiner Hand darauf spielt,
erquickte sich Saul, und es wurde besser mit ihm,
und der böse Geist wich von ihm“.

(2) So einfach.
So einfach, das Üble, was uns bedrängt und ängstigt,
verstummen zu lassen!
Also: wohl dem Mann, der weiß, was ihm guttut!
Wohl der Frau, die weiß, was sie braucht,
wenn es um sie stürmt und in ihr brodelt;
und wohl der Gemeinschaft, die weiß, was sie braucht,
wenn sie in der Krise ist.

Die Bibel hat verschiedene Antworten,
auf die Frage, was einem Menschen Halt und innere Stärke gibt.
Beten – und in der Schrift lesen – und mit Gottes Wort umgehen –
und mit anderen zusammenkommen und gemeinsam beten und singen
und Gottesdienst feiern –
und Gutes tun. – Ja, auch Gutes-tun bringt uns innere Ruhe.
Heute am Sonntag Kantate, steht die Musik im Mittelpunkt,
eigentlich: das Singen, hier bei Saul das Saitenspiel.
Wobei – ich nehme eigentlich schon an, dass David,
– es ist ja schließlich David, der hier mit seiner Musik
Saul zu Trost und innerem Frieden bringt –
ich nehme doch an, dass David nicht nur Saiten gezupft,
sondern auch gesungen hat.

Die Bibel – wie gesagt – lehrt uns mehrere Wege,
wie wir innerlich fest werden,
wie wir unsere Wurzeln tiefer in die Erde senken können,
wie wir in Krisenzeiten Halt und Trost finden:
Gebet, Bibel lesen, Gemeinschaft, Gutes-Tun und Singen.
Nur, dass das alles in heutigen Ohren
so altbacken klingt,
– nach Oma mindestens, eher noch älter –
und es stimmt: nichts davon ist neu oder chic oder modern.
Doch es sind diese Üb-Wege,
diese einfachen Praktiken der Frömmigkeit,
die einem Menschen Kraft geben, wo die eigene Stärke endet
und Klarheit geben, wo die eigenen Augen nicht weitersehen.
Freilich: das sind erstens alte Heilmittel
und zweitens: sie wollen geübt sein!

David war ja zunächst mal Hirte,
hat auf die Ziegen und Schafe seines Vaters aufgepasst.
Und weil das oft langweilig war, hat er geübt:
hat mit seiner Steinschleuder trainiert
– das bekam dann Goliath zu spüren –
und hat mit seiner Handharfe geübt – das kam dann Saul zugute.
Und ja: unsere jüdisch-christliche Frömmigkeit ist ein Üb-Weg,
kein Instantpulver und keine sofort lösliche Brause-Kopfschmerztablette. Wunder geschehen – aber sie sind selten.
Die Ein-Übung, der Pilger-Weg,
das alltägliche mit dem Wort und der Weisheit Gottes umgehen,
das beständige Bleiben in der Gemeinde und am Gottesdienst
und am Miteinander Leben-Teilen und im Gebet (Apg 2,42)
das ist unser Heilmittel, das ist der biblische Weg,
um Krisen gewachsen zu sein und Stürmen standzuhalten.

Jesus am Ende der Bergpredigt:
„Wer diese meine Lehr-Worte hört und tut sie,
der gleicht einem klugen Menschen, der sein Haus auf Fels baut.
Als die Stürme kamen, und am Haus rüttelten,
fiel es doch nicht ein, denn es war auf Fels gebaut.“

Was aber bei uns gerade geschieht ist etwas anderes:
die Zeiten werden schwieriger und die Krisen mehren sich;
die meisten Menschen aber finden keinen Zugang
zu den tieferen Wahrheiten des Lebens und des Glaubens.
Sie wissen nicht, dass und was sie üben könnten,
und dass sie Glauben lernen und üben müssten,
wie man ein Instrument lernt und übt,
um inneren Trost – viele sagen heute: um Resilienz zu finden.

Und so fallen heute immer noch mehr Menschen ins Dunkle.
Die Kirchen sind leer, die Arztpraxen sind voll;
wer wie Saul heute psychologische oder psychiatrische Hilfe
oder eine Therapie braucht, muss lange auf einen Platz warten.
Und viele schlucken einfach Tabletten.

(3) König Saul geht es nicht gut.
Der üble Geist, der immer wieder über ihn kommt,
ist gar nicht sein größtes Problem.
Sein eigentliches Problem ist,
dass er nur hin und wieder den Geist Gottes in sich weiß.

Im Kontrast zu David, der ihm als König folgen wird,
ist das deutlich:
beide sind problematische Männer, natürlich auch Männer ihrer Zeit.
Beide sind rücksichtslos, lassen sich von Impulsen leiten,
manipulieren andere, scheuen sich nicht, mit Gewalt oder mit Täuschung ihre Interessen durchzusetzen.
Saul ist nur hin und wieder mit Gottes Geist in Verbindung,
in David aber ist Gottes Geist beständig.
Das wird David nicht davon abhalten,
auch schwerste Sünden zu begehen,
etwa als er ganz hingerissen ist von der schönen Batseba.

Aber es ermöglicht David immer neu Reue und Umkehr.
Je nachdem, von welcher Seite wir es ansehen:
Davids Glaube oder Gottes Geist, der auf David ruht,
sie ermöglichen ihm immer neu die Rückkehr in die Kraft,
zum Glanz und zum Wohlwollen Gottes,
zum Aufatmen und Ruhen in Gott.

Anders bei Saul. Für ihn war der Gottesgeist immer eher ein Flackern.
Und jetzt, so beginnt unser Predigttext,
jetzt ist der Geist Gottes ganz von ihm gewichen.
Und während Saul immer mehr ins Dunkle und in Verzweiflung gleitet,
steigt Davids Stern immer höher und leuchtender auf.

(4) König David wird kein reiner Held sein.
Die Bibel verschweigt seine Schwächen nicht.
In unserem Predigttext wird er vorgestellt zuerst als Musiker,
und in zweiter Linie als ein tapferer Krieger,
und als drittes: verständig in seinem Reden: also eloquent und klug.
Und er sah gut aus, war ein schöner Mann, sagt die Bibel.
Und als letztes: Gott war mit ihm.

Mir gefällt es, dass der größte König der Bibel in erster Linie
als Musiker, als Sänger, als Dichter und Poet vorgestellt wird.
Das ganze Buch der Psalmen wird David zugeschrieben:
150 Lieder, Gedichte und Gebete.

Mir gefällt es, dass König David lieber zur List als zur Gewalt griff.
Mir gefällt es, dass er sich sein Leben lang an Gott hielt.
War das Leistung? War nicht auch sein Glaube Gnade?
War das Übung, täglich trainiertes Vertrauen,
so wie heute viele täglich mit Hanteln üben oder joggen gehen
oder ins Fitness-Gym?
War Davids Glaube Übung oder war das Geschenk von Gott?

Ein Musiker muss üben. Ein Dichter muss üben.
Und sind nicht Glauben, Hoffen, Lieben und Vergeben
selbst eine tägliche Übung?
Die Begabung ist Geschenk. Dann kommt das Üben.
Und im Üb-Weg kommen immer neue Geschenke:
jedes Mal, wenn die Musik einem einen neuen funkelnden Moment schenkt und ein neues Eins-Werden im Augenblick.

In der Taufe hat Gott versprochen, dass sein Geist in uns bleibt.
Nicht flackernd, wie bei Saul, sondern beständig, wie bei David.
Wie er sind wir Begnadete, das steht fest.

(5) Nun also heute, am Sonntag Kantate die Aufforderung,
sich der Gnade Gottes zu freuen
und mit ganzem Einsatz zu üben:
Singen – im Gottesdienst und im Chor und im Herzen
und wo immer Ihnen danach ist –
und Beten üben und mit Gottes Wort umgehen,
und Gemeinschaft pflegen und Gutes tun.

Auf dass unsere Wurzeln immer tiefer in Gottes gute Erde reichen
und unser Herz sich immer weiter öffnet für Gottes kommendes Reich.
Auf dass wir in Jesu Namen unser Haus auf Fels bauen.
Kein Sturm wirft es um.
Versprochen.
Amen.

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